Bittere Momente
Robbens Fehlschüsse haben die Meisterschaft mit großer Wahrscheinlichkeit entschieden. Von einem „Machtwechsel“ auf Dauer aber wollen die Dortmunder nicht sprechen
Dortmund Arjen Robben hatte nach seinem ganz persönlichen Debakel die Größe, den Fans in die Augen zu sehen und entschuldigend die Hände zu heben. Er kennt sich aus mit entscheidenden Momenten in großen Fußballspielen. Vor einiger Zeit hat der Holländer erzählt, dass er regelmäßig von den Bildern seiner vergebenen Großchance im WM-Finale von 2010 heimgesucht wird. Am Mittwochabend sind nun zwei Momente hinzugekommen, die er am liebsten auch aus seinem Gedächtnis streichen würde. Augenblicke, in denen sich wahrscheinlich die Meisterschaft entschieden hat. Ausgerechnet „in so einem Moment“ zu versagen, meinte er, „das ist bitter“. Robben hatte fünf Minuten vor dem Ende einen Elfmeter vergeben und in der Nachspielzeit auch noch aus drei Metern über das fast leere Tor geschossen.
Immerhin trug er so entscheidend zu einer spektakulären Schlussphase eines wunderbaren Fußballspiels bei, in dem sich mal wieder zeigte, wie wahr die alte Weisheit von den Kleinigkeiten ist, die über Sieg und Niederlage entscheiden. Mit gewaltigem Aufwand hatten die beiden Titelaspiranten sich bekämpft, in der ersten Hälfte war Dortmund stärker, da habe seine Mannschaft „so gespielt, wie es kaum besser geht gegen den FC Bayern“, meinte Trainer Jürgen Klopp. In der zweiten Halbzeit waren die Bayern leicht überlegen. Doch in den entscheidenden Augenblicken ging es eher um den Willen, die Effizienz und das Glück. Um Faktoren also, die traditionell dem Wesen des FC Bayern zugeschrieben werden. Doch diese Ära neigt sich vielleicht tatsächlich ihrem Ende entgegen.
Ein Schuss von Kevin Großkreutz nach einer abgewehrten Ecke flog eher zufällig dort vorbei, wo Robert Lewandowski im Münchner Strafraum stand. Der Pole streichelte den Ball mit einer genialen Bewegung ins Tor (77.), während Robben auf der anderen Seite seine eigentlich viel besseren Möglichkeiten vergab.
„Das ist peinlich“, meinte der Linksfuß, dieser brillante Mann für den Alltag, der in den ganz großen Spielen nicht zum Helden zu taugen scheint. Es gibt neben dem WM-Endspiel ja auch noch das Champions-League-Finale von 2010, in dem Robben nach brillanten Auftritten im Viertel- und Halbfinale blass wirkte wie ein Mitläufer. 2012 wird er wohl als tragische Figur der verlorenen Meisterschaft in die Annalen eingehen.
Und auf der anderen Seite traf Lewandowski, der wie eine Art Gegenentwurf zu Robben und dem an diesem Abend wirkungslosen Franck Ribéry erscheint. Der Pole erzielte seinen 20. Saisontreffer, er ist ein Mann, der unermüdlich für die Defensive arbeitet, kein Selbstdarsteller, sondern einer, dessen Spiel nicht spektakulär herausragt, wie das der Bayern-Künstler. Dafür ist es aber umso effizienter. Statt sich für sein Tor feiern zu lassen, sagte Lewandowski selbstkritisch, er habe ja „noch eine Chance gehabt, aber nur die Latte getroffen“. So stellen sie sich gerne dar in Dortmund, bescheiden, demütig.
Allerdings gibt es auch Momente, in denen die Fassade des Understatements brüchig wird. Zum Beispiel, als Roman Weidenfeller nach dem Spiel durch die Interviewzone stolzierte und mit einem süßen Lächeln verkündete, dass „die Fairness gesiegt habe“. Weil er Robben beim Elfmeterfoul „gar nicht berührt“ habe. In Wahrheit war der Dortmunder Torhüter zu spät gekommen.
Doch in vielen Momenten treten diese Dortmunder erstaunlich genügsam auf, für die Stärke, die der Klub inzwischen entwickelt hat. Irgendwann wurde Sebastian Kehl gefragt, ob die Vorherrschaft der Bayern nun nachhaltig ins Wanken gerate, der Kapitän erwiderte: „Einen Machtwechsel wird es auf Jahre nicht geben, dazu haben die Bayern eine zu gute Stellung.“
Wenn diese Saison keine völlig unerwarteten Kapriolen mehr schlägt, dann haben die Bayern allerdings nur zwei Meistertitel in sechs Jahren erspielen können, und vier Niederlagen am Stück gegen einen Klub – wie jetzt gegen den BVB – gab es zuletzt Anfang der 90er Jahre gegen Werder Bremen. Das ist schon mehr als eine kleine Krise.
Aber den Bayern bleiben ja noch das Pokalfinale und die Champions- League-Halbfinals gegen Real Madrid, wo Klopp den Bayern durchaus etwas zutraut. Denn „Real Madrid verteidigt nicht so gut wie wir“, meinte der Dortmunder Trainer. Manchmal wird eben doch sichtbar, in welchen Sphären dieser BVB sich langsam wähnt.
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