Jogi Löw hat allzeit "högschde Disziplin" gepredigt - und sich selbst daran gehalten. Wie sonst könnte man erklären, dass er auch mit 60 noch Bundestrainer ist?
Lieber Herr Löw, unser distanziertes Verhältnis mag manchen Mitleser, der glaubt, jeder Journalist duzt sich mit jedem Trainer, überraschen. Auch wenn Sie das ganze Land Jogi ruft, sind wir uns doch nie so nah gekommen. Wir haben schließlich auch Poldi & Schweini gesiezt.
Andererseits ist es ein Kreuz mit den Vornamen deutscher Bundestrainer. Sie laden zum kumpelhaften Umgang ein. Derwall, ein getaufter Josef, für alle nur Jupp. Nicht einmal Hans-Hubert hat den gestandenen Vogts vor dem Berti bewahrt. Da würde Ihnen auch kein Karl-Theodor helfen. Dann lieber Joachim. Oder der nette Herr Löw, wie es anfangs über Sie hieß. Damals, als Assi vom Jürgen, ihrem Chef Klinsmann. Sie, der Stratege, er das Emotionsmonster. Zwei, die bis aufs Oberhemd zusammengepasst haben. Nur als der Jürgen nicht mehr wollte und Sie das bedeutendste Amt im Land übernahmen, überfielen den Michel Albträume. Erinnert sei an das Gähnen, mit dem Fußball-Deutschland damals reagierte. „Högschde Disziplin“ haben Sie so ausdauernd gepredigt, bis es Eingang in den deutschen Sprachschatz fand. Dabei klang es nach provinziellem Flachpass, nicht nach internationalem Zauber.
Löw mit 60 noch Bundestrainer - auch wenn das kaum jemand erwartete
Aber die Umstände befeuerten den Zauber. Sie ernteten die Früchte, die der Deutsche Fußball-Bund mit seiner Nachwuchsförderung als Folge der katastrophalen Euro 2000 gesät hat. Högschde Disziplin gehört weiter zum System. Sie haben aus den Vorlagen ein Spiel entwickelt, das zum attraktivsten gehört, das deutsche Auswahlteams je vorgetragen haben – und es 2014 in Brasilien mit dem WM-Sieg gekrönt. Sie sind danach demütig geblieben, weil Sie im Triumph nicht vergessen haben, dass man von jedem Gipfel wieder runter muss.
Trotzdem hatten nur wenige erwartet, Sie an Ihrem heutigen 60. Geburtstag noch im Amt des Bundestrainers anzutreffen. Dem Gipfel war bei der WM in Russland ein Radikalabstieg gefolgt, den keiner überlebt hätte, der nicht das Glück hat, sich in eine südbadische Seele versenken zu können. Mochte Ihnen damals auch die halbe Republik den Ruhestand an den Hals wünschen. Sie haben die Fassung bewahrt, ein paar trockene Papiere präsentiert, Espresso getrunken, Müller, Boateng und Hummels geschasst – und sind heute noch Bundestrainer. Zweifellos die größte strategische Leistung Ihrer 14-jährigen Amtszeit. Auch dazu gratulieren wir. Herzlichen Glückwunsch!
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