Korruption: Günstige Reisen für Bürgermeister aus Bayern
Ein Spielgerätehersteller lud über Jahre Rathauschefs und Amtsmitarbeiter nach Schweden ein. Nun ist der Fall so gut wie abgeschlossen, zahlreiche Geldstrafen wurden verhängt.
Die Reiseteilnehmer erinnern sich noch gerne an die Tage in Schweden. „Sehr interessant“ sei es gewesen, meint ein ehemaliger Bauamtsmitarbeiter aus dem oberbayerischen Alling. Der Altbürgermeister von Türkheim im Unterallgäu, Silverius Bihler, sagt: „Das hat positiv überzeugt.“ Beide haben im Jahr 2008 ein Schnäppchen genutzt: 450 Euro für fünf Tage Schweden. Doch die Reise hatte ein Nachspiel. Denn Organisator war der schwedische Spielgerätehersteller Hags, dessen Produkte auch auf vielen Spielplätzen in Bayern stehen. Einige Dutzend Bürgermeister gerieten so ins Visier der Ermittler.
Die Fahrten in den hohen Norden hatten durchaus ihren Reiz. Es gab eine Elchfleischverkostung und einen Grillabend. Auf einer Sightseeingtour lernten die Teilnehmer die Sehenswürdigkeiten der Stadt Göteborg kennen, der Nachbau eines historischen Schiffs wurde besucht.
Als „Informationsfahrt“ deklariert war die Reise, weil auch ein Besuch der Hags-Produktion im südschwedischen Aneby und ein einstündiger Vortrag zur Sicherheit auf Spielplätzen zum Programm gehörten. Die Staatsanwaltschaft in Augsburg, die federführend ermittelte, nahm trotzdem Anstoß an den Informationsfahrten. Die Ermittler schauten sich sechs Ausflüge in den Jahren 2004 bis 2008 genauer an.
Der Hauptkritikpunkt: Die Kosten für die Reisen ins Hochpreisland Schweden waren mit dem Betrag, den die Bürgermeister bezahlten, bei Weitem nicht abgedeckt. Etwa 1000 Euro wären als Preis realistisch, heißt es. Die Reisenden bezahlten aber nur zwischen 300 und 450 Euro. Das reichte nicht einmal für den ICE nach Kiel und die Fährfahrt über die Ostsee.
Inzwischen ist der Fall juristisch so gut wie abgeschlossen. Gegen 63 Beschuldigte – vor allem Bürgermeister kleinerer Gemeinden, aber auch einige Behördenmitarbeiter – liefen Verfahren. Der Vorwurf lautete auf Vorteilsannahme – und damit auf Korruption. Die meisten Betroffenen haben Strafbefehle, in denen ihnen Geldstrafen auferlegt wurden, akzeptiert.
Türkheims Ex-Bürgermeister Silverius Bihler erwischte es mit am härtesten. Er musste eine Strafe von 9000 Euro bezahlen. Seine Gemeinde hatte mehrere Monate nach Bihlers Schwedenreise prompt Spielgeräte bei Hags bestellt. Bihler akzeptierte die Strafe zähneknirschend. Doch er hält den Korruptionsvorwurf noch immer für übertrieben. Für ihn sei die Information im Vordergrund gestanden. „Ich muss ehrlich sagen, ich hatte kein schlechtes Gewissen“, sagt Bihler heute.
Andere Teilnehmer der Reise kamen billiger davon als der Rathauschef aus Türkheim. Das Verfahren gegen einen ehemaligen Bauamtsmitarbeiter von Alling wurde eingestellt. Der Mitarbeiter hatte sich die Reise in den hohen Norden von Bürgermeister und Gemeinderat offiziell absegnen lassen. Die Gemeinde hatte ihm die Fahrt sogar noch mit 200 Euro bezuschusst. Der Vorwurf der Bestechlichkeit war damit in seinem Fall vom Tisch. „Ich habe in Schweden viel über die Sicherheitsvorschriften für Spielplätze erfahren“, sagt er.
Ärger mit der Justiz bekam auch der „Reiseleiter“, der für Südbayern zuständige Außendienstmitarbeiter der Firma Hags. Gestern musste sich der 60-Jährige aus dem Raum Augsburg wegen Vorteilsgewährung vor dem Landgericht verantworten. Er habe mit den Schwedenreisen das „Wohlwollen der einzelnen Entscheidungsträger“ vergrößern wollen, warf Staatsanwältin Tanja Horvath dem Mann vor.
Der 60-Jährige verteidigte sich: Er habe sich keine Gedanken darüber gemacht, ob der Preis für die Reise angemessen sei. Organisiert habe das alles der deutsche Ableger von Hags – eine Firma mit Sitz in Hessen. Er habe lediglich seine Kunden eingeladen und sei auch selbst nach Schweden mitgefahren. Die Kontakte habe er auch genutzt, um später Angebote zu machen, „aber ich habe keinen Druck ausgeübt“, versicherte er. Die 9. Kammer des Augsburger Landgerichts verurteilte ihn dennoch wegen Beihilfe zur Vorteilsgewährung zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 100 Euro – insgesamt 9000 Euro. Damit wurde er zwar bestraft, die Sache steht aber nicht im Führungszeugnis. Die Grenze zur Korruption sei zweifellos überschritten worden, sagte Richter Rudolf Weigell. Als Außendienstmitarbeiter sei es für den 60-Jährigen aber schwer gewesen, sich der Firmenpolitik zu entziehen. Deshalb das relativ milde Urteil. Der Chef des deutschen Hags-Ablegers musste sich erst gar nicht vor Gericht verantworten. Das Verfahren gegen ihn wurde von der Justiz in Hessen eingestellt.
Für die Ermittler war es ein Fall mit erstaunlichen Einblicken: Während einige Bürgermeister den Gemeinderat vorab informierten, verschwanden andere nach Schweden, ohne etwas darüber zu sagen – und ohne dafür Urlaub zu nehmen. Ein mit Spielplätzen befasster Angestellter der Nördlinger Stadtverwaltung schrieb eine aufschlussreiche E-Mail an Hags. Man möge doch künftig einen anderen Außendienstler schicken, hieß es darin. Der bisherige Vertreter, gemeint war der 60-Jährige, habe nicht einmal vernünftige Werbegeschenke dabei.
Die Diskussion ist geschlossen.