Zeitenwende in Zeitlupe: Was bei der Bundeswehr falsch läuft
Es geht voran in der Truppe – aber viel zu langsam. Dabei ist Landesverteidigung kein Begriff aus ferner Vergangenheit, sondern eine dringende Notwendigkeit.
Jetzt hat die Bundeswehr genügend Unterhosen, aber zu wenig Spinde, um sie aufzubewahren – der neueste Wehrbericht lädt zu einer sarkastischen Betrachtung geradezu ein. Doch dafür ist das Thema viel zu ernst. Der brutale russische Angriff auf die Ukraine, nur wenige Flugstunden von Deutschland entfernt, hat gezeigt, dass Landesverteidigung kein Begriff aus einer fernen Vergangenheit ist. Sondern eine dringende Notwendigkeit, heute und in Zukunft.
Seit dem Fall des Eisernen Vorhangs und der deutschen Wiedervereinigung vor gut drei Jahrzehnten aber ließen die politisch Verantwortlichen gleich welcher Couleur alles Militärische links liegen.
Die Bundeswehr wurde besonders gründlich kaputtgespart
In einem Land, das generell die Instandhaltung seiner Infrastruktur vernachlässigt hat, wurde die Armee besonders gründlich kaputtgespart. Nun zeigt sich, wie könnte es anders sein, dass sich Versäumnisse aus Jahrzehnten nicht so einfach in wenigen Jahren korrigieren lassen. Zeitenwenden werden plötzlich nötig, doch es dauert, sie umzusetzen. Immerhin, ein Aufwärtstrend ist spürbar. Die eklatanten Ausrüstungsmängel, zu denen sogar fehlende warme Leibwäsche für den Wintereinsatz zählte, scheinen weitgehend behoben. In das lange Zeit unfassbar behäbig wirkende Beschaffungswesen hat offenbar eine gewisse Flexibilität, ja Zackigkeit, Einzug gehalten.
Bei den „harten“ Rüstungsgütern wurden so wichtige wie teure Kaufentscheidungen getroffen. Bis die neuen Kampfflugzeuge, Geländefahrzeuge und Sturmgewehre geliefert werden, dauert es aber noch. Gleichzeitig bleibt der Ersatz von Material, das an die Ukraine geht, eine gewaltige Herausforderung.
Der Personalmangel der Bundeswehr hat ein Bündel von Ursachen
Doch viele Kasernen sind weiter marode, der Sanierungsbedarf ist immens. Dass die Bundeswehr unter Personalmangel leidet, mag ein ganzes Bündel von Ursachen haben. Ein berufliches Umfeld, das von Verfall und baulicher Vernachlässigung geprägt ist, trägt aber sicher nicht dazu bei, neue Interessenten zu gewinnen. Und in der aufkommenden Debatte um eine mögliche Wiederkehr der Wehrpflicht wird meist vergessen, dass die Infrastruktur für die vielen zusätzlichen Kräfte erst mit einem gewaltigen Aufwand wiederhergestellt werden müsste.
Soldatinnen und Soldaten haben es verdient, in einem intakten Umfeld ihren potenziell lebensgefährlichen Dienst zu tun. Es ist furchtbar, dass das Bewusstsein für die Notwendigkeit einer funktionierenden Bundeswehr erst unter dem Ukraine-Schock zurückgekehrt ist. Aber wenigstens werden die jährlichen Mängelberichte nicht länger achselzuckend hingenommen – hoffentlich ein Zeichen dafür, dass sich die gesellschaftliche Wertschätzung für die Streitkräfte allmählich bessert.
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Ja, die Bundeswehr wurde in den letzten 30 Jahren seit der Wiedervereinigung kaputtgespart und gleichzeitig mit diversen Auslandseinsätzen gefordert, die irres Ged gekostet haben sich aber am in Nachhinein als vollkommen unsinnig herausgestellt haben, Afghanistan lässt grüßen. Allerdings gab es schon vor dem Zusammenbruch der Sowjetunion hierzulande eine tiefsitzende Friedensromantik. Die Großdemos der Friedensbewegung anlässlich des Aufstellens der Sowjetischen SS20 Mittelstreckenraketen und dem dann folgenden Nato Doppelbeschluß spiegelt ja eindrucksvoll wieder, in welcher weltfremden Blase sich große Teile der hiesigen Bevölkerung eingerichtet hatten, die wohl ensthaft glaubten, mit Friedensdemos und Lichterketten könne man Frieden schaffen. Als ob sich unser eigener Adolf 1939 von solchen Symboliken hätte je beeindrucken lassen, lachhaft. Die Frage ist für mich aber momentan ungeklärt, ob hier in der Mehrheit der Deutschen Gesellschaft inzwischen ein echtes Umdenken stattgefunden hat oder die Mehrheit tief im Inneren immer noch glaubt, die Ausgaben für Soziales seien wichtiger. Ich sehe etwa bei den Grünen einen atemberaubenden Turnaround hin zu einer realistischen Haltung betreff der Nowendigkeit einer "kriegstüchtigen" Bundeswehr, ws ich nie für möglich gehalten hätte. Bei SPD Genossen wie Mützenich, Steger, Kühnert und Esken allerdings scheint mir die Zeitenwende aber noch nicht angekommen zu sein. Die glauben wohl immer noch tief im Innersten an die heile Welt eines im Kern sozialistischen, friedliebenden Russlands welches mit der Massgabe "Wandel durch Handel" auf den Pfad der Tugend zu bringen ist und folglich die Kampfkraft der Bundeswehr deutlich weniger wichtig ist, wie ein ausreichend hohes Bürgergeld.
Kaputtgespart - einer plapperts vor und 1000e plapperns nach. Mit 50 Milliaraden kann man nichts kaputt sparen. Vielleicht sollten die Kaputtsparer sich mal den Einzelplan 14, manchmal auch Einzeletrat 14 genannt, etwas näher ansehen, dann kann man mitreden.
Ganz einfach - nur so um die 170 Seiten: https://www.bundeshaushalt.de/static/daten/2023/soll/epl14.pdf
Genauso, sehe ich das auch @Chrisoph S.
>>die wohl ensthaft glaubten, mit Friedensdemos und Lichterketten könne man Frieden schaffen.<<
Einfach nur zum lachen sind solche Aktionen von solchen "überzeugten Friedensengel" die glauben damit Jemanden der gar nicht an Frieden interessiert ist und "nicht" verhandeln will, Ihn durch solche Aktionen beindrucken wollen!
Zum Thema marode Infrakstruktur fallen mir gerade zwei Beispiele ein. In Amberg wurde ein Militärkrankenhaus für ZWANZIG Millionen saniert - Es stand damals in einer Ausgabe von Loyal - kurze Zeit später wurde es dichtgemacht. In Münsingen wurden die Unterkunftsblöcke 1990 grundsaniert. 1995 wurde die Kaserne geschlossen. Das ausführende Abbruchunternehmen warb damals mit dem größten Auftrag in der bisherigen Firmengeschichte. Die Stadt Münsingen hat sich damals über ein fast neues Hallenbad. In Speyer war es ähnlich, nur das in den frisch sanierten Kasernenblöcken Asylbewerber einzogen. Unter Bundeswehrsoldaten beginnt das große Zittern wenn ein Standort saniert wird. Dann werden Wetten abgeschlossen wann der Standort geschlossen wird. Das alte Glump - auf gut schwäbisch - bleibt. Das Ergebnis sieht man heute.
Zu meiner Zeit hieß es:" Wenn das Wirtschaftsgebäude (Truppenküche) saniert wird, wird bald die Kaserne geschlossen!"
Als ich 1971 meinen Wehrdienst antrat hörte ich von einem alten Hauptmann den den Spruch: "Im Frieden ersetzt die Verwaltung den Feind!" Die Aussage behielt bis zu meiner Pensionierung 2004 und behält vermutlich bis heute ihre Gültigkeit!
Wenn hier jemand glaubt, dass bezüglich Bürokratie, Beschaffung, Beamtentum, zivile Verwaltung mal richtig und konsequent durchgegriffen werden würde, so darf derjenige ruhig weiterschlafen. Bei dem derzeitigen Fehl von Rückgrat und Standfestigkeit unserer Politiker kann damit nicht gerechnet werden. Weiterhin, was über Jahrzehnte kaputt gespart wurde, kann nicht in einigen Jahren ersetzt werden; schon gar nicht Motivation, Ausbildung, Training, etc. Aber es ist eben so wie in vielen anderen Bereich. Kaputt gespart bis zum geht nicht mehr. Siehe Infrastruktur, siehe Bahn, etc.
Es ist eine Frechheit, wie der deutsche Steuerzahler und Wähler verblödet wird. 100 Milliarden Budget und die Bundeswehr ist schlecht ausgerüstet! Sicherlich, wenn man das Geld an andere bezahlt und nicht für die eigene Ausrüstung ausgibt.
Die Kabarettisten hatten schon vor ca. 10 Jahren ihren Spaß mit der Bundeswehr (neu angeschaffter Marinehubschrauber darf nicht über Wasser fliegen, usw.), aber wir haben nur gelacht. Bundeswehr braucht man ja nur für den Ernstfall und der kommt schon nicht. Bei der Bahn haben wir schon spürbarer gemerkt, dass sie heruntergewirtschaftet wird, hat aber die diversen Bundesverkehrsminister auch nicht interessiert und war kein Kriterium bei den Wahlen für uns. Bei der Bundeswehr lief das versteckter. Die noch vorhandene Energie haben sie in die Auslandseinsätze gesteckt (Afghanistan, Mali, etc.) und ordentlich bewältigt.
Im Moment hat unsere Bundeswehr nur eine sehr geringe Abschreckungswirkung und das wäre eigentlich ihr Hauptjob. Der Generalinspekteur des Heeres sagte ja noch öffentlich am Tag des Einmarsches von Putin in die Ukraine, dass wir blank dastehen und Munition vielleicht für 2 Tage haben und erstaunlicherweise sind wir z.B. beim Thema Munition zwei Jahre später, keinen Schritt (Tag :-) ) weiter. Dazu passt die aktuelle Meldung, dass keine einzige Heeresbrigade einsatzbereit ist (https://www.n-tv.de/politik/Bundeswehrverband-Keine-einzige-Heeresbrigade-einsatzbereit-article24798604.html).
Man kann nur hoffen, dass die Ukrainer noch ein paar Jahre durchhalten, bis wir aus dem Quark kommen. Ich glaube wir sollten uns auch nicht durch die Nebelkerzen unserer Politiker von den wichtigen Themen ablenken lassen, nicht dass der Gulaschdiktator Orban noch recht bekommt, der meint, dass Demokratie nicht funktioniert.
Tagesschau Peter Sonnenberg,. 08.03.2023 14:48 Uhr: "Blackbox Bundeswehr-Beschaffungsamt..Über die Bürokratie des Beschaffungsamtes sagt der Sprecher der Verteidigungsindustrie: "So sollten etwa die vielen internen Erlasse und Vorschriften überprüft werden, die in den letzten Jahren und Jahrzehnten einen regulatorischen Verhau an komplexen, typisch deutschen Anforderungen an militärisches Gerät, aber auch an internen Regularien für den Beschaffungsprozess geschaffen haben."
Der böhmische Literat Franz Kafka meinte: "Die Fesseln die Menschheit sind aus Kanzleipapier." Möglich, dass das im Verteidigungsministerium auch erkannt wurde und hat kapituliert. Das Resultat: die Bürokratie hat das Kommando, wie die Kohle für die Bundeswehr verpulvert wird. Man braucht sich also nicht zu wundern, wenn es nicht rundläuft.
Gunther Kropp, Basel