
In der Konditorei Gulden in Aichach beschlug man früher Pferde und Ochsen

Plus Das Haus der Konditorei Gulden in Aichach hat eine bewegte Geschichte. Was ein "Ochsenstand" und eine Autovermietung damit zu tun haben.
Wo heute Torten, Brot, Semmeln und Brezen in der Aichacher Oberen Vorstadt gebacken werden, beschlug man früher Pferde und Ochsen und schmiedete Pflugscharen. Das Haus der Konditorei und Bäckerei Gulden war die erste urkundlich nachgewiesene Schmiede in der Oberen Vorstadt. Erwähnt wird sie 1655, kurz nach Ende des Dreißigjährigen Krieges (1618 bis 1648). Damals kaufte ein Dilly Perger, von Beruf Huf- und Waffenschmied, im August die Brandstatt in der Oberen Vorstadt. Es ist anzunehmen,dass er auf dieser Brandstätte bald sein Haus und wieder eine Schmiede aufbaute.
Kreisheimatpfleger Karl Leinfelder (1883 – 1963), ein bedeutender Kenner der Aichach Lokalgeschichte, schreibt in seinen Forschungsarbeiten, dass bereits vor 1360 vom Deutschenorden in der „Oberen Vorstadt“, am heutigen Kastanienhof, ein Ordensspital gegründet wurde. Es lag also an der Zusammenmündung der beiden Fernstraßen, die von Augsburg und München kamen. Zur Infrastruktur des Spitals dürfte nicht nur die St. Helenakapelle (heute Pflanzenparadies), die Obermühle (ehemalige Beck-Mühle), sondern auch die Huf- und Wagenschmiede, wo heute die Konditorei Gulden zu finden ist, gehört haben.
Haus der Konditorei Gulden: Schmiede wechselte oft den Besitzer
Im Laufe der Jahrhunderte wechselte die Schmiede öfters ihre Besitzer. Am 17. März 1885 kaufte der ledige Schmiedemeister Anton Gulden das Schmiedeanwesen mit der Hausnummer 187 von den Eheleuten Michael und Barbara Neubauer für 16.500 Mark mit den dazu gehörigen Grundstücken. Anton Gulden stammte aus Sandizell und heiratete 1885 Maria Anna Seefried, die in Rohrenfels bei Neuburg beheimatet war. Um ein echter Aichacher zu werden, musste Anton Gulden erst die Bürger- und Heimatrechte der Stadt Aichach erwerben. Bei der Magistratsitzung am 3. Juli 1885 wurde seinem Antrag stattgegeben. Als Nebenerwerb betrieb die Schmiedefamilie eine Landwirtschaft mit fast 18 Tagwerk Grund, die 1927 aufgegeben wurde.

Als Anton Gulden sich in der Oberen Vorstadt als Schmied niederließ, hatte er noch zwei Geschäftskonkurrenten. Es gab den „Schmied Braun“ am Stadtplatz und den „Schmied Neubaur“ in der Unteren Vorstadt. Auf einem etwas anderen Arbeitsbereich war die Schmiede Gulden konkurrenzlos in Aichach und zwar mit ihrem „Ochsenstand“. Die beiden anderen Aichacher Schmiede hatten in ihrer Werkstatt keinen Platz. Den Ochsenstand hat Schmiedemeister Josef Gulden (Sohn von Anton Gulden) selbst konstruiert. Eine besonders geschätzte Kundschaft war die Beckmühle. Täglich beschäftigte sie eine Anzahl Ochsen, um Getreide oder Mehl zu transportieren und um die Eisenbahnwaggons zu rangieren.
Gulden in Aichach: Weltwirtschaftskrise wirkte sich aus
Mit Aufgabe der Landwirtschaft begann man mit dem Aufbau eines Autogeschäftes als zweites Standbein zur Huf- und Wagenschmiede. Zum Autogeschäft, sprich Reparaturwerkstätte, kam auch noch der Handel mit Opel Fabrikaten, die Errichtung einer Esso-Tankstelle und der Betrieb eines Mietautogeschäftes. Dem Autogeschäft von Josef Gulden war kein langer Erfolg beschieden. Durch die Weltwirtschaftskrise 1928 wurden auch in Aichach die Zeiten schwieriger und so musste Josef Gulden seine Reparaturwerkstätte aufgeben und die Opelvertretung zurückgeben. Das Mietautogeschäft wurde weitergeführt. Am 18. September 1932 starb Josef Gulden. Schmiedewerkstatt und Mietautogeschäft wurden verpachtet. Betrieben wurde die Schmiedwerkstatt der Familie Gulden bis 1952 von Pächtern.

Nachdem es für das Schmiedehandwerk 1952 schlecht bestellt war und Fritz, der Sohn von Josef Gulden die Meisterprüfung im Bäckerhandwerk hatte, fasste man den Gedanken, die alte Schmiede in eine Bäckerei umzugestalten. Heute ist die Bäckerei und Konditorei Gulden ein renommiertes Geschäft in der Oberen Vorstadt. Der Sohn von Fritz Gulden, der ebenfalls Fritz heißt, betreibt es noch heute - zur Freude vieler Aichacher.
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