
"Die Region Augsburg ist in vielen Bereichen stark"

Andreas Thiel, Geschäftsführer der Regio Augsburg Wirtschaft GmbH, erklärt im Interview, wie Wohlstand und Wirtschaft in der Region stabil gehalten werden.
Herr Thiel, wir nehmen zum Einstieg den Titel unserer Sonderbeilage "Made in Bayerisch Schwaben" und münzen ihn etwas um. Made in Wirtschaftsraum A³ – was kommt Ihnen dabei in den Sinn?
Andreas Thiel: Der Wirtschaftsraum Augsburg ist nach wie vor eine Produktionsregion. Daher passt der Titel „Made in“ – in diesem Fall in A³ – hier auch sehr gut. Stark ist die Region vor allem bei Investitionsgütern, im Bereich Mobilität – wie etwa im Aerospace-Bereich – in der Automobilzulieferung, aber auch im Maschinenbau und in der Umwelttechnologie. Technologie ist generell das Stichwort, und Produktionstechnologie umso mehr. Und stark sind hier nicht nur die einschlägigen globalaktiven Konzerne und Großunternehmen, sondern eine große Zahl von Familienunternehmen und Mittelständlern. Diese sind gleichzeitig oftmals global betrachtet Hidden Champions, die in ihrer Marktnische Weltmarktführerschaft besitzen.
An welche Bereiche denken Sie hier?
Thiel: Ganz gleich, ob es sich hier um Glas, Farben, Fahrzeugausstattung, Spezialtanks, Spezialbremsen oder medizinische Produkte handelt – die Region Augsburg ist in vielen Bereichen stark. Und die Breite der willkürlich ausgewählten Beispiele lässt sich nicht nur weiter fortsetzen, sie zeigt vor allem, dass die Region in ihrer Wirtschaftsstruktur diversifiziert aufgestellt ist. Trotz des überdurchschnittlichen Produktionsbesatzes macht das die Region recht stabil und weniger empfindlich für branchenbezogene und konjunkturelle Krisen.
Andreas Thiel: Die breitaufgestellte mittelständische Struktur ist eine Stärke der Region Augsburg
Damit konnte beispielsweise auch ein Arbeitsplatzabbau durch die Schließung industrieller Produktionen wie etwa beim Fujitsu-Werk oder bei Ledvance in den vergangenen Jahren sogar überkompensiert werden durch entsprechenden Stellenaufbau im Bereich der stark wachsenden mittelständischen Unternehmen, nicht zuletzt in den Landkreisen Augsburg und Aichach-Friedberg. Hier zeigt sich die Stärke einer breitaufgestellten mittelständischen Struktur.
Stichwort Stellenaufbau: Wo spüren Sie diesen noch?
Thiel: Bei all dem darf man nicht vergessen, dass in den letzten Jahren auch im Bereich der Dienstleistung, hier insbesondere der unternehmensnahen Dienstleistungen und im Gesundheitswesen, ein starker Beschäftigungsaufbau entstanden ist. Insbesondere auch im Bereich der digitalen Wirtschaft hat sich hier dem allgemeinen Trend gemäß auch die Unternehmenslandschaft in der gesamten Region weiterentwickelt. In die Dienstleistungsbranche lassen sich auch die Bildungslandschaft sowie die Wissenschafts- und Forschungslandschaft in der Region einordnen. In den vergangenen Jahren sind diese ebenfalls stark gewachsen mit zusätzlichen Instituten, Professuren, aber auch Gebäuden an Universität und technischer Hochschule sowie Gründungen der Institute von Fraunhofer und DLR. Diese Wissenschafts- und Forschungslandschaft setzt wichtige Impulse insbesondere auch in die produzierende Wirtschaft. Mit dem notwendigen Know-how, mit Innovationsimpulsen, mit Wissen – damit macht sie diese auch zukunftsfähig und konkurrenzfähig im internationalen Wettbewerb.

Das sind viele positive Aspekte. Dennoch: Energiekrise, Ukraine-Krieg, Inflation, Nahost-Konflikt – das Wort Krise hat Hochkonjunktur und betrifft damit auch die lokale Wirtschaft. Wie kann man diesen Herausforderungen begegnen?
Thiel: Auch wenn die Wirtschaft in der Region Augsburg breit aufgestellt ist, konjunkturellem und Branchen-Gegenwind sehr wohl widerstehen kann, Unternehmensschließungen in der Vergangenheit mehr als überkompensiert hat, so kann sie sich globalen Krisen genauso wenig widersetzen wie die gesamtdeutsche Wirtschaft.
Wen sehen Sie hier am meisten gebeutelt?
Thiel: Besonders betroffen von der Kombination verschiedenster Kriseneffekte ist beispielsweise die regionale Immobilien- und Bauwirtschaft. Neubauprojekte gehen derzeit kaum an den Start. Das lässt unter anderem für das Thema Wohnen in der mittleren Frist Bedenken aufkommen. Und darüber hinaus sind natürlich vor allem energieintensive Betriebe betroffen.
Welche Reaktion darauf könnte die richtige sein?
Thiel: Gegensteuern ist hier insbesondere auch durch die Bundesregierung gefragt, was Standards anbelangt, was Energiekosten anbelangt, was Inflationsbekämpfung anbelangt, was steuerliche Fragen anbelangt. Lokal und regional sind die Reaktionsmöglichkeiten beispielsweise auf Energiekosten oder auch Materialkosten kaum gegeben. Die Kammern, die Branchenverbände sind in solchen Fragen die entsprechenden Interessensvertreter der Wirtschaft, die sich in München und insbesondere in Berlin Gehör verschaffen.
Trotzdem die Frage: Wie kann man vor Ort eingreifen?
Thiel: Auf der regionalen Ebene kann die Wirtschaftsförderung die Unternehmen eher dabei unterstützen, dass sie sich zu ihren Problemen auf den geeigneten Plattformen austauschen können. Wirtschaftsdialoge, Kongresse, Netzwerktreffen und auch spezielle themenorientierte Angebote, ob in Präsenz oder online, werden von Partnern angeboten, sodass die Unternehmen zum einen die notwendigen Informationen und Lageeinschätzungen bekommen, aber auch bei Themen wie vorhandener Fördermöglichkeiten mitgenommen werden, sich aber auch selbst zu Lösungsmöglichkeiten untereinander austauschen können. In Krisenzeiten ist der Austausch, die Gemeinsamkeit, mit Sicherheit auch ein wichtiges Element, wofür die regionalen Akteure sorgen können.
Wo sehen Sie weitere Ansatzpunkte?
Thiel: Außerdem sind Impulse wie etwa im Bereich Klimaschutz und Nachhaltigkeit, von Innovation, aber auch im Kontext der Fachkräftesicherung und der Fachkräftegewinnung wichtig. Unter anderem im Bereich Nachhaltigkeit und Klimaschutz ist absehbar, dass die Regulatorik weiterer Ansprüche an die Unternehmen stellen wird. Jetzt ist die Aufgabe der Wirtschaftsförderung, die Unternehmen möglichst frühzeitig zu informieren und auch Angebote zu schaffen, wie sie zeitnah agieren können. Bei A³ passiert das etwa über die Initiative A³ klimaneutral oder den neuen Nachhaltigkeitsmonitor.
Gibt es weitere Beispiele aus Ihrem Bereich?
Thiel: Demnächst folgt eine Fachkräfte-Kampagne, um auch dem nach wie vor latenten Thema des Fachkräftemangels wirksam begegnen zu können. Damit adressieren wir nun nicht die Krisenthematik, aber zusammen mit dem Thema Innovation die Grundfunktionen von Unternehmen, die für den Erfolg im Wettbewerb absolut notwendig sein werden.
A³: Es gibt mehr als die krisengetriebenen Themen
Nur auf die großen, krisengetriebenen Themen wie etwa Energiepreise zu schauen und alle anderen Themen quasi auf Eis zu legen, das würde mit Sicherheit weder den Unternehmen in der Region weiterhelfen noch den Fragestellungen vieler, die nicht direkt von den Krisen betroffen sind, gerecht werden.
Trotz Krise: Woraus kann man Optimismus ziehen?
Thiel: Ein Teil des Begegnens von Krisen besteht aus dem Blick in die Zukunft und dem Nutzen von Chancen und vorhandenen Kompetenzen. Positiv stimmt mich, dass wir im Wirtschaftsraum Augsburg viele Kompetenzen haben, die Herausforderungen wie Energieeffizienz, Materialeffizienz, Nachhaltigkeit sehr gut entsprechen.
Wo sehen Sie diese Kompetenzen?
Thiel: Die Region besitzt in der Wissenschaft wie in den Unternehmen hohe Materialkompetenz. Ich erinnere an das Thema Faserverbundstoffe, Komposit-Werkstoffe, das sehr stark verankert ist bei den Forschungseinrichtungen wie DLR und Fraunhofer, an Universität und Hochschule, aber beispielsweise auch bei den Unternehmen im Bereich Aerospace. Zu dieser Kompetenz treten Kompetenzen im Bereich Digitalisierung und künstliche Intelligenz. Mit fast 100 Millionen Euro wird das KI-Produktionsnetzwerk gefördert. Die Kompetenzen, die hier aufgebaut werden, die Praxisprojekte, die hier zwischen Wissenschaft, Forschung, Industrie und auch Mittelständlern auf den Weg gebracht werden, das ist die Grundlage dafür, dass wir auch in Zukunft wettbewerbsfähig am Standort A³ werden produzieren und auch Know-how schaffen und exportieren können.
Sie sprachen bereits von Umwelt und Nachhaltigkeit. Welche Potenziale sehen sie hier in der Region?
Thiel: Wenn wir es zum Beispiel schaffen, am Standort Wasserstofftechnologien im Bereich der Antriebstechnik zu etablieren, wenn wir beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt, Institut für die Prüfung von Gastburbinen, künftig vielleicht den ersten Standort für die Prüfung von Wasserstoffanwendungen bei Turbinen aufbauen können, dann haben wir die Chance, Impulse für klimaneutrale Antriebe global zu setzen.

Großes Entwicklungspotenzial wird auch der neuen Medizinischen Fakultät an der Universität Augsburg und dem Universitätsklinikum zugeschrieben. Wie schätzen Sie das ein?
Thiel: Eine Untersuchung hat uns als Chance gezeigt, dass wir hier über 6000 Arbeitsplätze und eine jährliche Brutto-Wertschöpfung von rund 400 Millionen Euro in der Region erzielen können. Das zeigt, dass wir hier ein zumindest weiteres Spielbein für die wirtschaftliche Tragfähigkeit der Region aufbauen, was zudem weitgehend krisenresistent sein wird.
Was stimmt Sie noch optimistisch für unseren Standort?
Thiel: Die Demografie für die Region ist im deutschlandweiten Vergleich sehr gut prognostiziert, wir bleiben Zuzugs- und Zukunftsraum. Und durch die hohe Integrationsleistung, die die Region schon in der Vergangenheit im Bereich der Migrantinnen und Migranten geleistet hat, haben wir auch die Kompetenz, in Zukunft internationale Fachkräfte besonders gut im Wirtschaftsraum Augsburg aufnehmen zu können.
Wenn Sie sich abschließend etwas für den Standort A³ wünschen dürften: Was wäre das?
Thiel: Mein Wunsch für die nahe Zukunft wäre, dass wir wieder mehr Investitionen der Unternehmen vor Ort erleben, und dazu gehört natürlich die Verbesserung der Rahmenbedingungen. Die Investitionen vor Ort sind auch die Basis für die zukünftige wirtschaftliche Stabilität und Prosperität, für den Wohlstand der Bevölkerung in der Region. Und Investition heißt sicherlich auch, in Nachhaltigkeit, in Klimaschutz zu investieren, um unsere Lebensgrundlage zu erhalten.
Augsburg kann Nachhaltigkeit und Klimaschutz exportieren
Das wird sich weiterentwickeln und zu einem Erfolgsfaktor in der Region werden. Und nicht zuletzt werden die schon geschilderten Kompetenzen der Region im Bereich Ressourceneffizienz, Umwelt, Nachhaltigkeit und Klimaschutz dazu beitragen, dass aus Augsburg heraus auch Nachhaltigkeit und Klimaschutz exportiert wird und auch dieses Gut letztlich dazu beiträgt, den Wohlstand und die Wirtschaft in der Region stabil zu halten.
Dieser Artikel stammt aus einer Sonderbeilage der Augsburger Allgemeinen. Weitere spannende Themen finden Sie in unserem Magazin „Made in Bayerisch-Schwaben“.

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