"Vertrauliche Geburt": Schwanger – und keiner soll es wissen
Ein neues Gesetz ermöglicht es Frauen, ihr Kind anonym auf die Welt zu bringen. Mit dem Herkunftsnachweis der „Vertraulichen Geburt“ geben sie ihm aber eine Identität.
„Baby im Gebüsch ausgesetzt, Polizei fahndet nach der Mutter.“ Nachrichten wie diese rütteln immer wieder auf. Unlängst stand in Hof in Oberfranken eine Frau vor Gericht, die ihre zwei Kinder verhungern ließ und die Leichen im Garten vergraben hat. Deutschlandweit werden jährlich 25 bis 30 Kinder direkt nach der Geburt ausgesetzt oder getötet. Wie verzweifelt die Mütter gewesen sein müssen, weiß niemand. Hinter diesen Taten stecken traurige Schicksale.
Wer eine Schwangerschaft selbst vor den engsten Angehörigen verheimlicht, hat große Angst. Sei es aus familiären, kulturellen oder religiösen Gründen. Die Schwangerenberatungsstellen wissen, wie groß die Not sein kann. Das erleben die Mitarbeiterinnen in ihrer täglichen Praxis. Es gibt auch Frauen, die ihre Schwangerschaft bis kurz vor der Geburt verdrängen, sagt Christine Dehne vom Gesundheitsamt Augsburg. Der Gesetzgeber hat jetzt eine Möglichkeit geschaffen, die es schwangeren Frauen erlaubt, in Notsituationen anonym bleiben zu können: Die „Vertrauliche Geburt“ soll ihnen den Weg in eine Beratungsstelle erleichtern und verhindern, dass Neugeborene ausgesetzt oder im schlimmsten Fall getötet werden.
Die Schwangerenberatungsstellen in Augsburg, in den Landkreisen Augsburg, Aichach-Friedberg, Dillingen und Donau-Ries haben einen Arbeitskreis gegründet und wollen die „Vertrauliche Geburt“ bekannt machen. Ein erster Schritt ist getan: Die extra geschulten Fallmanagerinnen luden Vertreter von Geburtskliniken, Hebammen, Ärzte, Standesämter und Adoptionsvermittler zum Netzwerktreffen ein. Auch die Rettungsleitstellen sollen einbezogen und informiert werden.
Schwangere sollen frühzeitig Beratung suchen
Die anonyme Geburt gibt es bereits. Kliniken richteten in den letzten Jahren sogenannte Babyklappen ein, wo Neugeborene abgelegt werden können. Sie haben allerdings den Nachteil, dass die Schwangere ohne ärztliche Hilfe entbindet – ein Risiko für Mutter und Kind. Das neue Gesetz ermöglicht nun eine optimale medizinische und psychosoziale Versorgung. Voraussetzung ist, dass die Schwangere eine Beratungsstelle aufsucht – und das möglichst frühzeitig. Wenn sie ihren Name nicht preisgeben will, sucht sie sich ein Pseudonym aus, sagt Elke Gropper-Schumm von Pro Familia. Von nun an kann sie anonym betreut werden. Zur Seite steht ihr immer eine Beraterin, die sie zum Arzt oder in die Klinik begleitet, wo sie ihr Kind geschützt zur Welt bringen kann.
Die „Vertrauliche Geburt“ hat nicht nur psychosoziale und medizinische Vorteile: Die Frau kann ihrem Kind eine Identität geben. Den sogenannten Herkunftsnachweis. Unter ihrem Pseudonym hinterlässt sie in einem verschlossenen Kuvert ihren Namen, ihr Geburtsdatum und die Anschrift. Auch wichtige Informationen über den Vater oder Krankheiten in der Familie kann sie darlegen. Das Dokument wird beim Bundesamt für Familie und zivilrechtliche Angelegenheiten hinterlegt. Der Umschlag darf von Sohn oder Tochter nach Vollendung des 16. Lebensjahres eingesehen werden, wenn nicht schwerwiegende Gründe der Mutter dem entgegenstehen.
Die schwangere Frau darf von einer Klinik nicht abgewiesen werden. Die „Vertrauliche Geburt“ schafft Rechtssicherheit. Das gilt auch für das Team des Rettungswagens. Sie muss behandelt werden, ohne eine Gesundheitskarte vorzulegen. Die Kostenübernahme ist nun geregelt. Es zahlt der Staat. „Die Netzwerkpartner sind froh, dass es uns gibt“, sagt Inge Christensen (Sozialdienst Katholischer Frauen).
Das Gesetz trat im Mai 2014 in Kraft. Deutschlandweit gab es seither rund 50 „Vertrauliche Geburten“. Die Zahl erstaunt Gundi Ott-Bauer (Donum Vitae). Sie hofft, dass die Werbekampagne der Beratungsstellen Erfolg hat und die Möglichkeit der „Vertraulichen Geburt“ in der Gesellschaft schnell bekannter wird. In Nürnberg beispielsweise gibt es Plakate in öffentlichen Verkehrsmitteln, und auch auf Autobahnraststätten sind sie zu sehen. "Kommentar
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