Jung, schnell, erfolgreich
Wie sich der Moto2-Weltmeister Stefan Bradl auf seine Premieren-Saison in der Moto-GP vorbereitet. Vielversprechende Testfahrten in Malaysia. Entspannung im Bett oder der Badewanne
Augsburg Die Kleiderordnung ist streng. Das Hemd mit den Sponsoren-Aufnähern oder die entsprechende Kappe müssen getragen werden, sonst droht eine Strafe. „Sogar die gleichen Socken wie alle anderen, die richtige Sonnenbrille oder die Uhr des Teamsponsors muss ich anziehen“, berichtet Stefan Bradl über seine neue Garagenmannschaft. Schließlich wollen die Werbepartner, die den Saisonetat von rund sechs Millionen Euro stemmen, eine Gegenleistung. Entsprechend streng sind die Regeln im Honda-Team LCR des Italieners Lucio Cecchinello, für das die deutsche Motorrad-Hoffnung fährt. „Bisher war ich in der Bundesliga, jetzt spiele ich in der Champions League, wie es in der Fußballersprache heißen würde, und das versteht ja jeder“, erzählt Bradl.
Doch jetzt ist der 22-Jährige privat da, sitzt entspannt in Sweatshirt, Jeans und Turnschuhen beim Besuch in der Zentralredaktion unserer Zeitung in Augsburg. Bradl erzählt, wie es sich anfühlt, mit über 330 Stundenkilometern auf einem Motorrad über den Asphalt zu rasen. „Das realisiere ich gar nicht. Und ich sehe auch nicht die Geschwindigkeit, denn ich habe ja keinen Tacho.“ Vielmehr konzentriert sich der Fahrer darauf, die richtigen Bremspunkte zu finden, möglichst schnell wieder zu beschleunigen oder auf die Kurventechnik. Die hat sich im Vergleich zu früher gewandelt: Anstatt rund durch den Bogen zu brausen, wird die Kurve eher wie ein Dreieck angefahren. „Lieber stark bremsen und dann wieder beschleunigen, so lässt sich das Potenzial der Maschine besser nutzen“, erklärt der Fachmann. Statt wie bisher mit 140 PS muss er mit seinen 63 Kilogramm Körpergewicht 240 PS unter Kontrolle halten. Das schlaucht. Wenn Bradl nach einem Testtag wie in der vergangenen Woche in Sepang (Malaysia) abends ins Hotel kommt, fühlt er sich wie gerädert. „Dann gehe ich erst mal ins Bett oder in die Badewanne.“
Um die 150 Kilo schwere Honda in den Griff zu bekommen, absolviert der Pilot mit seinem Fitnesstrainer Egon Gulich ein auf ihn zugeschnittenes Trainingsprogramm. Vor allem der Nacken, aber auch Arme, Beine und Rücken müssen bis zum 8. April in Form sein. Dann startet die WM mit dem ersten Lauf in Losail im Scheichtum Katar. Bis dahin warten weitere Lektionen.
Stefan Bradl ist ein Lehrling in dem Feld mit den Stars wie dem aktuellen Weltmeister Casey Stoner aus Australien, dem neunfachen Titelträger Valentino Rossi aus Italien oder den bekannten Spaniern Dani Pedrosa sowie Jorge Lorenzo. „Die interessieren sich nicht für mich, jeder schaut auf sich.“
„Die“ haben in ihrer Karriere 30000 oder 50000 Kilometer in der MotoGP abgespult. Bradl wird froh sein, wenn er bis zum Saisonstart 1500 Kilometer absolviert haben wird. In seinem Premieren-Jahr wäre er mit einer Platzierung zwischen Rang sieben und neun zufrieden. Die ersten Testfahrten verliefen allerdings mehr als zufriedenstellend. Obwohl Bradl erst alle technischen Raffinessen seiner neuen Honda, sein von sechs auf zwölf Mann angewachsenes Team kennenlernen und seinen Fahrstil an die 1000 Kubikzentimer starke Maschine anpassen muss. „Wir sind nur knapp eine Sekunde hinter Stoner und damit viel weiter, als wir zu diesem Zeitpunkt sein wollten“, berichtet der junge Mann aus Zahling im Landkreis Aichach-Friedberg.
In dem rund 550 Einwohner zählenden Ort erholt sich Stefan Bradl von seinen Reisen, die ihn auch dieses Jahr in 18 Rennen rund um die Welt führen werden. Wie entspannt ein Motorradfahrer? Mit Motorradfahren. Aber keine Rennen. Nein, zusammen mit Freunden braust Bradl zum Eisessen oder um Freundin Jana abzuholen. Es muss nicht auf die sonst bei den Bikern so beliebten Alpenpässe gehen: „Am liebsten kurve ich auf den kleinen Straßen zwischen Pöttmes, Aindling und Affing herum.“
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