Wie Habeck den Solarboom noch mehr anheizen will
Der Ausbau der Solarenergie soll in Deutschland schneller vorankommen. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck legt dafür nun eine Strategie vor – wie sieht sie aus?
Noch nie wurden so viele Solaranlagen in Deutschland gebaut, wie in den ersten drei Monaten dieses Jahres. Sie haben zusammengenommen die Nennleistung von zwei Atomkraftwerken. Es ist ein willkommener Erfolg für Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck, der in letzter Zeit wegen des Fiaskos um Wärmepumpen und Gasheizungsverbot sowie dem grünen Filz in seinem Ministerium schwer in die Bredouille geraten ist. Solar boomt und Habeck hat vor, das Tempo noch stärker zu beschleunigen.
Wie läuft der Ausbau der Solarenergie und wo will Habeck hin?
Im ersten Quartal sind Photovoltaikanlagen mit einer Nennleistung von 2,7 Gigawatt ans Netz gegangen. Es ist ein Allzeithoch, in keinem Vierteljahr seit Beginn der Solarindustrie waren es mehr. Der Zuwachs um ein Drittel geht vor allem auf das Konto der Eigenheimbesitzer, die sich nach dem russischen Angriff auf die Ukraine und dem daraus resultierenden Energieschock massenhaft Module auf die Dächer haben schrauben lassen. Größere Solarfelder auf der Fläche haben davon profitiert, dass Habeck in den Auktionen bei der ihm unterstellten Bundesnetzagentur die Vergütung angehoben hat. Für das Gesamtjahr rechnet der Grünen-Minister nun mit einem zweistelligen Zuwachs von über zehn Gigawatt. "Das wäre wirklich ein dickes Ausrufezeichen", sagte er. Vorgenommen hatte er sich nur 9 Gigawatt, die bislang als ehrgeizig galten.
Wie sollen Hausbesitzer einfacher an eine Solaranlage kommen?
Habeck hat auch in diesem Bereich die Vergütung verbessert, die Eigenheimbesitzer bekommen, wenn sie ihren Sonnenstrom einspeisen. Sie erhalten zum Beispiel seit Jahresbeginn 8,2 Cent pro Kilowattstunde für kleinere Anlagen. Außerdem sind sie nunmehr von der Ökostromumlage befreit. Habeck will es Häuslebauern künftig einfacher machen, indem bestimmte Bauvorschriften, wie Abstandsvorgaben für Reihenhäuser, abgespeckt werden. Wessen Dach ungeeignet ist für Solarmodule, weil beispielsweise hohe Bäume Schatten werfen, soll künftig leichter eine PV-Anlage im Garten aufstellen dürfen. Der Wirtschaftsminister hat allerdings Abstand genommen von der Idee, Häuslebauern einer Solarpflicht aufzuerlegen. Der Grund: Nach dem vermurksten Heizungsverbot wollte sich Habeck nicht noch mehr Ärger einhandeln. Es sei schon anspruchsvoll, die Debatte um die Wärmepumpen "vernunftbegabt zu führen", sagte er. In einigen Bundesländern gibt es die Solarpflicht allerdings schon.
Was ist für Mieter angedacht?
Seit einigen Jahren doktert die Politik daran herum, Mieter von der Solaranlage auf dem Dach des Hauses, in dem sie leben, profitieren zu lassen. "Man hat bisher noch nicht den Durchbruch geschafft", gestand Habeck ein. Doch künftig soll es besser werden. Der Wirtschaftsminister plant, dass Vermieter mit PV-Anlage nicht mehr rechtlich zu einem Stromversorger und Vollversorger werden, wenn sie Mieterstrom abgeben. Der Bundesverband der Solarindustrie spricht von einem Paradigmenwechsel für das lahmende Segment. Der Verband erhofft sich davon, dass es für Vermieter attraktiver wird, Solaranlagen zu bauen.
Was hat Habeck mit Balkonkraftwerken vor?
Zwei, drei Solarmodule auf dem Balkon anzubringen, ist die einfachste Variante, um Sonnenstrom zu produzieren. Der Strom wird über eine Steckdose in den Hausstromkreis eingespeist. Etwa eine Viertelmillion Balkonkraftwerke gibt es einer Schätzung zufolge in Deutschland. Was in der Praxis einfach ist, trifft auf die deutsche Strommarktbürokratie. Und jene will Habeck lichten. Derzeit müssen die Module sowohl im Marktstammdatenregister eingetragen als auch dem Netzbetreiber gemeldet werden. Das Verfahren soll entschlackt werden. Mieter, die sich ein Balkonkraftwerk zulegen wollen, müssen bislang ihren Vermieter um Zustimmung fragen. Habeck will daraus einen Anspruch der Mieter machen.
Wo sollen mehr Solarparks auf der freien Fläche entstehen?
In der Vision des Wirtschaftsministers wird ungefähr die Hälfte der tausenden neuen Solaranlagen auf den Dächern entstehen und die andere Hälfte auf freier Fläche. Die Ampel-Koalition hat sich darauf verständigt, dass neben den Autobahnen Photovoltaik-Felder im großen Stil gebaut werden sollen. Außerdem soll das Baugesetz so angepasst werden, dass die Errichtung eines Solarparks rechtlich privilegiert wird. Habeck möchte auch rechtlich klarstellen, dass Freiflächenanlagen in Gewerbegebieten auf jeden Fall zulässig sind. Einige Bundesländer sehen das bislang anders. Bis Mitte des Jahres sollen die beteiligten Ministerien außerdem gemeinsam ein Konzept für die sogenannte Agri-Photovoltaik entwickeln. Unter Solarmodulen könnten Bauern weiter Feldfrüchte anbauen. Bislang steht dem zum Beispiel der Wegfall staatlicher Prämien im Weg. Habeck hat außerdem vor, dass Landwirte bei der Weitergabe des Hofes an die nächste Generation von der Erbschaftsteuer auch dann verschont werden, wenn sie auf ihren Äckern oder Wiesen eine Solaranlage betreiben.
Die Diskussion ist geschlossen.