
Fall Patrick Graichen: Habeck hat ein Problem mit seiner rechten Hand


Staatssekretär Patrick Graichen gilt im Wirtschaftsministerium als unverzichtbar. Gegen ihn richten sich immer heftigere Vorwürfe der Vetternwirtschaft. Kann Habeck ihn halten?
Ohne Patrick Graichen läuft im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz am Berliner Invalidenpark wenig. Der 51-jährige Staatssekretär gilt als treibende Kraft hinter den umstrittenen Heizungstausch-Plänen und als rechte Hand von Hausherr Robert Habeck. Doch nun wird Graichen für den Grünen-Politiker zunehmend zur Belastung. Denn gegen den als umtriebig und durchsetzungsstark geltenden Funktionär werden immer neue Vorwürfe laut, die im Kern um die Frage kreisen, ob rund um das Wirtschaftsministerium eine Art Vetternwirtschaft herrscht.
Seit bekannt wurde, dass sein Freund und Trauzeuge Markus Schäfer Chef der Deutschen Energie-Agentur (Dena) werden soll, steht Graichen im Kreuzfeuer der Kritik, die Union fordert seinen Rauswurf. Denn die Dena ist ein bundeseigenes Unternehmen. Ihre Aufgabe ist es, die Energiewende voranzubringen, etwa durch Studien und Pilotprojekte. Graichen saß in der dreiköpfigen Findungskommission, die den neuen Chef-Posten bei der Dena besetzen sollte. Habeck fällt es immer schwerer, sich für seinen wichtigsten Energiewende-Kopf zu rechtfertigen, die Vergabe der Stelle soll neu gestartet werden. Graichen selbst beteuerte, er habe versäumt, sich aus dem Besetzungsverfahren zurückzuziehen. „Das war ein Fehler und ich bedauere diesen Fehler sehr.“

Habecks rechte Hand: Muss Patrick Graichen seinen Rauswurf fürchten?
Ob die Sache damit schon ausgestanden ist, wird sich zeigen. Noch steht Habeck zu seinem Staatssekretär. Zwar nannte er dessen Vorgehen ausdrücklich einen "Fehler", stärkte ihm aber gleichzeitig den Rücken. "Patrick Graichen ist meiner Ansicht nach der Mann, der Deutschland vor einer schweren Energiekrise bewahrt hat", so der Minister. Insider glauben, dass Habeck so stark auf die Expertise seines wichtigsten Mitarbeiters angewiesen ist, dass dieser keinen Rauswurf zu befürchten habe – noch. Denn kein Bericht über die "Trauzeugen-Affäre" kommt ohne einen Hinweis auf die weitverzweigten familiären und beruflichen Netzwerke aus, in deren Zentrum Graichen steht.
Der Politologe und Volkswirt war vor seinem Eintritt ins Ministerium Direktor der Agora Energiewende, einer Klima-Lobbyorganisation, die überwiegend von Stiftungen finanziert wird. Sein Schwager, der Grünen-Politiker Michael Kellner, ist ebenfalls Staatssekretär bei Habeck. Er ist verheiratet mit Graichens Schwester Verena. Die ist beim Öko-Institut als "Senior Researcherin" beschäftigt. In gleicher Position arbeitet dort auch ihr Bruder Jakob Graichen. Pikant: Das private Umweltforschungsinstitut, das aus der Anti-Atomkraft-Bewegung entstanden war, finanziert sich durch Gutachten und Beratungsleistungen, einer der größten Auftraggeber ist Robert Habeck. Etwa 3,5 Millionen Euro überwies sein Ministerium im ersten Ampel-Jahr. Sogar an Gesetzentwürfen wirkt das Öko-Institut mit, wie Habeck einräumte.
Ministerium macht familiäre Bande öffentlich: Keine Interessenskonflikte
Graichen-Schwester Verena ist zudem Vize-Vorsitzende des Umweltschutzverbandes BUND, der als Grünen-nah gilt. Bekannt sind diese verwandtschaftlichen Verflechtungen schon länger. Das Ministerium hatte sie bereits Ende 2021 öffentlich gemacht und angekündigt, es werde „selbstverständlich sichergestellt, dass keine Interessenkonflikte bei der Vergabe von Studien oder Aufträgen entstehen“. Die „hierfür notwendigen Schritte und Strukturen“ würden „rechtssicher eingerichtet und umgesetzt“.
Recherchen des ZDF-Magazins „Berlin direkt“ zufolge haben weitere Bekannte des umtriebigen Staatssekretärs Graichen ans Klima-Ministerium angedockt. Der Grünen-Politiker und Ex-Wirtschaftsstaatssekretär Rainer Baake wurde Sonderbeauftragter des Ministeriums für Namibia. Er war als Gründungsdirektor der Agora Energiewende Graichens Förderer und Vorgänger. Die Grünen-Politikerin Regine Günther, wie Baake bei der "Stiftung Klimaneutralität" engagiert, und ihr Ehemann Felix Matthes, wiederum beim Öko-Institut beschäftigt, werden ebenfalls dem Netzwerk zugerechnet.

Fall Graichen: CDU fordert Konsequenzen, Lobby Control ist alarmiert
Dass CDU-Generalsekretär Mario Czaja von Habeck fordert, seinen Staatssekretär zu entlassen, kann das Grünen-Lager noch als Oppositions-Manöver abtun. Doch auch bei den Ampel-Partnern SPD und FDP erregen die Vorgänge deutlich mehr Aufmerksamkeit, als den Grünen lieb ist. Zudem kritisiert die Organisation Lobby Control: "Es muss der Grundsatz gelten, dass jeder Anschein zu vermeiden ist, dass eine freundschaftliche oder familiäre Beziehung zu einem Vorteil führt." Der Umgang mit dem Interessenkonflikt im Ministerium sei "nicht angemessen" gewesen. Nicht auszuschließen, dass Hausherr Habeck am Ende doch seine rechte Hand opfern muss, um die eigene Haut zu retten.
Die Diskussion ist geschlossen.
Dass sich Staatsekretär Graichen bei der Besetzung der Chefposition der Dena nicht aus der Findungskommission zurückgezogen hat, war ein Fehler, der (übrigens auf Initiative Graichens!) umgehend korrigiert wurde, bevor die Angelegenheit manifest wurde.
Der Rest wirkt arg konstruiert, die familiären Verflechtungen bei privaten Instituten wurden längst gemeldet und haben keine Auswirkungen auf die Arbeit des BMWK.
Ist schon interessant, was hier an Zustimmung und Gleichgültigkeit bezüglich Vetternwirtschaft. Lobbyismus und Rechtsverstößen geäußert wird. Scheinbar findet es ein Großteil der Bevölkerung fast schon normal, wenn Rechts- und Verwaltungsverstöße von Politikern und Staatsangestellten stattfinden. Wem kann es folglich noch verwundern, wenn Teile der Bevölkerung aufbegehren. Große Teile der Politik stellen sich doch heutzutage selbst ins Abseits.
Hmmm - offensichtlich scheint das "Haaresuchen" sich zum neuen Volkssport auszuweiten. Wer sucht, der findet bei jedem ein Haar in der Suppe. "Mit "jedem" meine ich auch die Sucher selbst höchstpersönlich.
Werter Wolfgang L.,
das mit Scheuer's Freundin resp. Bär's Büroleiterin hat niemanden aufgeregt oder verwundert, weil diese filzige Spezlwirtschaft wesentlicher Teil der CSU-DNA war und ist!
Hauptsache man findet ein Haar in der Suppe, wenn es um Habeck geht. Man spricht sogar von "mafiösen Strukturen". Lächerlich, wenn man sich die Verflechtungen in Bayern und wahrscheinlich auch anderen Bundesländern anschaut. Gerade von Bayern könnte Habeck noch was lernen in dieser Hinsicht.
Es hat schon seinen Grund, warum die anderen Parteien bei diesem Thema so schweigsam sind. Das mit Graichens Trauzeugen war nicht in Ordnung, aber das war es schon.
Ich erinnere mal an Andi Scheuers Freundin, die direkt als Büroleiterin der Digitalministerin Bär als Lobbyistin zu Facebook gewechselt ist. Das hat von hier so Empörten niemand interessiert und das ist nur die Spitze des Eisbergs der CSU-Verquickungen.
Offenbar macht der Habeck ziemlich viel richtig. Sonst hätten die Springer- und Focus-Schmierfinken nicht so viel Schaum vor ihrem Lästermaul . . .
Wenn (edit/mod/NUB 7.3/bitte bleiben Sie sachlich) in der Sache nix Anderes als Whataboutismen einfällt, braucht es keinen weiteren Kommentar.
Von jeder anderen Partei hätte man eh nichts anderes erwartet. Die stets oberlehrerhaften, in der Moralsuppe schwimmenden Grünen müssen sich allerdings strengere Maßstäbe gefallen lassen. Da heißt es schon beim kleinsten Patzer: Rücktritt!
Habeck hat kein Problem mit seiner „rechten Hand“.
Habeck hat ein Problem mit Habeck.
Wenn sich der Minister von deinem Bruder extra neu geschaffene Preise überreichen lässt, markiert das ein generelles Problem.
Habeck selbst hat dieses System der Selbstbedienung installiert. Zusätzliche Staatssekretäre. Postenbesetzung ohne Ausschreibung, was in jedem anderen öffentlichen Unternehmen ein Entlassungsgrund ist. „Familiennachzug“.
Und immer wieder stammen handwerkliche Fehlleistungen (Gasumlage etc.) aus genau diesem Netzwerk. Aber Habeck brüllt dann lieber im Parlament rum, als die Verantwortlichen Konsequenzen spüren zu lassen.
Es ist die grüne Grundhaltung, anderen Vorschriften zu machen, die dann für einen selbst nicht gelten, die sich hier manifestiert.
Habeck hat also ein Problem mit deiner grünen Grundhaltung.
Herr Habeck selbst ist das Problem. Meiner Meinung nach war es kein "Fehler" sondern die Posten wurden gezielt so besetzt. Unglaublich wie versucht wird alles runter zu spielen.