Spektakulär wie Spiderman - Klettern erstmals bei Olympia
In Tokio werden die Wandakrobaten erstmals um olympische Medaillen hangeln. Die Topathleten Linus Bader und Sandra Hopfensitz geben Olympia 2024 als Ziel aus.
Wenn Linus Bader zur Tat schreitet, geht alles rasend schnell. Vergleichbar mit einem Sprinter, der in ein paar Sekunden sein Tagwerk verrichtet. Auch Bader spricht in seiner Sportart von einem „Lauf“, doch setzt er nicht einen Fuß vor den anderen. Seine Strecke ist auch keine 100 Meter lange Gerade. Baders Ziel befindet sich am Ende einer 15 Meter hohen Wand mit einem Neigungswinkel von fünf Grad. Speedklettern fasziniert Bader. „Das Duell-Klettern hat seine eigenen Reize. Diesen Nervenkitzel und diese Stimmung haben andere Wettbewerbe nicht“, erklärt der junge Mann. Er spricht von einem „Adrenalinkick“, der ihn durchfährt, wenn er als Erster den Buzzer drückt.
IOC nahm Sportklettern 2016 ins olympische Programm auf
Wie die Athleten die Fläche hochspringen, das erinnert an Spiderman. Nur stecken bei Bader und seinen Kollegen keine virtuellen Animationen dahinter, sondern Talent, Trainingsfleiß, Beweglichkeit und Muskelkraft. In Tokio dürfen sich die Wandakrobaten erstmals bei den Olympischen Spielen zu Medaillen hangeln, 2016 machte das Internationale Olympische Komitee (IOC) den Weg dafür frei. Den Funktionären waren die spektakulären Bilder und der hohe Unterhaltungswert nicht verborgen geblieben, zudem hat sich Sportklettern, das Kraft, Ausdauer und Geschicklichkeit miteinander kombiniert, längst als beliebte Freizeitbeschäftigung etabliert. Die Aufnahme ins olympische Programm entspricht nicht weniger als dem Zeitgeist.
Wenn an den Wänden mit den bunten Griffen um Gold, Silber und Bronze geklettert wird, müssen sich die Athleten in drei Disziplinen beweisen: im Lead, Speed und Bouldern – zusammengefasst als „Olympic Combined“. Nur beim Lead steht die Höhe im Mittelpunkt; beim Speed geht es – wie der Name verrät – um Geschwindigkeit; beim Bouldern um komplizierte Kurse in geringer Höhe ohne Sicherung.
Bereits im Kindesalter jagte Bader Wände hoch. Aus dem Hobby ist für den 18-Jährigen inzwischen ein Beruf geworden. „Mein Leben richtet sich komplett nach dem Klettersport“, sagt er. Seine Heimat in der Nähe von Illertissen hat er verlassen, seit Oktober trainiert er am Speed-Stützpunkt in Düsseldorf und besucht eine Sportschule. Seinen Alltag takten Unterricht, Training, Wettkämpfe und Regeneration. Ende Mai nahm Bader am Weltcup-Finale im amerikanischen Salt Lake City teil, am heutigen Freitag klettert er beim Nachwuchs-Europacup im österreichischen Imst. Und Ende August stehen die Junioren-Weltmeisterschaften im russischen Voronezh an.
Bei Olympia 2024 in Paris wird Speed eigenständige Disziplin
Wenn Bader sagt, es laufe gerade ganz gut, dann untertreibt er. Jüngst sicherte sich das Mitglied der DAV-Sektion Augsburg den deutschen Speed-Meistertitel. Das Finale in Bochum war eingebettet in die Finals 2021, die 18 Sportarten im öffentlich-rechtlichen Fernsehen viel Übertragungszeit bescherten. Für Bader soll der nationale Titel als Zwischenstation dienen, die Olympischen Spiele 2024 in Paris gibt er als übergeordnetes Ziel aus.
Seine Chancen für eine Teilnahme dürften sich erhöhen. Denn Speed verlässt nach den Spielen in Tokio das „Olympic Combined“ und wird eigenständig behandelt. Für Spezialist Bader zugleich Vor- und Nachteil. „Der Konkurrenzkampf wird nochmals steigen. Dadurch wird es nicht leichter“, meint er. Den Weltrekord hält ein iranischer Superstar mit dem schier unaussprechlichen Namen Reza Alipourshenazandifar (5,48 Sekunden), Baders beste Trainingszeit liegt bei 5,8 Sekunden.
Auch die Nerven sind beim Olympischen Klettern entscheidend
Dass nicht nur Physis an der Wand entscheide, sondern ebenso Kopf und Nerven, betont Sandra Hopfensitz. Der Werdegang der Sportlerin ähnelt jenem von Linus Bader. Auch Hopfensitz zählt zu den hoffnungsvollsten Talenten der Szene. Auch sie ist 18 Jahre jung und geht für den DAV Augsburg an den Start. Auch sie ist als deutsche Vizemeisterin im Speed erfolgreich und will sich nach dem Abitur noch stärker auf ihren Sport konzentrieren. Und auch sie hat das Ziel Olympische Spiele 2024. Hopfensitz betont: „Das ist ein riesiger Traum von mir. Das gibt mir die Motivation, viel zu trainieren.“
In einem Punkt unterscheidet sie sich allerdings von Bader: Im Speed weist sie zwar ihre besten Ergebnisse vor, doch das klassische Lead – der Sportler hängt sein Seil selbst ein – bleibt ihre Leidenschaft.
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