
„Wollen wir einen Kindergarten sanieren oder günstigere Tarife?"


Um auf die Kritik an den neuen Tarifen bei Bussen und Straßenbahnen zu reagieren, veranstalteten die Stadtwerke ein Bürgerforum. Die Informationen kamen nicht bei allen gut an.
Schon der farbige Kugelschreiber, den jeder Besucher des Bürgerforums „swa im Dialog“ am Eingang ins Kongress am Park in die Hand gedrückt bekam, erweckte bei manchem Unmut. „Soll das Bestechung sein?“ hörte man, oder auch „billige Straßenbahnen wären mir lieber!“. Dabei waren die Schreibgeräte in vier verschiedenen Farben kein Versuch der Stadtwerke, für gute Stimmung zu sorgen, sondern dienten der Einteilung der Besucher in Arbeitsgruppen.
Als Reaktion auf die Kritik an der Tarifreform im Augsburger verkehrs-verbund (AVV), hatten die Stadtwerke die Bürger eingeladen, mit Experten zu diskutieren und Vorschläge für eine Verbesserung der Reform zu machen.
Rund 70 Bürger kamen ins Kongress am Park – ein großer Teil der vorbereiteten Stühle blieb leer. Bevor es in die Arbeitsgruppen ging, informierten Bürgermeisterin Eva Weber, Stadtwerkechef Walter Casazza, der Geschäftsführer des AVV Olaf von Hoerschelmann sowie weitere Experten über die Hintergründe der Tarifreform sowie die Entwicklung der Abo- und Kundenzahlen. Dabei kam es immer wieder zu Unmutsäußerungen und Zwischenrufen im Publikum.
Was waren die Hintergründe?
So versuchte Gerhard Probst von der Beratungsfirma „Probst und Consorten“ den Besuchern zu erklären, welche kaufmännischen Überlegungen hinter der Reform stehen. Er wies darauf hin, dass zu jedem im Nahverkehr ausgegebenen Euro ein Euro Steuergeld zugeschossen wird. „Wollen wir einen Kindergarten sanieren oder günstigere Tarife?“, stellte er in den Raum. Ein Vergleich, den Teilnehmer später als unseriös kritisierten. Günstig und sozial und bezahlbar sei ein Widerspruch, der sich nicht auflösen lasse.
Probsts Aussage, die Reform sei besonders familienfreundlich ausgefallen, rief wütenden Widerspruch hervor. Aus den Ausführungen von Probst wurde klar, dass das vorgegebene Ziel der Erlösneutralität – also das die Reform keine zusätzliche Kosten verursachen durfte – nicht ohne „Härten“ umzusetzen war. „Dort, wo die Leute bereit sind, mehr zu bezahlen, ohne abzuspringen, müssen wir mehr nehmen“, sagte Probst in seinem Vortrag. Das stieß auf Widerspruch.
„Ich habe das Gefühl, dass wir hier ausgelacht werden“, sagte Anna Mußmann nach dem Vortrag von Probst. Die Familie hatte ihr zweites Auto abgeschafft, weil der Augsburger ÖPNV so hervorragend war, wie sie sagt. Jetzt habe sie für die Familie 139 Euro an Abokosten im Monat – doppelt soviel wie früher. „Für das Geld fahre ich lieber wieder mit dem Auto“, so die Mutter.
„Es macht keinen Sinn, Geld hin und her zu schieben, um bei einer schwarzen Null zu bleiben“, findet Jan Bacher. Aus seiner Sicht muss der öffentliche Nahverkehr stärker subventioniert werden. „Der ÖPNV spielt eine Schlüsselrolle für viele städtische Probleme“, ist er überzeugt. Die öffentlichen Verkehrsmittel müssten so attraktiv werden, das tatsächlich weniger Autos in die Stadt kämen. „Bei der Reform des ÖPNV darf es nur Gewinner geben“ ist er überzeugt.
AVV-Geschäftsführer von Hoerschelmann erklärte das langwierige Abstimmungsverfahren mit den Gesellschaftern, das vor jeder Änderung im Tarif steht. Selbst wenn Stadt und Stadtwerke Änderungen wollten, müssten diese einstimmig von allen Gesellschaftern beschlossen werden. Im AVV sind unter anderen auch der Landkreis Augsburg, der Landkreis Aichach-Friedberg und die DB Regio als Gesellschafter vertreten.
In den Arbeitsgruppen wurde heftig diskutiert. Die Besucher konnten ihre Ideen und Wünsche anbringen – diese wurden gesammelt und werden von den Stadtwerken ausgewertet, wie Walter Casazza versprach.
Die Vorschläge der Bürger
In der Gruppe „Abonnenten“ kam unter anderem der Vorschlag, ein „Mobilitäts-Abo“ bereits ab 8 Uhr anzubieten, das dann 40 Euro kosten könnte (das bisherige 9-Uhr-Abo kostet 30 Euro). Die Senioren wünschten sich das Seniorenabo zum alten Preis zurück, oder ebenfalls ein Abo ab 8 Uhr. Abonnenten sollten beim Überfahren einer Zone nur noch einen Streifen zustempeln müssen; bislang werden zwei fällig.
Die Arbeitsgruppe „Kurzstrecke“ wollte zurück zum alten System, wünschte sich die Wiedereinführung der Zone 10 oder jedenfalls eine Verlängerung der Fahrstrecke. Durch die Reform waren die Zonen 10 und 20 in Augsburg verschmolzen worden, es fällt immer der Preis für beide an. Das Kurstreckenticket soll dies abmildern; es gilt derzeit für fünf Haltestellen (inklusive Startort). Die Arbeitsgruppe machte darauf aufmerksam, dass die Haltestellen teilweise sehr unterschiedlich weit voneinander entfernt liegen, was zu Ungerechtigkeiten führe.
Innerhalb eines Stadtteils müsse man jederzeit mit dem Kurzstreckenticket fahren können, wünscht sich die „Stadtteil“-Arbeitsgruppe. Ebenfalls solle die Innenstadt günstig mit den Stadtteilen verbunden werden. Eine attraktivere Anbindung der P+R-Parkplätze am Stadtrand wurde angeregt.
Tagestickets, die zwei, drei oder auch mehr Tage gelten wünschen sich die „Gelegenheitsfahrer“. Die Tageskarte solle echte 24 Stunden gelten. Auch die wiedereinführung der Wochenkarte wurde vielfach verlangt. Für Familien sei eine Kindertageskarte wünschenswert.
Am 17. Mai ist die Tarifreform Thema im Stadtrat. Dann sollen die Vorschläge der Bürger vorgestellt werden, informierte Eva Weber.
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Die Diskussion ist geschlossen.
Im Luftreinhalte-/Aktionsplan Augsburg steht unter Maßnahme 1 und 2 die Förderung des ÖPNV.
Zitat:
Minderungspotenzial: In Verbindung mit den anderen im Nahverkehrsplan vorgesehenen Maßnahmen Einsparung von ca. 9 Mio.
Kfz.-km
Es bestehen Zweifel am Willen zur Durchführung der Maßnahmen, durch Preissteigerungen wird die Attraktivität des ÖPNV wohl eher gemindert.
„Wollen wir einen Kindergarten sanieren oder günstigere Tarife?“
Das war polemische und unsachliche Höhepunkt des Vortrags des externen Tarifberaters der swa. Er zeigte keinerlei Empathie für Fahrgäste die durch die Reform Nachteile erlitten haben und auch sonst keine Wertschätzung für die Kunden.
Die richtige Frage wäre vor 10 Jahren gewesen:
Wollen wir einen Tramtunnel unter dem HBF oder faire Tarife?