Wie Altmaier den Mittelstand zurückgewinnen will
Wirtschaftsminister Peter Altmaier hatte Familienunternehmen mit seiner Industriestrategie verärgert. Jetzt will er die Wogen glätten.
Es klingt fast verzweifelt, als Peter Altmaier die rund 350 Unternehmer beschwört: „Ich bin der Wirtschaftsminister und möchte, dass es Ihnen gut geht.“ Für den CDU-Politiker ist das Jahrestreffen der Stiftung Familienunternehmen in Berlin ein heikler Termin. Das liegt nicht etwa am streitlustigen FDP-Chef Christian Lindner, der mit auf dem Podium im Palaissaal des Hotels Adlon am Brandenburger Tor sitzt. Denn zuletzt waren massive Zweifel aufgekommen, ob der gewichtige Saarländer wirklich alles unternimmt, damit es dem deutschen Mittelstand gut geht.
Altmaiers Industriestrategie hat viele Unternehmer verärgert
Altmaier hatte im Frühjahr seine „Nationale Industriestrategie vorgelegt. Sie sieht vor, dass der Staat die Bildung von „europäischen Champions“ unterstützt. Er meint damit in Zukunftsfeldern tätige Großunternehmen, die sich gegen die härter werdende Konkurrenz auf den Weltmärkten behaupten können. Kritiker fühlten sich an die Planwirtschaft der DDR erinnert. Dass Altmaier in seinem Papier die Formulierung „Größe zählt“ benutzte, wertete der deutsche Mittelstand als böses Foul.
Der Ärger wirkt nach. Rainer Kirchdörfer, Vorstand der Stiftung Familienunternehmen, sagt: „Mit staatlichen Interventionen kommen wir nicht weit.“ Der Mittelstand wolle nicht, dass sich der Staat stärker an Großunternehmen beteilige. Kirchdörfer warnt davor, die Familienunternehmen in der Diskussion zu vernachlässigen. Denn mehr als 90 Prozent der deutschen Firmen fallen seinen Angaben zufolge in diese Kategorie, sie garantieren fast 60 Prozent der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse, bieten mehr als 80 Prozent aller Ausbildungsplätze. Klein oder mittelgroß seien viele dieser Betriebe zudem nur im Vergleich zu den internationalen Börsenriesen. In ihren jeweiligen Branchen seien sie nicht selten Technologie- und Weltmarktführer.
Die Unternehmen fordern Steuererleichterungen
Von der Bundesregierung wünschen sich die Familienunternehmen Entlastung bei Steuern und Energiekosten. In kaum einem Land der Welt seien Arbeitskosten und Bürokratieaufwand so hoch wie in Deutschland. Kirchdörfer findet aber auch lobende Worte für den Bundeswirtschaftsminister. Altmaier habe in seiner Industriestrategie wichtige Fragen aufgeworfen. Er verweist etwa auf Chinas ehrgeizige Pläne, eine führende Stellung in zehn Schlüsseltechnologien zu erreichen. Allerdings warnt er auch davor, den Protektionismus anderer Länder zu übernehmen: „Es kann keine Lösung sein, schlechte Beispiele zu kopieren.“
Altmaier verteidigt seine Industriestrategie hartnäckig. Um künftig etwa gegen chinesische Konkurrenten bestehen zu können, seien gemeinsame europäische Anstrengungen nötig. Als Beispiel nannte er den Bahn-Sektor. In Europa sei die Fusion der Zugsparte von Siemens mit dem Konkurrenten Alstom leider untersagt worden, klagt er.
Allerdings macht Altmaier dem Mittelstand, den er als „Motor der deutschen Wirtschaft“ bezeichnet, ein Friedensangebot. So kündigt er an, in der Debatte um Klimaschutz dafür zu sorgen, dass die Betriebe nicht mit steigenden Energiekosten belastet werden. Die hohen Strompreise seien ein Wettbewerbsnachteil, gerade gegenüber den USA. Er werde dafür sorgen, dass es nicht zu einer Situation komme, in der sich nur noch Investitionen in den USA lohnten. Ob das Versprechen allerdings reicht für die Versöhnung mit dem Mittelstand, muss sich erst erweisen. Der verhaltene Applaus aus den Reihen der Unternehmer deutet darauf hin, dass sich die Wogen noch nicht völlig geglättet haben.
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