Der Druck steigt
Die Bahn warnt Baden-Württemberg vor finanziellen Folgen eines Ausstiegs. Grün-Rot beharrt auf einer Verlängerung des Baustopps
Bahnchef Rüdiger Grube ist vor dem ersten Krisengipfel mit Grün-Rot über Stuttgart 21 auf Konfrontationskurs zu der neuen Landesregierung gegangen. Die Forderung der Regierung nach einem Bau- und Vergabestopp bis zum geplanten Volksentscheid über das Milliardenbahnprojekt sei nicht akzeptabel, sagte Grube vor der Sitzung des Stuttgart-21-Lenkungskreises, der heute zusammentritt. Wenn das Land beim Bau des Tiefbahnhofs und der Anbindung an die geplante neue ICE-Strecke nach Ulm weiter bremsen wolle, müsse es auch finanziell dafür geradestehen.
Und das ist nicht das einzige Problem der Regierung: Ihr eigener Justizminister Rainer Stickelberger (SPD) hegt Zweifel, ob der Termin für den Volksentscheid im Oktober überhaupt zu halten ist. Grund dafür ist die Ankündigung der CDU-Opposition, womöglich gegen das Ausstiegsgesetz zu klagen. CDU-Fraktionschef Peter Hauk sagte am Sonntag, Grün-Rot müsse mit einer Klage rechnen.
Grube sagte: „Die neue grün-rote Regierung fordert ohne rechtliche Grundlage, dass wir bis zur geplanten Volksbefragung im Oktober nicht weiterbauen.“ Dabei habe die Bahn gar keine Wahl: „Wir sind verpflichtet, weiter zu bauen. Wenn jemand etwas anderes will, muss er für die entsprechenden Kosten und den Zeitverzug einstehen.“
Das hatte Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) aber mehrfach abgelehnt. Heute trifft sich erstmals seit dem Machtwechsel im Land der Lenkungskreis zu Stuttgart 21. Dabei sind unter anderem Grube, Landesverkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) und Finanzstaatssekretär Ingo Rust (SPD).
Die Bahn hatte die Mehrkosten im Falle einer halbjährigen Verzögerung des Projekts zuletzt auf mindestens 150 Millionen Euro beziffert. „Baufirmen sprechen bereits von Schadenersatzforderungen, kleinen Subunternehmen droht der Konkurs, sie können keine Löhne mehr bezahlen“, sagte der Bahnchef der Zeitung.
Wirtschafts- und Finanzminister Nils Schmid (SPD) betonte, die Landesregierung sei nicht bereit, Kosten für den Baustopp zu übernehmen. Trotzdem erwarte er, dass die Bahn den Volksentscheid abwarte, bevor sie auf der Baustelle weiter Tatsachen schaffe. Schließlich könne auch die Bahn kein Interesse an einer Fortsetzung der Arbeiten haben, bevor nicht endgültig geklärt sei, ob Stuttgart 21 überhaupt gebaut werde.
Sollten sich beide Seiten heute nicht auf einen verlängerten Baustopp einigen, könnten die Arbeiten auf der Bahnhofsbaustelle schon bald weitergehen. Stuttgart-21-Gegner haben für diesen Fall bereits massive Proteste angekündigt.
Sorgen um die ICE-Strecke Stuttgart–Ulm
Industrie und Handel warnten davor, dass bei einem Scheitern von Stuttgart 21 auch die geplante Hochgeschwindigkeitsstrecke von Stuttgart nach Ulm vor dem Aus stünde. „Das Projekt ist finanziert und fertig geplant. Wenn Stuttgart 21 fällt, würde es schnell ein Jahrzehnt dauern, um eine andere Neubaustrecke zu planen und zu genehmigen“, sagte Peter Kulitz, Chef des Industrie- und Handelskammertages Baden-Württemberg. (dpa)
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