Bayerns Beamte waren "an Händen und Füßen gefesselt"
War da was faul im Staate Bayern unter den CSU-Größen Franz Josef Strauß und Edmund Stoiber? Gab es eine Ausbeutung des Staates für Partei- und Privatinteressen? Von Uli Bachmeier
Von Uli Bachmeier
München - War da was faul im Staate Bayern unter den CSU-Größen Franz Josef Strauß und Edmund Stoiber? Gab es eine fortgesetzte Ausbeutung des Staates für Partei- und Privatinteressen? Und wirkt dieser Regierungsstil bis heute fort?
Die Diskussion darüber hat kein Oppositioneller angestoßen, sondern der pensionierte Finanzbeamte Wilhelm Schlötterer, der seit 34 Jahren Mitglied der CSU ist. Sein Buch "Macht und Missbrauch. Franz Josef Strauß und seine Nachfolger", das Schlötterer am Donnerstagabend in München vorstellte, sorgt für reichlich Furore. Jetzt sind im politischen München alle am Lesen. Im Raum steht die spannende Frage, ob sich in dem Buch Hinweise finden, die eine nachträgliche Untersuchung alter Skandale und Affären notwendig machen.
Das betrifft insbesondere den 1988 verstorbenen Franz Josef Strauß. Schlötterer wirft ihm vor, sein Vermögen kriminell erwirtschaftet zu haben, und fordert: "Zu prüfen wären auch die rechtlichen Möglichkeiten, von Strauß illegal erworbenes Vermögen auch heute noch einzuziehen."
Eine Antwort auf die Frage zu finden, ist mindestens so schwierig wie den Kern des Buches zu verstehen. Schlötterer hat kein Enthüllungsbuch geschrieben. Die Fakten sind über Jahrzehnte hinweg dokumentiert: in den Protokollen mehrerer Untersuchungsausschüsse zur Amigo-Affäre, zur Schreiber-Affäre, zum Landesbankdesaster, in der Berichterstattung der großen bayerischen Zeitungen, in Parlamentsdebatten. Wer dies in der Vergangenheit verfolgt hat, wird bestenfalls von der Fülle der Details überrascht, die der Autor zusammengetragen hat. Spektakulär Neues findet sich auf den ersten Blick nicht.
Neu aber ist die Perspektive, aus der der Autor die Vorgänge beleuchtet. Es ist die Perspektive eines korrekten Beamten, der von Anbeginn seiner beruflichen Karriere den Verdacht nicht los wurde, dass unter Strauß und dann auch unter seinen Nachfolgern vor dem Gesetz eben nicht alle gleich waren.
Der prominenteste Beleg dafür ist der Steuerfall Franz Beckenbauer. Schlötterer wollte ihm als Steuerfahnder auf den Leib rücken und musste erfahren, wie wenig Macht ein Beamter hat, wenn die Obrigkeit im Ministerium und in der CSU etwas anderes will. Er wurde massiv behindert und mit Strafversetzung bedroht. Erst Jahre später, als Beckenbauer selbst die Vorgänge schilderte, sollte er recht bekommen.
Ausführlich schildert Schlötterer die persönliche Bilanz seiner Aufmüpfigkeit: Versetzungen, Disziplinarverfahren, Strafanträge. Hier wird das Buch zur Anklage gegen all jene, die ihn sein Berufsleben lang diszipliniert haben - mit Strauß und Stoiber an der Spitze. Zum "Waffenarsenal" des Herrschaftssystems schreibt er: "Der Beamte ist auf sich gestellt und ist im Grunde durch beamtenrechtliche Pflichten . . . an Händen und Füßen gefesselt."
Dass der "Mythos Strauß" bis in die Gegenwart wirkt, zeigt sich für Schlötterer an Ministerpräsident Seehofer, der die Strauß-Tochter Monika Hohlmeier gegen den Willen der Basis als Europaabgeordnete für Oberfranken installiert habe und seine Ministerin Christine Haderthauer abkanzelte, weil sie Strauß nicht als Vorbild sehen wollte.
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