Union und SPD: Neues Kinderschutzgesetz nach Wahl
Berlin (dpa) - Union wie SPD wollen nach der Bundestagswahl einen neuen Anlauf für einen besseren Schutz von Kindern aus Problemfamilien unternehmen.
Dies kündigten Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU) sowie Justizministerin Brigitte Zypries (SPD) nach der Kabinettssitzung am Mittwoch in getrennten Mitteilungen an. Trotz des von der SPD noch kurz vor der Sommerpause des Parlaments gestoppten Kinderschutz-Gesetzentwurfes von der Leyens stellten beide Ministerinnen zahlreiche Verbesserungen durch die große Koalition in den vergangenen vier Jahren heraus.
Anlass für die verschiedenen Gesetzesänderungen war eine spektakuläre Serie von Kindestötungen und -misshandlungen durch überforderte Eltern. Seitdem sei das Niveau des Kindesschutzes gemeinsam mit Ländern und Kommunen deutlich verbessert worden, hieß es übereinstimmend in den Erklärungen. Zypries möchte zudem in der nächsten Wahlperiode das Vormundschaftsgesetz reformieren.
Von der Leyen sagte, trotz der Verbesserungen - frühe Hilfe für Eltern und Kinder, effizientere Frühwarnsysteme, bessere Gesundheitsvorsorge - seien noch weitere Gesetzeslücken zu schließen. So warte die Ärzteschaft auf Klarstellung im Bundesgesetz, wann zum Schutz gefährdeter Kinder die Schweigepflicht gebrochen werden kann und Jugendämter nach einem Hausbesuch statt nach Aktenlage entscheiden sollen. Auch müsse die Finanzierung von Familienhebammen beim Schutz betroffener Kinder auf eine sichere Grundlage gestellt werden.
Zypries will mit einer Reform des Vormundschaftsrechts die persönliche Beziehung zwischen Vormund und Kind stärken. So sollten mehr Menschen dafür gewonnen werden, ehrenamtlich eine Einzel- Vormundschaft zu übernehmen. Damit könnten die Amtsvormünder entlastet werden, die zum Teil 60 bis 120 Kinder zu betreuen hätten. "Dies ist einfach zu viel", sagte Zypries. Auch müsse die Zusammenarbeit von Familiengericht und Jugendamt weiter verbessert und die Teilnahme der Jugendpflege beim Gerichtstermin verbindlicher geregelt werden. Richter und Jugendamtsmitarbeiter sollten sich "optimal fortbilden und fallübergreifend zusammenarbeiten", sagte Zypries.
Auch die Justizministerin stellte die Verbesserungen der vergangenen vier Jahre heraus, etwa die Stärkung der Familiengerichte bei Pflege- und Sorgerechtsentscheidungen. Zudem sorge das erweiterte Führungszeugnis dafür, dass Arbeitgeber im Kinder- und Jugendbereich über einschlägige Sexualdelikte von Bewerbern Bescheid wüssten. Aber auch hier dürfe man sich nicht mit dem Erreichten zufrieden geben.
Von der Leyen sagte, für den Schutz der Kinder brauche die Gesellschaft "verlässliche Qualitätsstandards, die deutschlandweit gelten, keinen Flickenteppich". Wer vor Ort Verantwortung trage, brauche Sicherheit und Klarheit.
Der Paritätische Wohlfahrtsverband fordert die Einrichtung einer interdisziplinären Arbeitsgruppe zur Ausarbeitung eines Kinderschutzgesetzes nach der Wahl und begrüßte besonders die Vorschläge zur Reform des Vormundschaftsrechtes. Zugleich warnte der Verband davor, sich in Einzelmaßnahmen zu verzetteln.
Kritik kam dagegen von der Deutschen Kinderhilfe. So sei das Gesetz zur Sperrung kinderpornographischer Seiten im Internet nur ein erster kleiner Schritt, dem weitere folgen müssten. Das Kinderschutzgesetz sei an "politischen Eitelkeiten" und den "Beharrungskräften" eines reformunwilligen Jugendhilfesystems gescheitert.
Die SPD-Fraktion hatte kurz vor der Parlamentspause einen bereits vom Kabinett und Bundesrat gebilligten Gesetzentwurf von der Leyens zum Kinderschutz nach einer Expertenanhörung als unzureichend verworfen. Damit konnte der Entwurf nicht mehr abschließend im Bundestag behandelt werden. Dies hatte zu heftigen Protesten bei der Union geführt. Auffällig war, dass beide Ministerinnen bei dem in den Koalitionsfraktionen lange Zeit umstrittenen Thema auf Wahlkampfpolemik verzichteten.
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