Schaden die SPD-Pläne dem sozialen Wohnungsbau?
Ausgerechnet die kommunalen Wohnungsgesellschaften und Genossenschaften laufen Sturm gegen Olaf Scholz
Eigentlich will die SPD Mieter schützen und günstige Wohnungen schaffen, sollte man denken. Doch angesichts der Pläne des SPD-Finanzministers Olaf Scholz fürchten gerade die Vermieter günstiger Wohnungen massive Belastungen. Wohnungsgenossenschaften und kommunale Wohnungsgesellschaften in den Großstädten warnen jetzt vor stark steigende Steuerzahlungen, die direkt die Mieter treffen würden. Der Wohnungsverband GdW geht davon aus, dass das „untere Mietsegment“ überdurchschnittlich belastet werden würde.
Scholz’ Vorschlag „widerspricht damit auch dem Anliegen des bezahlbaren Wohnens“, kritisiert der Verband in einer Stellungnahme und warnt vor „katastrophalen Auswirkungen auf den Bau von geförderten und bezahlbaren Mietwohnungen“.
Das Argument des Bundesfinanzministeriums, dass gerade Sozialwohnungen, gemeinnützige Wohnungsbaugesellschaften und Genossenschaften durch einen Sonderabschlag begünstig werden sollten, beruhigt die sozialen Vermieter keineswegs. Grund ist der rasante Anstieg der Bodenpreise in den Großstädten, denn der Wert der Grundstücke soll künftig in die Berechnung der Steuer einfließen. Ein Beispiel aus München: Dort schätzt eine Genossenschaft mit einer Wohnanlage in Bestlage, dass die Grundsteuer um mehrere Euro pro Quadratmeter steigen würde. Falls es so kommt, würde das für die Bewohner quasi eine Verdopplung der Miete bedeuten, da die Grundsteuer umgelegt werden kann. Schon jetzt zahlen Mieter und Wohnungsbesitzer vor allem in Großstädten die höchsten Grundsteuern überhaupt.
Der GdW ist der bundesweite Dachverband für Genossenschaften und kommunale Wohnungsgesellschaften, die ihre Wohnungen billiger anbieten als kommerzielle Vermieter. Die im Verband organisierten Wohnungsunternehmen verlangen eine durchschnittliche Quadratmetermiete von 5,64 Euro. „Unsere Mieten liegen im Schnitt zwei Euro pro Quadratmeter unter dem Hamburger Mietenspiegel“, sagt Sönke Petersen, Sprecher der großen Wohngenossenschaft BVE in Scholz’ Heimatstadt Hamburg.
Doch sind in den Großstädten die Bodenrichtwerte in den vergangenen Jahren rasant gestiegen. Im Falle Münchens nähern sich diese den 15000 Euro pro Quadratmeter in besten Wohnlagen, in Hamburg sind mancherorts ebenfalls die 10000 Euro pro Quadratmeter überschritten. Auch eine noch so kräftige Reduzierung der Steuermesszahl wird nach Einschätzung der Branche nicht ausreichen, um den Effekt äußerst teurer Bodenwerte auszugleichen. „Da kann die Steuermesszahl so niedrig sein, wie Sie wollen: Wenn die Bodenwerte mit einfließen, wird es teurer, das ist gar keine Frage“, sagt Hans Maier, der Chef des Verbands bayerischer Wohnungsunternehmen VDW. „Wo die Nachfrage am höchsten ist, würden die Preise in die Höhe getrieben“, warnt auch Andreas Paasch, Vorstand der Hanseatischen Baugenossenschaft Hamburg. „Das kann eigentlich nicht gewollt sein.“
Sollte es so kommen, würden soziale Wohnungsunternehmen von der Politik doppelt bestraft. Die erste Strafe für soziale Vermieter besteht im Baulandmangel und astronomischen Grundstückspreisen. Hauptursache der Wohnungsmisere in den Städten ist, dass über Jahrzehnte zu wenig Bauland ausgewiesen und zu wenig gebaut wurde. Zu dieser Entwicklung hat maßgeblich beigetragen, dass Bund und Länder über Jahrzehnte sehr wenig Geld für die Wohnraumförderung ausgegeben haben – die Trendwende kam sehr spät. Und als zweite Strafe steht nun in Aussicht, für den rasanten Anstieg der Bodenpreise künftig auch noch höhere Grundsteuer berappen zu müssen, obwohl Genossenschaften und kommunale Wohnungsunternehmen daraus keinen Gewinn ziehen – im Gegenteil.
„In den Genossenschaften steht niemand am Ende der Reihe und stopft sich die Taschen voll, sondern wir stecken das Geld in den Erhalt unserer Wohnungen“, sagt Vorstand Paasch. Viele Genossenschaftssiedlungen in Deutschland seien mehr als 100 Jahre alt. Es spielt keine Rolle, ob der Grund 15 Cent oder 15000 Euro pro Quadratmeter wert ist. „Wir haben ja nichts davon, dass der Bodenwert so hoch ist“, sagt BVE-Sprecher Petersen. Carsten Hoefer, dpa
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