Juso-Chef Kühnert fordert Entscheidung über SPD-Kanzlerkandidatur noch 2020
Exklusiv Kevin Kühnert will früh über den Kanzlerandidaten der SPD sprechen, attackiert Linke-Chef Riexinger – und reagiert mit Spott auf Gabriels Berufs-Ratschläge.
Der stellvertretende SPD-Chef und Juso-Bundesvorsitzende Kevin Kühnert hat seine Partei aufgefordert, noch in diesem Jahr die Frage der Kanzlerkandidatur zu entscheiden. „Unser Hauptinteresse ist, dass wir diese Frage schneller klären als bei den letzten Malen“, sagte Kühnert unserer Redaktion. „Wir sind die letzten zwei Mal spät und unstrukturiert in die Entscheidung hineingestolpert“, betonte er. „Kandidat und Programm haben nicht gut harmoniert, die Kampagne war nicht gut vorbereitet.“
Kanzler-Kandidatur: Juso-Chef Kühnert will schnelle Entscheidung
Er habe die Frage nicht allein zu entscheiden, „es gibt aber einen breiten Willen in der Partei, die Öffentlichkeit damit nicht ewig auf die Folter zu spannen“, sagte der stellvertretende Parteichef. „Wir werden uns nicht erst 2021 mit der Frage der Kanzlerkandidatur beschäftigen.“ Sie neue SPD-Spitze befinde sich in der Vorphase des Wahlkampfs, „auch um schnell reagieren können“, sagte er mit Blick auf die Entscheidung um den CDU-Vorsitz. Kühnert sieht, dabei durchaus Chancen, dass die SPD den nächsten Bundeskanzler stellen könne. „Es kann inzwischen gut sein, dass eine Partei mit 24, 25 Prozent am Ende auch den Kanzler oder die Kanzlerin stellt“, betonte er. „Die Bäume für die Parteien wachsen in unserer zergliederten Gesellschaft nicht mehr in den Himmel.“
Die Vorsitzenden hätten ein Vorschlagsrecht. Es könne bei mehreren Kandidaten eine Urwahl geben. „Ich glaube aber, es gibt ein Interesse daran, dass man sich das nach Möglichkeit spart und zu einem gemeinsamen Vorschlag kommt“, sagte Kühnert. Die SPD müsse bei der Wahl auf neue Konzepte für die Zukunft der Gesellschaft setzten. „Nach 15 Jahren Angela Merkel gibt es ein Bedürfnis nach größeren politischen Entscheidungen“, sagte Kühnert. „Zum Beispiel schieben wir die Frage nach der Zukunft der Rentenpolitik oder die Einführung einer Bürgerversicherung wegen grundsätzlicher Konflikte mit der Union lange vor uns her.“ Das jetzige Regierungsbündnis sei aber mehr eine Reparatur- als eine Gestaltungskoalition.
Kühnert fordert von Koalitionsgipfel Klarheit über Energiewende
Kühnert kündigte an, die SPD werde beim Koalitionsgipfel am Sonntag klare Entscheidungen von der Union einfordern: „Wir haben auf dem Parteitag im Dezember beschlossen, dass mehr Tempo in die Koalition rein muss und verschiedene Themenbereiche neu verhandelt werden müssen“, betont er. „In dieser Verhandlungsphase sind wir jetzt, so erwarten wir im Koalitionsausschuss am Sonntag klare Ergebnisse“, fügte er hinzu.
„Wir fordern zum Beispiel ein enormes Investitionspaket in Milliardenhöhe für die kommenden zehn Jahre.“ Bund, Ländern und Kommunen würden einen riesigen Investitionsstau vor sich herschieben. Auch müsse es klare Entscheidungen zum Ausbau der Erneuerbaren Energien geben: „Der Deckel für den Ausbau der Photovoltaik muss wegfallen“, forderte er. Schon jetzt würden vielfach keine neuen Solaranlagen mehr gebaut. „Wir brauchen jetzt Planungssicherheit, sonst schaffen wir die Energiewende und mit ihr die Klimaziele nicht.“
Juso Chef Kühnert verurteilt Riexingers Verhalten auf Linke-Treffen
Scharfe Kritik äußerte Juso-Chef Kühnert an Linken-Parteichef Bernd Riexinger im Skandal um die Äußerungen bei einer Strategiekonferenz der Partei, bei der eine Teinehmerin davon redete bei einer Revolution ein Prozent der Reichen zu erschießen. „Der Wortbeitrag war eine Geschmacklosigkeit sondergleichen“, sagte Kühnert unserer Redaktion. „Und von politischem Spitzenpersonal ist ein klarer Wertekompass zu erwarten, der gegen eine solche Wortwahl sofort einschreitet“, kritisierte Kühnert Riexingers Verhaltener. „Wir können nicht beklagen, dass das gesellschaftliche Klima verroht, dass aus Worten Taten werden und dann so etwas tolerieren“, betonte Kühnert. „Ich habe nicht zu bewerten, ob Riexinger noch die Partei repräsentieren kann“, fügte er hinzu.
Kühnert reagiert auf Gabriels Berufsrat „mit sozialdemokratischer Gelassenheit“
Gelassen reagierte Juso-Chef Kühnert, auf jüngste Ratschläge des ehemaligen SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel, der 30-Jährige Nachwuchspolitiker solle erstmal eine Berufsausbildung machen, bevor er in die Spitzenpolitik gehe. „Wir haben jetzt alle mitbekommen: Sigmar Gabriel hat ein neues Buch geschrieben“, sagte Kühnert unserer Redaktion. „Offenkundig bin ich nun ungefragt zum Werbeträger dafür geworden und erdulde das mit sozialdemokratischer Gelassenheit“, betonte er.
Allerdings erwiderte er Gabriels Ratschläge mit einem eigenen Rat für die jüngste berufliche Karriere des Ex-Vorsitzenden als Aufsichtsrat der Deutschen Bank: „Die mindeste Erwartung ist, dass er nun im sozialdemokratischen Sinne sein Gewicht für den Schutz von Arbeitsplätzen einsetzt, die bei den Umstrukturierungen der Deutschen Bank zur Disposition stehen“, sagte Kühnert. „Als guter Sozialdemokrat hat er das sicherlich im Blick“, fügte er hinzu. „Aber es war schon häufiger der Fall, dass manche nach einer langen politischen Karriere das Gespür dafür verloren haben, dass Sie mit der Partei identifiziert werden und ihr Handeln nicht davon getrennt betrachtet werden kann.“ (AZ)
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