
Ein elitärer Herrenclub mit Abenteuerlust


Es waren Fabrikanten, Bankiers und Kommerzienräte, die 1869 die Sektion Augsburg aus der Taufe hoben. Sie hatten ein großes gemeinsames Ziel.
Vor 150 Jahren herrschte Unzufriedenheit unter vielen deutschen und österreichischen Mitgliedern mit dem 1862 gegründeten Österreichischen Alpenverein. Er war ihnen zu wissenschaftslastig ausgerichtet. Dieses latente Unbehagen war Grund für die Idee eines eigenen deutschen alpinen Vereins, der vor allem Akzente setzen wollte in der Erschließung und Entdeckung der Berge im deutschsprachigen Ost-Alpenraum – auch um die Wirtschaftsstruktur und die ärmlichen Verhältnisse der in den Tälern lebenden Menschen zu verbessern.
Es waren vor allem Männer aus dem Wirtschaftsbürgertum, die sich in der damals blühenden Industriestadt Augsburg für die Berge begeisterten. Otto Forster, der erste Vorsitzende der neu gegründeten Sektion, war Privatier und stammte aus einer reichen Textilfamilie. Sein Vertreter Theodor Hassler war Generaldirektor der Baumwollspinnerei am Stadtbach. Der Bankier Max Obermayer, das wohl einzige jüdische Gründungsmitglied, galt als weltoffen und naturinteressiert, war sogar Konsul der Vereinigten Staaten und Argentiniens in Augsburg. Oskar Peschel, Redakteur der „Allgemeinen Zeitung“ und Herausgeber der Zeitschrift „Das Ausland“, war eine markante Persönlichkeit mit breitem intellektuellen Profil und mit großem Einfluss auf die Themensetzung im Vereinsleben. In den Jahren nach der Gründung schlossen sich immer mehr honorige Männer der alpinen Bewegung an, darunter viele bedeutende Persönlichkeiten, so Kommerzienräte wie Heinrich von Buz (MAN), Viktor Martini (Textilveredelung), August Riedinger (Ballonfabrik) oder die Brüder Haindl (Papierfabrik). Es war eine elitäre Herrengesellschaft, in der Frauen oder Angehörige niederer sozialer Schichten, wie im Übrigen in vielen anderen Vereinen der damaligen Zeit, faktisch keinen Zugang hatten.
Sie alle trieb Entdecker- und Forschergeist an
Entdecker- und Forschergeist, touristische Erschließung, Romantik und Abenteuerlust, bestimmten fortan das Leben in der Sektion. Denn „die Kenntnisse der Deutschen Alpen zu erweitern und zu verbreiten und ihre Bereisung zu erleichtern“ standen festgezurrt als alpines Credo in der Vereinssatzung. Zwei Männer aus der Gründerzeit der Sektion, deren Namen bis heute Fixpunkte der Alpingeschichte sind, gelten als große Pioniere in diesem Sinne: Hermann von Barth und Gustav Euringer.
Hermann von Barth, Sohn eines königlich-bayerischen Kämmerers, gilt als Begründer des eigenverantwortlichen, führerlosen Bergsteigens. Vor allem im Karwendel und in den Allgäuer Alpen hat er zumeist allein unzählige Gipfel bestiegen, darunter viele als Erster. Legendär ist seine Bergausrüstung mit einer Champagnerflasche für das Trinkwasser. Nach ihm ist eine Hütte im Lechtal benannt, es gibt einen Barthgrat und eine Barthspitze im Karwendel. Sein Buch „Aus den nördlichen Kalkalpen - Ersteigungen und Erlebnisse“ gilt als Klassiker alpiner Führerliteratur. Der Alpinist starb mit 31 Jahren auf einer Expeditionsreise im afrikanischen Angola.
Viele Augsburger, die Urlaub in den Bergen Südtirols schätzen, kennen die markanten, 2394 und 2414 Meter hohen Felszacken neben dem Schlernmassiv auf der Ferienregion Seiseralm: die Euringer- und die Santnerspitze, benannt nach ihren Erstbesteigern Gustav Euringer und Johann Santner. Euringer, Bankier und breit gebildet, 1879 zum Schriftführer der Sektion gewählt, war einer der besten Kenner des Alpenraumes. Er durchstreifte auf seinen Reisen die Alpen systematisch, ein Schwerpunkt waren die Dolomiten, später erkundete er das Berner Oberland und das Wallis in den Westalpen. (mit Ulrich Kühnl, Bernd Wißner und Florian Pressler)
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