In Gersthofen hätte es beinahe ein Atomkraftwerk vor der Haustür gegeben
Die letzten drei deutschen Atomkraftwerke sind abgeschaltet. Um ein Haar hätte es auch ein solches in Gersthofen gegeben. Warum es am Ende nicht so gekommen ist.
Wegen des aktuellen Atomausstiegs gingen am Samstag, 15. April, in Deutschland die letzten Kernkraftwerke vom Netz. Dieser historische Vorgang weckt Erinnerungen an die Zeiten, als vor fast 50 Jahren im August 1975 Pressemeldungen wie beispielsweise diese, „Soll Gersthofen ein Atomkraftwerk bekommen?“, die Bevölkerung in der Region und auch in Gersthofen überraschten und aufgeschreckt zu allen Vermutungen veranlassten. Dass es dann nicht dazu kam, hat mehrere Gründe.
Anlass für diese Spekulation war die Erarbeitung eines Standortsicherungsplanes für Atomkraftwerke durch die Bayerische Staatsregierung. Auch Gersthofen, weil „gelegen am Lech und in nächster Nähe zur Großstadt Augsburg“, wurde in die Untersuchungen einbezogen. Der Grund hierfür waren vorhandene Grundstücke der LEW Augsburg, die zusammen mit dem Rheinisch-Westfälischen-Elektrizitätswerk (RWE) ein solches Werk bauen wollten. Dieses sollte mit dem in Gundremmingen die Stromversorgung in Schwaben sicherstellen. Drei Milliarden Mark sollte die Anlage kosten und über 500 neue Arbeitsplätze und Millionen an Steuereinnahmen bringen.
Gersthofer Stadtrat forderte schnelle Gegenwehr gegen Kraftwerks-Pläne
Nach der überraschenden Meldung warteten die Verantwortlichen in der Gersthofer Verwaltung und Politik zunächst ab. Der damalige Stadtrat Peter Smolek jedoch drängte auf Eile und richtete sofort ein siebenseitiges Schreiben mit Stellungnahmen von Wissenschaftlern an Bürgermeister Karl J. Weiß. Smolek argumentierte, dass „Kernreaktoren immer ein Risikofaktor bleiben“ und forderte den Gesamtstadtrat auf, sich schnellstens gegen jegliche Planung für Gersthofen auszusprechen. Dieser folgte dem allerdings nicht und wollte auf weitere Informationen warten. Ein Höchstmaß an Wissen sollte dann die Grundlage für eine Entscheidung sein.
Erst Anfang Oktober 1976 wurden die Stadt Gersthofen und Anliegergemeinden erneut von einer Pressemitteilung überrascht. Mit der Schlagzeile „Am Ostufer des Lechs bei Rehling soll ein Kernkraftwerk entstehen“ entstand eine neue, aber nicht einfachere Situation. Karl J. Weiß kündigte sofort Widerstand der Stadt Gersthofen gegen ein Kernkraftwerk vor der Haustüre an. Das vorgesehene Gelände liegt in den Lechauen zwischen Langweid und Rehling bei St. Stephan am Ostufer des Lechs.
Im Gersthofer Stadtrat gibt's Gegner und Befürworter eines Kernkraftwerks
Im Raumordnungsverfahren konnte die Stadt Gersthofen ihre Interessen vertreten. In der Folge wurde dieses Thema im Stadtrat oft kontrovers diskutiert. Ende Juli 1977 war das Gremium zu einer Stellungnahme aufgefordert. In der betreffenden Sitzung empfahl Karl J. Weiß, zum Standort Rehling „Nein“ zu sagen. Nach leidenschaftlichen Debatten lehnte der Stadtrat mit 16 gegen fünf Stimmen den Standort Rehling ab. Vier der 25 Stadträte waren nicht anwesend. Neben Gersthofen wandten sich damals zum ersten Mal in Deutschland alle betroffenen Gemeinden und kommunalen Gebietskörperschaften gegen das Kernprojekt, darunter auch Rehling.
Während der weiteren Planungsphase wurde bei einer Krebsstudie festgestellt, dass die Krebsrate in Rehling im Vergleich zum Bundesdurchschnitt bereits leicht erhöht war. Schließlich wurde entschieden, das „Kraftwerk Rehling“ nicht zu bauen. Der geplante Standort wurde nach Pfaffenhofen an der Zusam verlegt. Dort wurden diese Pläne später auch verworfen.
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