Wer ist der Mann, der Trumps Macht sichern soll?
Einst galt er als Lichtgestalt, heute spielt der frühere New Yorker Bürgermeister Rudy Giuliani eine eher zweifelhafte Rolle in Trumps Polit-Universum.
Was waren das noch für Zeiten. Als Rudolph Giuliani als Seelentröster und „Bürgermeister Amerikas“ galt, weil er das Land in seiner schwersten Krise – den Anschlägen vom 11. September 2001 – an die Hand nahm und zurück ans Licht führte. Oder als er Wall-Street-Bankern vor den Augen des Fernsehpublikums Handschellen anlegen ließ. Die Mafia, die Gangs, die Kleinkriminellen und die Wirtschafts-Gangster – mit allen nahm es der Bürgermeister von New York auf. Den gefährlichen Moloch verwandelte er in eine Oase der Sicherheit. Er stärkte die Rechte von Schwulen und machte sich für Einwanderer stark. Das Time-Magazin adelte ihn 2001 als Person des Jahres, im gleichen Jahr erhielt er den Bambi, die Queen schlug ihn 2002 zum Ritter. Ein amerikanischer Held eben. Das war Giuliani.
Heute scheint er selbst einer von denen zu sein, die er früher ins Visier nahm, zumindest ein politischer Schurke, der vor Drohungen und Korruption nicht zurückschreckt. Statt sich wie andere frühere Politiker den Lebensabend mit gut bezahlten Reden zu vertreiben, ist der 76-Jährige in seinen früheren Beruf als Anwalt zurückgekehrt und vertritt einen ganz besonderen Klienten: Donald Trump, Noch-Präsident der Vereinigten Staaten und angriffslustiges Alpha-Tier. Im eigentlich aussichtslosen Kampf um das Weiße Haus gibt Giuliani die "persönliche Bulldogge", wie es seine Tochter nennt, des Wahlverlierers. Der Anwalt will beweisen, dass nur ein Stimmenraub seinen Klienten um das Amt bringen soll. Angst vor Verschwörungstheorien hat der 76-Jährige dabei nicht - was daran liegen mag, dass ihm stichhaltige Beweise fehlen. Antifa, Tech-Unternehmer, China, Kuba, Venezuela und sogar ein Internetserver in Deutschland sollen Schuld tragen am Sieg Joe Bidens.
Haarfarbe läuft Rudy Giuliani übers Gesicht
Bisweilen rutschen die Auftritte Rudy Giulianis ins Absurde ab. Als er kürzlich im Licht der Scheinwerfer ins Schwitzen geriet, lief ihm die dunkle Haarfarbe die Schläfen entlang. Auf Twitter regnete es nicht nur Spott und Häme, sondern auch Warnungen. "Bei dieser Pressekonferenz hat es sich um die gefährlichsten 1:45 Stunden TV in der Geschichte Amerikas gehandelt. Und vermutlich die verrücktesten", schrieb Christopher Krebs, den Trump gerade erst gefeuert hat. Er war als Chef der Agentur für Cyber- und Infrastruktursicherheit. Am Tag, an dem Biden von US-Medien als Wahlsieger ausgerufen wurde, sorgte eine Pressekonferenz Giulianis für Spott, die vor einer Landschaftsgärtnerei namens "Four Seasons" stattfand und nicht - wie ein Trump-Tweet annehmen ließ - im gleichnamigen Luxushotel. Wenige Wochen vorher war Giuliani ausgerechnet dem Komiker Borat in die Falle gegangen. Der filmte ihn dabei, wie er nach einem Interview mit einer jungen Frau seine Hand in die Hose schob. Giuliani sagte, er habe sein Hemd richten wollen.
Trotzdem verteidigt Giuliani, was eigentlich nicht zu verteidigen ist. Und wenn es notwendig ist, mischt er offenbar auch selbst mit – am liebsten wäre er ja ohnehin Außenminister geworden.
Donald Trump findet Rudy Giuliani "großartig"
In der Ukraine-Affäre des Präsidenten jedenfalls bemühte sich der frühere New Yorker Staatsanwalt aktiv darum, das Land im Osten Europas zu Ermittlungen in Sachen Biden zu bewegen, bis hin zu Gesprächen mit Mitarbeitern von Präsident Selenskyj. Auch eine Kampagne gegen die frühere US-Botschafterin soll er geführt haben. Die Rolle von Trumps Schattenmann wird immer mysteriöser. John Bolton, früherer Sicherheitsberater des Weißen Hauses, legt eine Charakterbeschreibung Giulianis vor, die kaum mehr steigerbar ist: „Giuliani ist eine Handgranate, die noch jeden in die Luft jagen wird.“
Donald Trump sieht das freilich anders: „Rudy ist großartig“, sagt der über seinen Mann fürs Grobe. Was auch sonst. Immerhin sind die beiden seit Jahrzehnten verbandelt, teilen die beiden viele Leidenschaften: die Freude am Trash-TV und der Hang, mit dubiosen Geschäften Millionen zu scheffeln – und auch Giulianis erste Frau erfuhr von der Trennung durch die Medien. Sein Biograf Andrew Kritzman beschreibt den aus Brooklyn stammenden Arbeiterjungen als Kontrollfreak, als Mann, der die Welt in Freund und Feind einteilt und ein gewaltiges Geltungsbedürfnis hat. Vielleicht, so mutmaßt das liberale Amerika, geht es Rudy Giuliani ja auch gar nicht so sehr darum, Trump zu verteidigen. Sondern sich selbst in den Geschichtsbüchern zu verewigen. Und dazu taugt das Weiße Haus allemal besser als die Vortragssäle, die er als Promi-Redner füllen könnte.
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Es ist nur traurig was aus dem Land der Träume wurde.