"Ich bringe deine Familie um": Frau stalkt Fahrlehrer über Jahre
Eine Frau stellt ihrem ehemaligen Fahrlehrer in Augsburg massiv nach, auch eine Bewährungsstrafe hält sie nicht ab. Nun muss sie ins Gefängnis. Eines bleibt ein Rätsel.
Eines bleibt am Ende ein Rätsel. Warum sucht die Angeklagte seit etwa fünf Jahren die Nähe ihres ehemaligen Fahrlehrers, stellt ihm bei allen möglichen Gelegenheiten nach? Der Wunsch nach einer Beziehung sei es nicht, bestreitet sie vehement entsprechende Absichten. Sie stehe nicht auf Männer. Die Angeklagte ist biologisch als Frau geboren, fühlt sich aber im falschen Körper, möchte ein Mann sein. „Ich bin ein Transgender“, sagt die 47-Jährige. Dass sie trotz eines gerichtlichen Verbots immer wieder im Umfeld des Fahrlehrers auftaucht, hat nun empfindliche Konsequenzen: Amtsrichterin Andrea Hobert verurteilte die Angeklagte wegen Nachstellung zu einer Gefängnissstrafe von einem Jahr.
Dass ein Gericht in diesem Fall von Stalking zu einer Haftstrafe greift, hat seinen Grund in der fünfjährigen Historie der Geschehnisse. Im Jahre 2018 hatte die 47-Jährige bei dem Fahrlehrer den Lkw-Führerschein gemacht. Danach blieb man per Handy in Kontakt, was, so der Fahrlehrer, 55, durchaus üblich sei, wie er jetzt im Prozess als Zeuge schildert. "Aber irgendwann ging es ins Private, ich wollte das beenden, habe ihr das auch so persönlich gesagt, dass sie mich in Ruhe lassen soll", beteuert er.
Prozess in Augsburg: Warum stellte eine Frau ihrem Fahrlehrer nach?
Doch das Gegenteil passierte. Der Fahrlehrer fühlt sich nun verfolgt, will die Annäherungsversuche mit der Handykamera festhalten. Da kommt es zum Eklat. Die Frau fährt mit ihrem Auto auf den Fahrlehrer zu, erfasst ihn mit dem Rückspiegel, nimmt dann ihm bei einem Gerangel das Handy ab, gelangt so in den Besitz der Speicherkarte mit dem Foto und flüchtet. Dafür wird die 47-Jährige im Juni 2020 vom Amtsgericht wegen gefährlicher Körperverletzung und gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr verurteilt. Das Gericht macht ihr zur Auflage, sich dem Fahrlehrer nicht näher als 50 Meter anzunähern.
Das Kontaktverbot ist scheinbar nutzlos. Die Stalking-Aktivitäten der Frau nehmen wieder an Fahrt auf. Der Fahrlehrer sucht Hilfe bei der Polizei und der Hilfsorganisation „Weißer Ring“, hält alle Annäherungsversuche per Foto oder Video fest. Diese Beweissammlung ist nun Grundlage für die Anklage von Staatsanwältin Christina Knöpfle, die der Angeklagten für die Zeit von Januar 2021 bis November 2022 dutzende von einzelnen Aktionen vorwirft, die sich in einem Gebiet im Umkreis der Arbeitsstelle des Fahrlehrers im Westen der Stadt abspielen.
Angeklagte lauert dem Fahrlehrer über all auf
Die 47-Jährige soll genau wissen, zu welchen Zeiten der Fahrlehrer mit der Arbeit beginnt, wann und wo er Pausen macht. So steht die Angeklagte zeitweise fast täglich an einer Bushaltestelle, bei einer Bäckerei, vor einem Vereinsheim, an einer Tankstelle. Sie fährt mit einem E-Roller nahe des Fahrschulwagens, steht häufig auf einer Brücke über die B 17. „Sie kennt meine Wege, springt auf einmal vor mein Auto. Und das geht jetzt fünf Jahre“, beklagt sich der Fahrlehrer im Zeugenstand. Einmal soll die Angeklagte ein Schild mit der Aufschrift „Arschloch“ hochgehalten haben, als er vorbeifuhr.
Eines Tages sei ein Brief mit einer aus Zeitungsbuchstaben zusammengesetzte Morddrohung zu ihm nach Hause gekommen. Text: „Ich bringe deine Familie um und verfolge dich ein Leben lang.“ Er habe daraufhin, so berichtet der Zeuge, sein Haus mit Kameras ausgerüstet, habe seinen Sohn persönlich zur Schule gebracht und seine Arbeitszeiten verändert: „Mich beeinträchtigt das jeden Tag. Das ist Panik, das ist Stress.“ Warum die Angeklagte ihn nicht in Ruhe lasse, könne er auch nicht sagen. Einmal habe die Frau zu ihm gesagt, sie wolle ihn nur als Kumpel haben.
Prozess gegen Stalkerin: Die Angeklagte sieht sich selbst als Opfer
Die Angeklagte (Verteidiger: Helmut Linck) sieht sich selbst als Opfer. „Ich fühle mich manchmal verfolgt, wenn mich wildfremde Leute fotografieren.“ Sie bestreitet vehement, sich dem Fahrlehrer absichtlich zu nähern, ihn abzupassen, ihm aufzulauern. Seine Arbeitsstelle liege halt direkt auf dem für sie günstigsten Weg von ihrer Wohnung in die Innenstadt. „Ich gehe da mal in die Bäckerei und hole mir ein Frühstück, oder in der Tankstelle ein Bier. Und wenn ich ihm begegne, dann ist das halt Zufall“, beteuert die Frau.
Der psychiatrische Sachverständige Professor Albrecht Stein kann auch aufgrund der problembehafteten Lebenssituation eine verminderte Schuldfähigkeit bei der Angeklagten nicht ausschließen und empfiehlt ihr „zwingend“ eine intensive psychotherapeutische Behandlung.
Wie Staatsanwältin Knöpfle, so spricht auch Richterin Hobert am Ende von völlig fehlender Einsicht bei der Angeklagten. Diese sei unter offener Bewährung gestanden, sie habe doch Angst haben müssen, dass diese Bewährung widerrufen werde, sagt die Richterin. Die Gefängnisstrafe von einem Jahr ist noch nicht rechtskräftig. Die Frau sagte zum Schluss, es sei wohl das Beste, wenn sie aus Augsburg wegziehe.
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