Verbraucherinnen und Verbraucher in Europa sollen einem Vorschlag der EU-Kommission zufolge ein sogenanntes Recht auf Reparatur bekommen. Ziel ist es, die Bürger so finanziell zu entlasten und die Umwelt zu schonen.
Um welche Produkte geht es?
Sehr viele. Als Beispiele nennt die EU-Kommission etwa Wasch- und Spülmaschinen, Fernseher, Tablets, Smartphones und Trockner. Allgemein heißt es: "Der Vorschlag gilt für Verbrauchsgüter." Gemeint sind damit "bewegliche körperliche Gegenstände". Zudem sollen alle Mängel an solchen Gütern abgedeckt sein - unabhängig davon, ob sie noch der gesetzlichen Gewährleistung unterliegen oder nicht. Also sollen auch selbst verschuldete Schäden repariert werden können.
Was ist das Ziel der geplanten Regeln?
Verbraucherinnen und Verbraucher sollen gestärkt, die Umwelt soll geschont werden. Der Vorschlag mache es einfacher und kostengünstiger, Waren zu reparieren, statt sie zu ersetzen. So sollen Käufer etwa für fünf bis zehn Jahre - also auch nach Ablauf der gesetzlichen Garantie - bei Herstellern eine Reparatur einfordern können für Produkte, die nach EU-Recht technisch reparierbar sind.
Entsorgte Waren können laut der EU-Kommission häufig noch repariert werden, werden aber oft vorzeitig weggeworfen. Dies habe jährlich 35 Millionen Tonnen Abfall, 30 Millionen Tonnen verschwendeter Ressourcen und 261 Millionen Tonnen an Treibhausgas-Emissionen in der EU zur Folge. Geschätzt sollen über 15 Jahre 18,5 Millionen Tonnen Treibhausgas-Emissionen, 1,8 Millionen Tonnen Ressourcen sowie Abfall im Umfang von 3 Millionen Tonnen eingespart werden.
Ab wann gelten die Vorschriften?
Das steht noch nicht fest. Erst müssen sich das Europaparlament und die EU-Staaten auf eine konkrete Ausgestaltung der Regeln einigen. Dieser Prozess dauert in der Regel mehrere Monate - eine Frist, bis wann die Verhandlungen abgeschlossen sein müssen, gibt es nicht. Es kann auch noch zu Änderungen kommen. Die Vorsitzende des Binnenmarktausschusses im EU-Parlament, Anna Cavazzini (Grüne), betonte, sie werde sich dafür einsetzen, dass Verbraucherinnen und Verbraucher nicht auf den Kosten von Reparaturen sitzen bleiben.
Auch der CSU-Europaabgeordnete Markus Ferber begrüßte den Vorschlag der Kommission. Er machte aber deutlich, dass es aus seiner Sicht nicht darum gehen dürfe, Verbraucher von Neukäufen abzuhalten.
Wo sind den Reparaturen Grenzen gesetzt?
Wenn etwa ein Handy so sehr zerstört ist, dass eine Reparatur wirtschaftlich keinen Sinn ergibt, muss es nicht repariert werden. Wörtlich heißt es vonseiten der Kommission: "Im Rahmen der gesetzlichen Garantie werden Verkäufer Reparaturen anbieten müssen, es sei denn, diese sind teurer als der Ersatz." In der Regel gilt eine gesetzliche Garantie zwei Jahre.
CSU-Politiker Ferber betonte: "Wenn man das neueste ultradünne Endgerät haben will, muss man bei der Reparierbarkeit durch den Endverbraucher zwangsläufig Abstriche machen." Sein SPD-Kollege René Repasi machte deutlich: "Entscheidend ist, dass Unternehmen keine abschreckenden Mondpreise verlangen, damit das Recht auf Reparatur sozial verträglich ist."
Wo kann ich Geräte reparieren lassen?
Zum einen sind die Hersteller in der Pflicht - sie können aber auch Dienstleister mit der Reparatur beauftragen. Zudem sollen unabhängige Werkstätten tätig werden dürfen. Cavazzini kündigte an, sich dafür einsetzen zu wollen, dass Ersatzteile und Anleitungen leicht zugänglich sind, "damit Unternehmensriesen wie Apple nicht länger die Regeln für eine Reparatur diktieren". Darüber hinaus sind nationale Online-Plattformen vorgesehen, auf denen sich die Bürger über Reparaturdienste und Verkäufer überholter Waren informieren können.
Welche Auswirkungen gibt es für Deutschland?
Sollten die Regeln wie vorgesehen in Kraft treten, müssten diese auch von Deutschland umgesetzt werden. Darüber hinaus hatte die für Verbraucherschutz zuständige Bundesministerin Steffi Lemke (Grüne) vor einem Jahr ein ähnliches Vorhaben angekündigt. "Wir werden wichtige Schritte raus aus der Wegwerfgesellschaft gehen, zum Beispiel durch ein Recht auf Reparatur." Gestützt werden solle dies etwa durch ein Förderprogramm "Reparieren statt Wegwerfen".
Verbraucherschützer sehen in den Plänen der Kommission auch eine Chance für mehr Bewegung bei dem Thema in Deutschland. Denn konkrete Vorhaben zu den von Lemke angekündigten Plänen lägen bislang nicht vor, so der Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv).
Wie reagiert die deutsche Wirtschaft?
"Viele Unternehmen stellt das vorgeschlagene "Recht auf Reparatur" vor große Herausforderungen", sagte der Präsident der Deutschen Industrie- und Handelskammer, Peter Adrian. Wenn etwa Ersatzteile länger gelagert und Reparaturen innerhalb von 15 Tagen durchgeführt werden müssten, bedeute dies zusätzliche logistische und finanzielle Belastungen. "Sehr viele Unternehmen sind derzeit betrieblich nicht in der Lage, den Anspruch auf Reparatur in der Praxis umzusetzen."
Der Hauptgeschäftsführer des Digitalverbands Bitkom, Bernhard Rohleder, erklärte, ein verbrieftes Recht auf Reparatur könne Geräte langlebiger machen, reiche aber nicht aus. Ähnlich wie Adrian fordert der Bitkom mehr Anreize für Unternehmen: "Eine Mehrwertsteuersenkung auf Ersatzteile und Reparaturdienstleistungen für IT-Hardware wie Smartphones und Laptops wäre ein solcher Anreiz."
(Von Marek Majewsky, dpa)