S-Bahn-Gefühl mit 140 Sachen
"Ist das etwa mein Zug?", fragt eine Reisende fast fassungslos als sie im Bahnhof vor dem knallroten Triebwagen steht. Der hat so gar nicht viel gemeinsam mit den herkömmlichen Zügen, die sonst auf der Regio-Strecke rund um Augsburg sind.
Der "Neue" ist ein "Verwandter" der Münchner S-Bahn. Und das sieht und merkt man, wenn der Triebwagen der Baureihe ET 425 mit einer Leichtigkeit beschleunigt. Wo bei den herkömmlichen Zügen die Lok richtig arbeiten muss, erreicht er in Sekundenschnelle seine derzeitige Höchstgeschwindigkeit von 140 Kilometern in der Stunde. Kein Wunder - ist der Flitzer doch viel leichter als seine älteren Kollegen.
Seit Mitte Juni sind zwei der neuen Züge im Einsatz. Sie verkehren auf den Trassen Richtung Donauwörth, Günzburg und Geltendorf. Im Dezember kommen weitere fünf dazu. "Wir wissen, dass der Augsburger Raum immer ein wenig benachteiligt wurde", sagt Bahnsprecher Franz Lindemair fast entschuldigend anlässlich dieser "guten Tat" der Bahn.
Neu sind die Züge allerdings nicht. Sie waren bisher Richtung Garmisch-Partenkirchen unterwegs. Dort hätten sie sich allerdings nicht bewährt. Der Grund ist der starke Ausflugsverkehr in der Gegend. Die Züge waren schnell voll. Zwar können bis zu drei Züge aneinander gekoppelt werden, doch schon bei einem Zugpaar ist die Energiebilanz negativ, wie Antonia von Bassewitz erklärt. Sie ist für den Regioverkehr in Bayerisch-Schwaben zuständig. Das heißt, in diesen Fällen sind die aus den 60er und 70er Jahren stammenden herkömmlichen Züge oder die Doppelstockwagen günstiger.
Aber zurück zum neuen Zug im Augsburger Land. Am Führerstand sitzt heute Franz Gansenmüller. Sieben Tage wurde der Donauwörther auf dem neuen Gerät geschult. Stolz blickt er auf sein Cockpit mit moderner Technik. Dass er trotzdem an jeder Station aufsteht und einen "Serviceblick" auf den Bahnsteig wirft, wirkt richtig altmodisch.
Auf die Frage, was denn das Schönste an dem neuen Zug sei, antwortet er ganz spontan: "Die Klimaanlage". Das sehen die Passagiere ähnlich. "Gleichbleibende Temperatur, kein Zug durch offene Fenster, das ist ideal", freut sich Hildegard Bergmüller aus Langweid. Und Maria Eß aus Bäumenheim, die auf dem Weg nach Augsburg ist, traute ihren Augen nicht, als sie den Zug bestieg: "Ich dachte ich bin in der ersten Klasse gelandet." Blau karierte Sitze, viel helles Holz und jede Menge Glas prägen die Optik der neuen Schmuckstücke. Die Abteile sind hoch und luftig.
Ist der Lokführer bei herkömmlichen Zügen auf seiner Maschine für die Reisenden unerreichbar, sitzt er im Triebwagen hinter einer Glastür. Per Gegensprechanlage kann jederzeit mit ihm Kontakt aufgenommen werden. Das klingt gut, hat aber Konsequenzen. Die Bahn denkt daran, die Zugbegleiter abzuschaffen. "Nicht überall, aber auf den Strecken, wo kein Beratungsbedarf herrscht", so der Bahnsprecher. Die Trasse Augsburg-Donauwörth gehört für ihn dazu. Es ist eine klassische Pendlerstrecke.
Noch gibt es aber die guten Geister im Zug wie Steffen Lembke. Auch er lobt das neue Gefährt - besonders die Klimaanlage, die ihm die Arbeit erleichtert. Fast lautlos gleitet der ET 425 durch die Landschaft. Er ist als Regionalbahn unterwegs und hält deshalb "an jeder Milchkanne". An diesem Ferientag sind die Passagiere rar gesät. In Gersthofen ist der Bahnhof verwaist. In der Tristesse der Station wirkt der rote Zug wie ein Gruß aus der Großstadt. In Westendorf lässt sich Brigitte Hopp in die blauen Polster fallen. Sie weiß als Pendlerin, wie es zugehen kann, wenn nicht die halbe Bevölkerung im Urlaub ist: "So schön der Zug ist, aber zu den Stoßzeiten wird es richtig eng."
Raucher haben bei der Bahn schlechte Karten. Gibt es den blauen Dunst in den Doppelstockwagen noch, herrscht hier absolutes Rauchverbot. "Wir möchten das überall im Regio-Verkehr einführen", sagt Franz Lindemair, während er zusieht, wie Lokführer Gansenmüller seinen Zug einfach rollen lässt. Energiesparen ist angesagt.
Vor Gersthofen wechselt der Lokführer plötzlich das Gleis, es geht auf der eigentlich falschen Seite Richtung Augsburg. Ein Intercity Express rauscht mit hohem Tempo vorbei, dann noch einer. Überholgleise gibt es ja zwischen Augsburg und Donauwörth noch nicht. Und damit ist die Diskussion beim Regio-Schienen-Takt angelangt. Wann es endlich grünes Licht für die regelmäßige Verbindung im 15-Minuten-Takt gibt, steht in den Sternen. Mit dem Triebwagen gibt es aber schon so etwas wie ein S-Bahn-Gefühl im Augsburger Land.
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