Das ungleiche Paar Merkel und Hollande
Kanzlerin Angela Merkel besucht den französischen Präsidenten François Hollande in Paris. Trotz aller Dissonanzen wird Harmonie demonstriert.
Wenn es eine Konstante gibt bei Treffen zwischen Angela Merkel und François Hollande, dann sind es Wetter-Kapriolen. Musste sein Flugzeug bei seinem Antrittsbesuch vor einem Jahr in Berlin kehrtmachen, nachdem es vom Blitz getroffen war, so begegneten sich Kanzlerin und Präsident gestern im regnerischen Paris und es donnerte erneut. Coup de foudre (Blitzschlag) bedeutet im Französischen auch Liebe auf den ersten Blick. Davon konnte bislang nicht die Rede sein, auch nicht auf den zweiten oder dritten.
Von Liebe auf den ersten Blick kann nicht die Rede sein
Doch gestern war die Stimmung betont heiter bis freundlich und keine Rede mehr von freundschaftlichen Spannungen. So hatte Hollande vor wenigen Wochen noch sein Verhältnis zur Kanzlerin beschrieben. Auch in der Öffentlichkeit überwog bislang der Eindruck der Meinungsverschiedenheit, sei es über das Vorgehen in der Euro-Schuldenkrise und über das Tempo, mit dem Frankreich seine Schulden abbaut und Reformen angeht.
Im Vordergrund sollten nun die Gemeinsamkeiten stehen: der europaweite Kampf für Wachstum und gegen die Arbeitslosigkeit, vor allem unter Jugendlichen. In Frankreich sind 26,4 Prozent der Jugendlichen ohne Arbeit, in Spanien und Griechenland sind es mehr als die Hälfte. Der deutsch-französischen Freundschaft wolle man einen europäischen Sinn geben, sagte Hollande. Merkel warb für eine nachhaltige Basis, um das Vertrauen in Europa zurückzugewinnen.
Anfang der Woche hatten die Arbeitsminister beider Länder in Paris eine gemeinsame Initiative vorgestellt, bei der ein Fonds von sechs Milliarden Euro in konkrete Maßnahmen investiert werden soll wie Einrichtungen zur Berufsausbildung. Hollande sprach erneut vom Wunsch, eine echte Wirtschaftsregierung mit noch häufigeren Treffen innerhalb der Euro-Zone und einem hauptamtlichen Präsidenten der Euro-Gruppe einzurichten, was Merkel bestätigte.
Man wolle der deutsch-französischen Freundschaft einen Sinn geben
Um die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie zu stärken, nahmen Kanzlerin und Präsident die Vorschläge einer deutsch-französischen Industriellengruppe um Siemens-Aufsichtsratschef Gerhard Cromme und Jean-Louis Beffa, Ehrenpräsident des französischen Konzerns Saint-Gobain, entgegen mit rund 30 konkreten Maßnahmen zur Energie-, Steuer- und Wettbewerbspolitik.
Er wolle Frankreichs Defizit senken, aber eben auch die Wettbewerbsfähigkeit erhöhen, erklärte Hollande. Am Mittwoch hatte er scharf die Mahnung von EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso zurückgewiesen, Frankreich müsse sich rasch an die notwendigen Reformen bei Renten und Arbeitsmarkt machen, nachdem die EU zwei Jahre mehr Zeit gewährt hatte, um das Defizit unter drei Prozent der Wirtschaftsleistung zu drücken. Die Kommission hat Frankreich nicht zu diktieren, was es zu tun hat, hatte der Präsident erklärt.
Welchen Weg es wähle, um seine Finanzen in Ordnung zu bringen, entscheide es schon selbst. Übrigens werde bereits in Abstimmung mit den Sozialpartnern an einer Rentenreform gearbeitet.
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