Argentiniens Diego Armando Maradona hatte zu aktiven Zeiten mehr Gefühl in den Füßen als die meisten seiner Berufskollegen – allerdings auch in den Händen, wie einst das britische Boulevardblatt The Sun titelte. Bei der Weltmeisterschaft 1986 machte Maradona im Viertelfinale England mit zwei legendären Treffern den Garaus: Einmal traf er nach einem Sololauf, einmal per Hand. Im Interview nach dem Spiel verriet der zweifache Torschütze: „Es war der Kopf Maradonas und die Hand Gottes.“
Fußballgeschichte hat auch eine ganz andere Hand geschrieben: die des Königs. Von Gerhard König aus Füssen. Gegen den 66-Jährigen ist sogar der große Maradona ein kleines Licht. Ohne später jemals wieder groß in Erscheinung zu treten, hat König als Bub den Lauf der Dinge verändert: mit einer schallenden Ohrfeige für Franz Beckenbauer im Jahr 1958.
Wegen der Ohrfeige ging Beckenbauer lieber zum FC Bayern
König lief für 1860 München auf, ausgerechnet jenem Verein, den der damals 13-jährige Franz Beckenbauer für seinen Wechsel weg vom SC 1906 München auserkoren hatte. Doch daraus wurde nichts: Beckenbauer ging wegen genau dieser Ohrfeige lieber zum FC Bayern München. „Es hat mich wahnsinnig geärgert“, verriet der Kaiser 2011 in der Fernsehsendung Blickpunkt Sport und in der ARD-Doku "Fußball - ein Leben" (gesendet am 6. September 2015).
Das Bayerische Fernsehen hatte Kaiser und König im Olympiastadion in München nach gut 52 Jahren zusammengeführt – und damit ein Mysterium der deutschen Fußballgeschichte aufgelöst. Dass es die Ohrfeige gegeben hatte, hat Franz Beckenbauer in all den Jahren immer wieder betont. Der Übeltäter aber blieb all die Jahre verborgen.
Aus Angst schwieg Gerhard König nach der Ohrfeige sehr lange
Bis jetzt: Im Urlaub hatte König seine Geschichte einem Bekannten anvertraut – und der brachte ihn zum BR. Doch warum hatte der heute 66-Jährige so lange geschwiegen? „Aus Sorge, dass mir Chaoten meine Wirtschaft auseinandernehmen“, sagt König gegenüber dem Dribbler. Nachdem er 1967 ins Allgäu kam, betrieb König bis zu seinem Ruhestand zwei Gaststätten, den Waldwinkel und den Gasthof Adler. Und er blieb auch dem Fußball treu: als Torwart des FC Füssen.
Gegen den damaligen Mittelstürmer Franz Beckenbauer lief König als Verteidiger auf. Beide erinnern sich: „Irgendwie waren wir uns nicht sympathisch“, sagt Beckenbauer. „Wozu ich vermutlich auch meinen Teil beigetragen habe: Ich war frech, weil ich wusste, dass ich schnell war“, witzelt Beckenbauer. „Er hatte mich schon ausgespielt, ich habe ein Tackling gemacht, und dann hat ein Wort das andere ergeben“, sagt König. Es folgte die legendäre Ohrfeige. Ob Beckenbauer ihm im Nachhinein dankbar sei? „So wie sich der Verein entwickelt hat: ja. Aber das war damals nicht abzusehen“, verrät Beckenbauer. Damals war 1860 die Nummer eins in München – und wäre es mit Franz Beckenbauer eventuell auch in Europa geworden. Und wer weiß: Vielleicht hätte dann sogar der kleine Diego Maradona für die Löwen gespielt.
Anmerkung der Redaktion: Dieser Artikel erschien erstmals am 29. Juli 2011 in der Allgäuer Zeitung.