Die französische Rechte rückt weiter nach rechts
Viele rechneten mit einer Stichwahl Emmanuel Macron gegen Marine Le Pen. Doch diese Konstellation könnte die Republikanerin Valérie Pécresse durchkreuzen.
Wer hätte das gedacht? Seit Jahren war die Rechtspopulistin Marine Le Pen die einzige Frau, der man zutraute, die erste französische Präsidentin zu werden – 2017 schaffte sie es in die Stichwahl gegen Emmanuel Macron. Dasselbe Duell galt bei der Wahl im April 2022 bereits als gesetzt. Nun aber stellen Umfragen diese vermeintliche Gewissheit infrage: Seit die konservativen Republikaner die 54-jährige Valérie Pécresse, Ex-Ministerin unter Präsident Nicolas Sarkozy und heute Präsidentin der Hauptstadtregion, zur Kandidatin gewählt haben, stieg sie laut Meinungsforschungsinstituten auf knapp 20 Prozent auf. Demnach könnte sie die zweite Runde erreichen und sogar Präsident Macron schlagen.
Allerdings beginnt die heiße Phase des Wahlkampfs erst – und Pécresse wird sich gegen scharfe Konkurrenz von rechts durchsetzen und die Hardliner in der eigenen Partei in Schach halten müssen. Der Ex-Republikaner und Innenminister Gérald Darmanin sagte über sie, sie sei „eine respektable Frau“, die sich aber „in Geiselhaft der Radikalen in ihrer politischen Familie“ befinde. Diese setzen sie unter Druck, seit der Rechtsaußen-Politiker Éric Ciotti in der ersten Runde der parteiinternen Vorwahl knapp vor ihr gelegen hatte.
Dass Pécresse Ciottis Vorschlag eines „französischen Guantanamos“ für Islamisten ablehnte, nahm er ihr öffentlich übel – und drohte, sich dem rechtsextremen Journalisten Éric Zemmour anzuschließen. Also legte Pécresse, die eigentlich eine moderate Linie vertritt und als „Macron-kompatibel“ gilt, mit einem Programm nach, das sie selbst als „radikal“ bezeichnete: Sie werde die „unkontrollierte Immigration stoppen, die Gettos zerschlagen, die Sicherheit wiederherstellen“, versprach sie mit markigen Worten.
Valérie Pécresse scheut sich nicht eine Slogan der rechtsextremen FN wiederzubeleben
Mit ihrem Wahlkampfspruch „Der Mut zu sagen, der Wille zu machen“ übernahm Pécresse einen älteren Slogan des rechtsextremen Front National, den Marine Le Pen inzwischen in Rassemblement National umbenannt hat. Das mag unbeabsichtigt gewesen sein, beweist aber für Pécresses Kritiker die Nähe zu den extremen Rechten. Diese dominieren den Wahlkampf, während die Parteien im linken Spektrum kaum in der Öffentlichkeit durchdringen – obwohl doch deren Kernthemen Kaufkraft und soziale Gerechtigkeit zu den größten Sorgen der Franzosen zählen.
Nach aktuellem Stand wollen gut ein Drittel aller Wählerinnen und Wähler ihre Stimme Le Pen oder Zemmour geben, darunter besonders viele unter 30-Jährige. Nachdem Le Pen nach der Kandidatur-Ankündigung Zemmours zeitweise in Umfragen von ihm überholt wurde, liegt er derzeit wieder hinter ihr. Mehr noch als sie ordnet der 63-Jährige dem Thema Einwanderung alles unter, will Muslimen die Abkehr von ihrem Glauben abverlangen und Ausländern weniger Rechte zugestehen. Zemmour dürfte zu (rechts-)radikal sein, um echte Wahlchancen zu haben. Aber den Ton in diesem Wahlkampf zu setzen, ist ihm jetzt schon gelungen.
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