Grüne in Bayern sind über Kurs in Flüchtlingspolitik gespalten
Bayerns Grüne ringen um ihren Kurs in der Flüchtlingspolitik. Landtagsabgeordnete streiten mit Kollegen aus dem Bundestag. Doch die Lösungsvorschläge bleiben im Ungefähren.
Am Ende geht der Wettstreit zwischen Pragmatismus und reiner Gesinnung bei den bayerischen Grünen denkbar knapp aus: 135 zu 123 lautet auf dem Landesparteitag in Bad Windsheim das Ergebnis bei einer Abstimmung über den Berliner Asylkompromiss, den die Grünen im Bund mitgetragen haben.
Geht man davon aus, dass die 13 Enthaltungen auch eher Skeptiker sind, die eigene Parteispitze aber nicht beschädigen wollten, dann bleibt ein klarer Schluss: Die Grünen in Bayern sind über ihren Kurs in der Flüchtlingspolitik ziemlich genau in der Mitte gespalten.
Diese bayerische Zerrissenheit spiegelt einen Konflikt wider, mit dem sich die Partei auch auf Bundesebene herumschlägt: Vor allem diejenigen bei den Grünen, die auf Landesebene oder auch in den Kommunen regieren, fordern nämlich Kompromissbereitschaft, um realistische Lösungen für die drängenden Probleme vor Ort zu ermöglichen.
Nicht wenige in der Partei, die der reinen Lehre folgen wollen, verstehen aber nicht, warum man für die Chance auf die Macht grüne Grundüberzeugungen in der Asylpolitik opfern muss: sichere Herkunftsländer auf dem Balkan, leichtere Abschiebungen, Sachleistungen statt Geld für die Flüchtlinge – der Asyl-Kompromiss sei „die schärfste Asylrechtsverschärfung der letzten zwanzig Jahre“, findet die Grünen-Landtagsabgeordnete Claudia Stamm, die den Parteitag per Antrag zur Ablehnung des Berliner Kurses auch der eigenen Landesspitze aufgefordert hatte.
Die positiven Aspekte, die die bayerische Parteispitze mühsam ins rechte Licht zu rücken versuchte, machten diese Einschnitte nicht wett, finden die Kritiker: Das Bundesgeld, das die Kommunen bei den Kosten für die Flüchtlinge entlasten soll, sei eine „schiere Notwendigkeit“, schimpfte Stamm. Und auch die angekündigte Ermöglichung einer Arbeitseinwanderung aus dem Balkan sei eher ein vages Versprechen, denn ein Einstieg in ein Einwanderungsgesetz.
Überzeugungsarbeit ist in den eigenen Reihen nicht einfach
„Die vor Ort machen die Arbeit, und wir hier haben das reine Gewissen“ – solch eine Arbeitsteilung funktioniere nicht, hielt der Bundestagsabgeordnete Dieter Janecek den Kritikern entgegen. Die einzige Verbündete für grüne Asylpolitik im Bund „ist Frau Merkel“, warnte Toni Hofreiter, bayerischer Fraktionschef der Grünen im Bundestag: „Deshalb ist es entscheidend, dass wir in diesen harten Zeiten zusammenhalten.“
Dass die Grünen aus den Ländern im Bundesrat dem Asyl-Kompromiss zustimmten, die Bundestagsabgeordneten sich bei den kritischen Fragen aber enthielten, machte die Überzeugungsarbeit in den eigenen Reihen nicht leichter: „Wegducken zählt nicht, deshalb haben wir uns enthalten“, versuchte sich die schwäbische Grünen-Abgeordnete Ekin Deligöz (Neu-Ulm) an einer Erklärung. „Ich sehe eine Enthaltung nicht als klare Position“, gab die Passauer Delegierte Maria Klein unter großem Applaus zurück.
Bei so viel emotionaler Aufladung blieb nicht mehr viel Raum für Sachdebatten. In einem Papier „für eine menschliche Flüchtlingspolitik“ fordern die bayerischen Grünen zwar unter anderem mehr Ankunftszentren für Flüchtlinge, auch durch die Bereitstellung von Landes-Immobilien oder deutlich mehr Geld für neue Wohnungen und Bildung. „Wir Grüne geben die Antwort, wie wir die Probleme lösen können“, forderte auch der Miltenberger Landrat Jens Marco Scherf. Wie genau diese Antworten lauten könnten, blieb auf dem Parteitag allerdings meist im Ungefähren.
Klarheit herrscht bei Bayerns Grünen dagegen in der vehementen Ablehnung des Asylkurses der Seehofer-Regierung: „Die CSU will keine sachliche Debatte, sondern Stimmung gegen Flüchtlinge schüren, um Stimmen am rechten Rand zu gewinnen“, schimpfte der Grünen-Landeschef Eike Hallitzky, dessen Co-Vorsitzende Sigi Hagl in Bad Windsheim im Amt bestätigt wurde.
„Die CSU führt uns ins politische, moralische und menschliche Nirwana“, glaubt auch die bayerische Ur-Grüne Claudia Roth. Um die „bleierne Dominanz der unsäglichen CSU zu beenden“, dürften sich Bayerns Grüne deshalb nie selbst der Gegner sein, forderte Landeschef Hallitzky interne Disziplin ein: „Denn unser Gegner ist immer die CSU.“
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