"Ziemliche Sauerei" ist nicht unbedingt Tierquälerei
Ein Landwirt ließ elf Rinder bei Pöttmes bis zum Bauch im Matsch stehen, glaubt aber, ein Tierfreund zu sein. Das Augsburger Landgericht hält weitere Zeugen für notwendig.
Über eines war sich Richterin Karin Becker bei der Berufungsverhandlung am Augsburger Landgericht sicher: "Die Tierhaltung des Angeklagten ist, salopp gesagt, eine ziemliche Sauerei."
Weil er elf Rinder auf einer Weide im Raum Pöttmes im Matsch stehen ließ und sie laut Anklage weder Zugang zu Wasser noch zu einem trockenen Liegeplatz hatten, war er vom Aichacher Amtsgericht zu fünf Monaten Haft auf Bewährung verurteilt worden. Außerdem war dem Landwirt und Viehhändler verboten worden, Tiere jeder Art zu halten.
Doch das Schöffengericht unter Beckers Vorsitz stellte bei der Berufungsverhandlung in Augsburg den Straftatbestand der Tierquälerei infrage. Um das aufzuklären, soll an einem weiteren Verhandlungstag eine Dillinger Amtstierärztin als Zeugin gehört werden.
Eine Kontrolle des Aichacher Veterinäramts im November 2009 hatte den Prozess angestoßen. Kurz danach brachte der Bauer die Rinder in seinen Stall in den Landkreis Dillingen. Eine Woche später bekam er dort Besuch von der zuständigen Amtstierärztin. Das Resultat: Die Bedingungen in dem Stall waren nicht optimal, ein Teil der Tiere gut genährt, andere mager. Die entscheidende Frage blieb allerdings: Hatte der Angeklagte vorher diesen Tieren auf der Weide über längere Zeit erhebliche Schmerzen zugefügt?
Alle Vorwürfe abgestritten
Darum drehte sich die Verhandlung in Augsburg. Immer wieder kamen die Prozessbeteiligten am Richtertisch zusammen, begutachteten Fotos und diskutierten über die Bedingungen auf dem Gelände bei Pöttmes. Der 62-Jährige schien die ganze Aufregung nicht zu verstehen. Er stellte sich als großer Tierfreund dar und stritt alle Vorwürfe ab. "Ich hab' die Tiere 100-prozentig gemacht, ich leb' ja von ihnen", betonte er.
Jeden Tag sei er bei den Rindern gewesen, habe sie mit Wasser und Futter versorgt und sich um sie gekümmert. Auch sei das Tor zum höher gelegenen, trockenen Teil der Weide stets offen gewesen. So hätten die Tiere Zugang zum Heu und Plätze zum Liegen gehabt. Der Landwirt fühlt sich von den Kontrolleuren des Landratsamts schikaniert. "Mein Vater und Großvater waren alle Viehhändler und nie war was, bei mir auch 40 Jahre lang nicht." Seit 2003 gebe es an seiner Tierhaltung ständig etwas auszusetzen. Doch das sei unbegründet, empörte er sich.
In der Vergangenheit war er wegen der gleichen Weide und der mangelhaften Rinderhaltung dort allerdings schon einmal zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Ein Gutachter sollte bei der Berufung nun Klarheit schaffen. Er beurteilte von den Fotos her den Zustand der Tiere als normal. Um deren Verhalten und Kondition exakt zu bestimmen, wäre jedoch eine direkte Untersuchung der Tiere nötig gewesen, sagte der Experte aus.
Es geht um die Existenz
Die Aussage der Dillinger Amtstierärztin und die Schlachtprotokolle der Rinder sollen beim nächsten Verhandlungstermin klären, ob die Rinder auf der Weide gequält wurden. Dabei geht es für den Landwirt und Viehhändler nicht nur ums Prinzip - sondern auch die berufliche Existenz. (bawo)
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