Hier kämpft die Bundeswehr gegen den IS
Auf dem Luftwaffenstützpunkt Incirlik sind sechs deutsche Aufklärungs-Tornados stationiert. Deren Bilder sind die Basis für gezielte Luftschläge der Alliierten. Ein Besuch.
Das kleine Dorf im Norden Syriens ist genau zu erkennen. Eine breite Straße verläuft am Rand der Siedlung, eine kleine Straße zweigt davon ab und führt durch den Ort. In der Mitte liegt eine Moschee, das hohe Minarett wirft einen langen Schatten, rechts davon schließt sich ein kleiner Wald an, der Friedhof. Auf den Straßen ist kein Mensch zu sehen.
Auf den ersten Blick gibt es keine Auffälligkeiten. Doch wenn der Bildauswerter der Bundeswehr, ein Hauptfeldwebel, der am Rande des Flughafens Incirlik im Süden der Türkei, nur rund 120 Kilometer von der syrischen Grenze entfernt, auf seinen drei Monitoren die Bilder näher heranzoomt und vergrößert, erkennt er an der breiten Straße zwei Straßensperren. Sie müssen schon seit längerem existieren, denn neben der Straße ist eine Staubpiste entstanden, auf der die beiden Barrieren umfahren werden können.
Eine wichtige Information für die Verbündeten, die sich zum Kampf gegen die Terrormilizen des IS zusammengeschlossen haben. Sie bekämpfen die Dschihadisten in Syrien und im Nordirak, indem sie mit Luftschlägen deren Stellungen und die Infrastruktur zerstören, um ein weiteres Vordringen zu verhindern.
Bilder der deutschen Tornados wichtige Grundlage für die Einsätze gegen den IS
Die Aufklärungsfotos beweisen: Die breite Straße kann befahren werden, die Barrieren sind kein Hinterhalt von IS-Kämpfern, weit und breit sind keine Milizionäre mit ihren typischen schwarzen Flaggen zu erkennen. Die Bilder, die deutsche Tornados bei ihren täglichen Aufklärungsflügen über Syrien und Irak anfertigen und quasi in Echtzeit an die Aufklärungsstation auf dem von der Anti-IS-Koalition genutzten Militärflughafen Incirlik übertragen, sind eine wichtige Grundlage für die Einsätze der Alliierten.
„Man kann gar nicht genug Aufklärung haben“, sagt Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen bei einem Besuch des deutschen Kontingents am Donnerstag. Die Fotos, gestochen scharf, von extremer Detailgenauigkeit und höchster Auflösung, seien „von hoher Bedeutung“ für den Kampf gegen die Terrormilizen. „Wir leisten einen wichtigen Beitrag, dass dem IS die Fähigkeit genommen wird, sich weiter auszubreiten und sich zu versorgen.“
Nachdem der Bundestag Anfang Dezember das Mandat für den Einsatz beschlossen hatte, musste es ganz schnell gehen. Noch vor Weihnachten nahmen die ersten Soldaten in Incirlik die Arbeit auf, mittlerweile leben und arbeiten dort 220 Soldatinnen und Soldaten in einem Container-Camp auf dem Flughafengelände. Zudem sind sechs Aufklärung-Tornados aus Jagel und Büchel sowie ein Tankflugzeug auf der Air-Base nahe der Millionenstadt Adana stationiert.
Die Tornados fliegen paarweise zwei mal am Tag über Syrien und den Nordirak
Seit dem ersten Flug am 8. Januar fanden bis zum Mittwoch 34 Aufklärungsmissionen statt, immer paarweise fliegen je zwei Tornados zwei Mal am Tag über Syrien und Nordirak, in der Regel sind sie drei bis vier Stunden in einer mittleren Flughöhe von 3000 bis 5000 Metern in der Luft. Während des Flugs können Sie betankt werden. Das elektronische Kamerasystem und die Infrarotsensoren des modernen „ Recce-Lite“-Systems, die am Unterrumpf der Maschinen befestigt sind, sind gleichzeitig im Einsatz. Wolken sind für sie kein Hindernis. Die Auswerter am Boden können die Fotos bei der Analyse übereinanderlegen und mit einer 3-D- Brille sogar räumlich betrachten.
Angefordert werden die Informationen vom Hauptquartier der Alliierten in Katar. Ein deutscher Offizier entscheidet, ob der Auftrag dem Mandat entspricht und ausschließlich dem Kampf gegen den IS dient. Eine zweite Kontrolle findet nach der Auswertung statt. Erst wenn klar ist, dass aus den Fotos keine anderweitigen Informationen gewonnen werden können, werden sie der Anti-IS-Koalition zur Verfügung gestellt. Auf dieser Grundlage werden gezielte Luftschläge gegen Stellungen des IS, gegen Raffinerien, Öl-Konvois oder andere Einrichtungen der Terrormilizen geplant. Es soll verhindert werden, dass die Türkei die Daten für den Kampf gegen die Kurden verwendet, die von den Deutschen ausgebildet und ausgerüstet werden. „Die Kontrolle funktioniert“, sagt von der Leyen, das Mandat des Bundestags werde strikt eingehalten. Die Opposition bezweifelt dies. „Wenn die Bilder freigegeben sind, hat jeder Zugriff auf das Material, auch die Türken“, bemängelt der Wehr-Experte der Grünen, Tobias Lindner.
Die Beteiligten der Anti-IS-Koalition verfolgen unterschiedliche Ziele
Ohnehin gilt die Anti-IS-Koalition als überaus heterogen, weil die Beteiligten unterschiedliche Ziele verfolgen. Die russische Luftwaffe kämpft aufseiten der syrischen Regierungsarmee, die Türkei bekämpft die Kurden, den kurdischen Peschmerga wird vorgeworfen, in den zurückeroberten Gebieten Vergeltung zu üben.
Ursula von der Leyen gibt sich nach dem Truppenbesuch keinen Illusionen hin. Zwar sei der deutsche Beitrag wichtig, um gezielte Luftschläge durchzuführen, doch langfristig werde es ohne lokale Bodentruppen nicht gehen, um den IS zu bekämpfen. Im Irak stehe dafür mittlerweile die reguläre Armee zur Verfügung, in Syrien hingegen „muss eine gemeinsame Opposition erst noch geschmiedet werden“. Dies sei noch ein langer und mühsamer Prozess. „Unser Ziel muss es sein“, sagt die Ministerin, „dass die Oppositionsgruppen den Kampf untereinander einstellen und gemeinsam gegen den IS vorgehen.“
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