Allein die Wortwahl Tomas Orals zeigt, dass beim FC Ingolstadt in dieser Saison nicht viel funktioniert haben kann. Von "Riesenfreude" ist die Rede, wenn der Trainer der Oberbayern von den beiden anstehenden K.-o.-Duellen gegen den Abstieg spricht.
"Es ist absolut eine Riesensache, dass wir hier sitzen und über die Relegationsspiele sprechen dürfen", sagte Oral vor dem Hinspiel (18.15 Uhr) beim SV Wehen Wiesbaden. "Vor einigen Wochen hatten nur ganz wenige den Glauben, dass wir in diese Situation kommen können." Als Oral Anfang April als bereits vierter Cheftrainer der Saison beim FCI anfing, lag der Verein am Boden, hatte als Tabellenletzter nach fünf Niederlagen hintereinander fünf Zähler Rückstand auf den Relegationsplatz.
Unter Oral setzte der FC Ingolstadt zu einem furiosen Zwischenspurt an
Doch der neue Trainer schaffte die Wende, holte in seinen ersten sechs Spielen 16 Punkte. Obwohl mit dem 2:4 am letzten Spieltag beim 1. FC Heidenheim der direkte Klassenerhalt verpasst wurde, geht Oral nun voller Zuversicht in die beiden Relegationsspiele. "Wir haben aus diesem Lauf viel Kraft gezogen, die Mannschaft hat den Glauben und den Teamspirit wiedergewonnen." Trotz des positiven Laufs weist der FCI-Trainer die Favoritenrolle von sich: "Wir treffen auf einen Gegner, der in der 3. Liga 70 Punkte geholt hat und brauchen zwei richtig gute Spiele", warnt er. "Aber ich bin überzeugt davon, dass wir die Spiele ziehen können."
Auch wenn die Partien für den FC Ingolstadt, der im Fall des Abstiegs den direkten Wiederaufstieg anpeilen würde, nicht existenziell sind, käme auf den Verein eine Herkulesaufgabe zu. Zum einen stünde er ohne sportliche Führung da. Orals Vertrag läuft lediglich bis Ende Juni. Auch der von Thomas Linke, der die Rolle als Sportdirektor lediglich übergangsweise übernommen hat. Nach dem Abschied Harald Gärtners im März gibt es zudem noch immer keinen neuen Geschäftsführer Sport. Finanziell müssten kleinere Brötchen gebacken werden. Der derzeitige Lizenzspieleretat von 18 Millionen Euro, der dritthöchste der zweiten Liga, würde um ein Vielfaches gekürzt werden. Allein die TV-Einnahmen gingen von knapp 18 Millionen auf 1,4 Millionen Euro zurück.
Kittel, Cohen, Lezcano: Viele Spieler wären bei einem Abstieg in die 3. Liga vertragslos
Außerdem müsste in kurzer Zeit eine neue Mannschaft zusammengestellt werden, da viele Verträge in der 3. Liga ihre Gültigkeit verlieren. Einige Leistungsträger (Sonny Kittel, Almog Cohen, Dario Lezcano), die schon zu Bundesligazeiten für den FCI aktiv waren, könnten den Verein ablösefrei verlassen.
Szenarien, mit denen sich die Verantwortlichen nicht beschäftigen müssen, wenn die Relegation erfolgreich gestaltet wird. Doch Vorsicht ist geboten: Auch der SV Wehen Wiesbaden befindet sich in Topform, ist das beste Rückrundenteam der 3. Liga und holte zehn Punkte Rückstand auf Relegationsplatz drei auf. Allerdings müssen die Hessen auf den verletzten Innenverteidiger Niklas Dams und Offensivspieler Jules Schwadorf verzichten. Darüber hinaus wurde Angreifer Agyemang Diawusie, der bis Saisonende vom FC Ingolstadt ausgeliehen ist, wegen der Vertragssituation für die beiden Partien freigestellt. Die Oberbayern hingegen haben keine personellen Probleme zu beklagen.