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Interview
25.09.2023

Autor Roberto Saviano: "Neapel hat mich verstoßen"

Der Mafiaexperte und Bestseller-Autor Roberto Saviano wird rund um die Uhr von fünf Personenschützern bewacht. Für das Video-Interview schaltete er sich aus seiner Wohnung in Rom zu.
Foto: Mattia Venturi

Roberto Saviano legte sich mit der Mafia an – und zahlt bis heute einen hohen Preis. In einem neuen Buch, einem Comic-Roman, geht es um sein Leben. Und um seine Kritik an der italienischen Regierung.

Herr Saviano, Sie sind einer der bekanntesten Mafia-Experten der Welt. Eine kürzlich erschienene Graphic Novel über Sie heißt "I'm still alive" (Ich bin immer noch am Leben). Fühlen Sie sich als Überlebender?

Roberto Saviano: Ja. Ich fühle mich weder lebendig, noch fühle ich mich tot. Ich lebe noch. Sie wollen mich umbringen, aber ich bin immer noch da.

Was überwiegt bei Ihnen: Hoffnung oder Verzweiflung?

Saviano: Manchmal hoffe ich auf ein neues Leben, immer seltener träume ich von einer Rückkehr in meine Heimatstadt Neapel. Auf meinem Smartphone schaue ich mir oft Wohnungsannoncen in Neapel an. Besichtigt habe ich keine einzige Wohnung. Kürzlich hat mich in Rom auf der Straße ein Gebäude an Neapel erinnert und dann ertappte ich mich dabei, wie ich denke: In ein paar Jahren kann ich zurück. Das denke ich ständig.

Manche werfen Ihnen vor, das Image der Stadt mit ihren Recherchen über die Mafia besudelt zu haben ...

Saviano: Irgendwann haben die Leute begonnen, diesen schrecklichen Satz zu sagen: Das ist das Neapel, das wir wollen, nicht das Neapel von "Gomorrha"! Dabei habe ich doch diese Geschichte erzählt, um die Macht der Mafia zu brechen. Stattdessen werde ich mit der Geschichte identifiziert, die ich erzählt habe. So, als wenn jemand, der kritisch über den Faschismus schreibt, für die Verbreitung des Faschismus verantwortlich gemacht wird. Neapel hat mich verstoßen.

Sie werden als Nestbeschmutzer wahrgenommen?

Saviano: Teilweise, ja. Aber man kann doch nicht sagen, das Phänomen Mafia habe sich erledigt. Erst vor ein paar Tagen haben sie einen 20-jährigen Orchestermusiker in Neapel erschossen. Einfach so, ohne Grund. Ein Streit, drei Schüsse, tot. Im März starb ein anderer Junge auf ähnliche Weise. Und ich soll übertreiben? Die Italiener lieben es, von der Pizza, der Musik, der Schönheit, dem Meer zu erzählen, als sei das etwas, mit dem man das Böse überdecken könnte. Für mich ist die Schönheit das Werkzeug, um das Land zu verändern.

Seit der Veröffentlichung Ihres Buches "Gomorrha" sind 17 Jahre vergangen. Welches Interesse hat die Camorra heute noch daran, Sie umzubringen?

Saviano: Ich bin über die Jahre hinweg zu einem Symbol geworden, deswegen muss ich bewacht werden. Die Mafia vergisst Symbole nicht. Domenico Noviello zum Beispiel war ein kleiner Unternehmer in Castel Volturno, der sich gegen die Schutzgelderpressung wehrte und Anzeige erstattete. Eine Zeit lang wurde er bewacht. Als man ihm den Schutz wieder entzog, wurde er erschossen.

Warum?

Saviano: Giuseppe Setola, der Täter, wollte ein Symbol treffen und eine Botschaft an die Clans senden: Ich habe jemanden getötet, der sich uns widersetzt hat! Die Mafia könnte mich und viele andere benutzen für solche Botschaften ihrer Macht. Es geht nicht mehr darum, was man sagt oder tut, sondern wer man ist.

Illustration aus "I'm still alive": Roberto Saviano lebt in ständiger Angst vor der Mafia.
Foto: Roberto Saviano, Asaf Hanuka/Verlag Cross Cult

In "Gomorrha" haben Sie sich mit den Clans im Hinterland von Neapel angelegt. Sie haben bei einer Veranstaltung sogar die Namen der Bosse in der Stadt Casal di Principe in die Menge gerufen. Bereuen Sie, das Buch geschrieben zu haben?

Saviano: Ja, ohne Zweifel bereue ich das. Ich würde das Buch nie wieder schreiben, und wenn, dann ganz anders. Natürlich kämpfe ich weiter gegen die Mafia und stehe zu meiner Arbeit. Aber ich bereue das Buch zutiefst.

Sehen Sie auch ein Stück eigene Verantwortung bei dem, was Ihnen passiert ist?

Saviano: Natürlich habe ich meinen Teil dazu beigetragen. Anstatt weiter zu schreiben und zu kämpfen, hätte ich vorsichtiger sein können und wäre dann vielleicht früher aus diesem Käfig herausgekommen. Aber ich bin besessen und habe weitergemacht. Und so habe ich mein Bild als Symbol auch gestärkt.

In der Graphic Novel "I'm still alive" gibt es eine Passage, in der Ihr Großvater zu Ihnen als Kind sagt: "Roberto, du bist wie ich. Du brockst dir immer Ärger ein." Woher kommt diese Wut in Ihnen, dieser bedingungslose Angriff auf alles Mächtige?

Saviano: In meiner Familie mütterlicherseits gab es immer diese Notwendigkeit, Stellung zu beziehen und sich gegen die Mächtigen aufzulehnen. Mein Urgroßvater war Anarchist, die Cousins meines Großvaters kämpften an der Seite der Anarchisten in Spanien. Mein Großvater war Republikaner im Sinne der Freiheitskämpfer des "Risorgimento" um Giuseppe Mazzini, Carlo Pisacane und Giuseppe Garibaldi. Ihre Bilder hängen in meinem Büro. Denn sie wollten nicht nur Italien einigen, sondern waren auf der Suche nach einer neuen Art von Recht, Gerechtigkeit, sozialer Gerechtigkeit. Mit diesen Idealen bin ich aufgewachsen, das war teilweise obsessiv. Mein Großvater hat mich mit ihren Geschichten gefüttert.

Ihr obsessiver Kampf gegen die Mafia hat auch familiäre Wurzeln?

Saviano: Ja, sicher. Ich hasse die Macht, welcher Couleur auch immer. Der Journalist Luigi Pintor sagte einmal: Auch wenn man nur eine Stunde Macht hat, ist das ein Verbrechen. Ich stehe der Macht äußerst skeptisch gegenüber. Und in meiner Heimat waren diejenigen, die Macht hatten, Kriminelle. Ich könnte auch keine mit Macht verbundenen Ämter bekleiden. Deswegen habe ich nie als Politiker kandidiert, obwohl ich von allen Seiten umworben wurde. Sogar die Lega wollte, dass ich für sie kandidiere!

Die rechtsnationale Partei von Verkehrsminister Matteo Salvini, mit dem sie vor Gericht streiten?

Saviano: Ja, unglaublich. Es gibt Regierungen, die ich gerade so aushielt, andere, mit denen ich im Austausch stand. Und es gibt Regierungen, die ich verabscheue, wie die jetzige von Giorgia Meloni. Das sind Banditen für mich.

Warum wurde Ihre schon fertig produzierte Antimafia-Sendung im Staatsfernsehen RAI plötzlich abgesetzt?

Saviano: In Italien passiert dasselbe wie in Ungarn. Dasselbe wird auch bald in Deutschland passieren, wenn die AfD nicht gestoppt wird. Populistische Regime, der demokratische Autoritarismus verhalten sich anders als die totalitären Regime der Vergangenheit. Es gibt keine Gestapo oder Stasi, man wird nicht gefoltert. Wenn das, was du erzählst, wirklich die Menschen berührt und nicht im Sinne der Regierung ist, dann unternehmen sie alles, um dich zum Schweigen zu bringen. Sie greifen dich mit ihren Zeitungen an, sie schüchtern dich ein, sie verhindern deine Auftritte im Fernsehen. Sie zielen auf wenige, auf diejenigen, deren Botschaften ankommen. Und so schüchtern sie auch die anderen ein. Drei Minister haben mich verklagt.

Inszenieren Sie sich da nicht zu sehr als Opfer? Sie haben Meloni und Salvini als "Bastarde" bezeichnet ...

Saviano: Ich würde sie wieder als "Bastarde" bezeichnen. Das stand im Zusammenhang mit der Geschichte einer Frau, deren Kind bei der Überfahrt über das Mittelmeer ertrunken ist. Wie könnt ihr behaupten, dass diese Überfahrten "Kreuzfahrten" sind, dass die NGOs, die Leben retten, Verbündete der Drogenhändler sind? Meloni meinte damals, man müsse die Schiffe der NGOs stoppen und versenken, das seien Piratenschiffe. Meine Antwort: "Wie könnt ihr so etwas sagen, Bastarde?"

Salvini hat Sie verklagt, weil Sie ihn "Minister der Unterwelt" genannt haben.

Saviano: Mein Vorbild, der antifaschistische Historiker Gaetano Salvemini, hat den früheren Ministerpräsidenten Giovanni Giolitti so bezeichnet. Damit meinte er, Giolitti habe die Bedingungen im Süden manipuliert, um Vorteile daraus zu ziehen. Salvini macht dasselbe. Sie wollen mich mit ihren Klagen einschüchtern. Indem sie Angst schürten, haben sie die Macht errungen. Doch ihre Versprechen sind leer: Sie senken die Steuern nicht, sie stoppen die Migranten nicht, sie haben nur Angst verbreitet. Es handelt sich um die ignoranteste Regierung der Geschichte der Republik. Italien ist derzeit das wohl gefährlichste Land in Europa.

Warum das?

Saviano: Das Verhalten sticht nicht so sehr ins Auge: In Brüssel tritt die Ministerpräsidentin als Liberal-Konservative auf, in Rom spricht sie die Sprache des Populismus, des Faschismus, der Reaktion. Und mit Salvini hat sie eine der zwielichtigsten Gestalten überhaupt mit im Boot. Salvini ist ein Freund Putins. Eine Ermittlung hat gezeigt, dass die Lega einen Haufen Geld von Putin bekommen hat. Nur weil Russland nicht kooperierte, wurde das Verfahren eingestellt. Salvini ist das wandelnde Pulverfass dieser Regierung.

Zurück zur Mafia. Aus deutscher Perspektive wirkt sie wie ein fernes Phänomen. Aber es gibt Bezüge, auch nach Augsburg.

Saviano: Ich kenne die Fälle. Es geht weniger um die eine oder andere Pizzeria, wo Mafiosi ihr Geld waschen. Das größte Problem ist die Gleichgültigkeit in Deutschland gegenüber mafiösem Kapital. Die deutsche Polizei nimmt sofort jeden Kriminellen fest, der aus Italien angezeigt wird. Aber es wird nichts gegen Geldwäsche im großen Stil unternommen, das ist ein Desaster! Deutschland ist eines der Länder, in dem am meisten Geldwäsche betrieben wird. Die italienischen Organisationen, aber auch die russische, die serbische, die albanische Mafia sind an zwei Finanzplätzen aktiv: London und Deutschland.

Woher haben Sie diese Erkenntnisse?

Saviano: Das geht aus den Statistiken der Organisationen hervor, die das Phänomen Geldwäsche beobachten. Deutschland hat da fast den Status eines Offshore-Landes. Es gibt auch entsprechende Ermittlungserkenntnisse.

Welche genau?

Saviano: Es geht um Beteiligungen an Firmen oder Fonds. Wenn der Camorra-Clan der Casalesi 50 Millionen Euro aus dem Drogenhandel investieren will, dann kaufen seine Leute keine Pizzeria oder irgendeinen Laden, sie steigen als Aktionäre ein. Dann werden zum Beispiel Straßen, Gebäude gebaut. Sogar Supermarktketten sind unterwandert. Die werden dann nicht von der Mafia geführt, sondern von anständigen Leuten, aber das Kapital gehört in Teilen der Mafia.

Zur Person: Roberto Saviano, am 22. September 1979 in Neapel geboren, war 26, als er "Gomorrha" schrieb. Das 2006 veröffentlichte Buch über die neapolitanische Camorra wurde ein Welterfolg, doch Saviano zahlte einen hohen Preis: Weil die Mafia ihn bedrohte, wurde er zeitweise auf eine Insel gebracht und lebte inkognito in New York. Bis heute wird der Bestseller-Autor rund um die Uhr von fünf Personenschützern bewacht. Für das Video-Interview schaltete er sich aus seiner Wohnung in Rom zu. Die Graphic Novel "I'm still alive. Im Fadenkreuz der Mafia" von Saviano und dem israelischen Illustrator Asaf Hanuka ist kürzlich im Verlag Cross Cult erschienen (144 Seiten, 30 Euro).

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