Wie geht es mit Griechenland weiter?
Rast Griechenland jetzt ungebremst auf einen Grexit zu? Fest steht nur, dass das zweite Hilfsprogramm ausläuft und bis zu 18 Milliarden Euro verfallen. Doch was passiert dann?
Für Griechenland und die EU beginnt die Woche der Wahrheit. Steht am Ende der Grexit - oder doch eine neue Einigung? Die wichtigsten Fakten zur Krise in Athen.
Steht der Grexit jetzt direkt bevor?
Nein. Wenn der griechische Staat tatsächlich in den nächsten Tagen zahlungsunfähig würde, würde dies nicht automatisch einen Ausstieg aus dem Euro nach sich ziehen. Ein Grexit ist nur als Folge einer Kündigung der Mitgliedschaft in der EU nach Artikel 50 des EU-Vertrages möglich. Dazu müssen umfangreiche Verhandlungen über eine beiderseitige Vereinbarung geführt werden. Griechenland will aber weder die EU noch den Euro verlassen.
Welche Folgen hätte es, wenn Athen nicht bis Dienstag die Juni-Rate für den IWF zurückzahlt?
Die Frist dafür läuft um 24 Uhr Washingtoner Zeit aus. Wird die Forderung nicht beglichen, passiert zunächst gar nichts. Der Internationale Währungsfonds (IWF) dürfte wohl eine Mahnung schicken. Formell gesehen wäre das Land damit erst einmal im Zahlungsverzug. Ein Zahlungsausfall würde erst festgestellt, wenn die Rate auch später nicht überwiesen wird.
Was hat die Europäische Zentralbank (EZB) gestern beschlossen?
Die EZB stoppt die Notkredite an Griechenlands Banken vorerst nicht und verschafft den Finanzinstituten des pleitebedrohten Landes damit ein wenig Luft. Die sogenannten Ela-Kredite werden auf dem Niveau von Freitag eingefroren, wie die Notenbank nach einer Krisensitzung des EZB-Rates mitteilte. Die Entscheidung war mit großer Spannung erwartet worden. Kreisen zufolge hatte die Notenbank zuletzt ein Volumen von rund 90 Milliarden Euro bewilligt, das aber dem Vernehmen nach bereits ausgeschöpft ist. Dass die EZB den Geldhahn nicht noch weiter aufdreht, setzt Athen nun unter Zugzwang.
Was macht die griechische Regierung, wenn sie kein Geld mehr bekommt?
Experten gehen davon aus, dass das Land in diesem Fall nur noch eine, vielleicht zwei Wochen überleben kann. Ohne frisches Geld können weder Löhne noch Renten ausgezahlt werden. Erste drastische Maßnahmen, um die negativen Auswirkungen zu begrenzen, leitete die griechische Regierung bereits in der Nacht auf Montag ein: Die Banken des Landes bleiben bis zum 6. Juli, also bis nach dem Referendum über die Forderungen von Griechenlands internationalen Gläubigern, geschlossen. Barabhebungen wurden auf täglich 60 Euro beschränkt, für ausländische Touristen gilt dies aber nicht.
Wie reagiert die deutsche Politik auf die Verschärfung der Krise?
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) will am Montagmittag (13.30 Uhr) mit den Spitzen der im Bundestag vertretenen Parteien über die jüngsten Entwicklungen in Griechenland beraten. US-Präsident Barack Obama und Merkel drückten in einem Telefonat ihre Besorgnis aus. Beide Seiten hielten es für äußerst wichtig, alles zu unternehmen, um einen Weg zu finden, der es Griechenland erlaube, innerhalb der Eurozone Reformen umzusetzen und Wachstum zu erzielen, teilte das Weiße Haus mit.
Welche Konsequenzen hat der Ausgang des Referendums am 5. Juli?
Bisher ist nicht einmal klar, wie die Regierung eine solche Volksbefragung organisatorisch stemmen will. Gesetzt den Fall, die Mehrheit stimmt für den Euro und für ein Akzeptieren der Reformauflagen der Gläubiger, müsste die Regierung wiederum an die Euro-Partner, die EZB und den IWF herantreten und um neue Verhandlungen bitten. Ob diese unter welchen Voraussetzungen stattfinden könnten, weiß derzeit niemand. Zumal die Regierung Tsipras gezwungen wäre, in Brüssel einen Kurs zu fahren, den sie eigentlich ablehnt. Das könnte auf Neuwahlen zulaufen.
Könnte Athen ohne Zustimmung des Euroraums einfach eine neue Drachme einführen?
Nein. Mit dem Beitritt zum Euroraum haben die Mitgliedstaaten das Recht, ihre Währung frei festzulegen, aus der Hand gegeben. Das kann und darf ein Staat nicht einseitig ändern. Nicht nur die Gläubiger, sondern auch die Bürger könnten den Euro weiter als Zahlungsmittel nutzen.
Politiker und Experten halten Europa für besser gewappnet, sollte Griechenland zahlungsunfähig werden und aus der Eurozone austreten. Sie verweisen auf Reformen, die Europa im Zuge der Finanzkrise seit 2010 umgesetzt hat und die gegen die Folgen eines Grexit schützen sollen. Was hilft heute?
In den vergangenen Jahren zitterte Europa vor einem Dominoeffekt, falls ein Land in den Bankrott ginge und zum Austritt aus der Eurozone gezwungen wäre. Spekulanten könnten dann langjährige Krisenländer wie Spanien, Irland oder Portugal angreifen – in der Hoffnung, auch sie in die Knie zu zwingen. 2012 hat sich Europa aber einen dauerhaften Schutzschirm gegeben. Der Rettungsfonds ESM kann Kredite von bis zu 500 Milliarden Euro vergeben, um Wackelkandidaten in der Eurozone zu stützen. Darüber hinaus ist die Lage in den meisten Krisenländern inzwischen weit besser als noch vor ein oder zwei Jahren. Irland, Spanien und Portugal haben ihre Rettungsprogramme inzwischen beendet und stehen wirtschaftlich deutlich besser da.
Wie reagieren die Börsen?
Wie erwartet haben die Ereignisse vom Wochenende am Montag die Finanzmärkte in Aufruhr versetzt. Im vorbörslichen Handel fiel der Deutschen Aktienindex (Dax) am Montagmorgen rund fünf Prozent unter den Schlusskurs vom Freitag. Auch in Paris und London gerieten die Aktien vor Börsenstart stark unter Druck. Am Freitag hatte der Dax bei 11.492 Punkten geschlossen; rund 20 Minuten vor Börsenbeginn lag der Leitindex am Montagmorgen bei etwa 10.900 Punkten. Die Börsen in Tokio, Hongkong und Sydney gaben ebenfalls deutlich nach - auch in den USA rechneten Händler mit Verlusten im Tagesverlauf.
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