Witzig oder rassistisch?
Der Kalender der Polizeigewerkschaft sorgt für Ärger. Die darin enthaltenen Karikaturen sind umstritten. „Geschmacklos“, sagen die einen, „polizei-üblicher Humor“, meinen andere.
Ein Farbiger mit ausgesprochen dicken, roten Lippen wird von einem Polizisten festgehalten. Er wehrt sich und schreit: „Was heiß’ hie’ Ve’dunklungsgefah’...?!“ Diese Zeichnung ist auf dem Märzblatt des aktuellen Kalenders der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) zu sehen.
Ist das noch witzig oder schon rassistisch? Eins steht fest: Bei der bayerischen Polizei ist erst einmal Schluss mit lustig. Denn die Karikaturen haben eine Welle der Empörung ausgelöst. Kritiker sagen: Die Zeichnungen ziehen Ausländer, Alte und Selbstmörder ins Lächerliche. Die Polizeigewerkschaft sagt: Es werden lediglich Situationen des Polizeialltags überzeichnet und unterliegen der künstlerischen Freiheit.
Die Polizeiführung scheint auf der Seite der Kritiker zu stehen: Die Präsidien haben ihren Dienststellen empfohlen, den Kalender nicht mehr aufzuhängen. Bereits gestern hatte der Münchner Polizeipräsident Wilhelm Schmidbauer diese Anweisung an seine Dienststellen herausgegeben. Auch im Polizeipräsidium Schwaben-Nord in Augsburg möchte man die problematischen Zeichnungen nicht an der Wand sehen. Polizeisprecher Hieronymus Schneider glaubt jedoch ohnehin nicht, dass er in vielen Dienststellen zu finden sei. „Ich hab ihn bei uns nirgends gesehen.“ Es handele sich jedoch um kein Verbot und werde somit weder kontrolliert noch sanktioniert.
Die SPD-Landtagsfraktion fordert ein Machtwort der Staatsregierung: Die Kalender müssen auf jeden Fall verschwinden. Nach Ansicht der SPD, so Sprecherin Gudrun Rapke, schädigen die Zeichnungen den guten Ruf der bayerischen Polizei: „Die darin enthaltenen Karikaturen sind ausländerfeindlich und menschenverachtend.“ Die Grünen und Amnesty International sagen, dass „Alltagsrassismus“ nicht geduldet werden dürfe.
Im bayerischen Innenministerium distanziert man sich ebenfalls von den umstrittenen Karikaturen. Sprecher Oliver Platzer betonte, dass der Kalender von der Gewerkschaft gestaltet und herausgegeben werde – nicht vom Ministerium. Den Polizeipräsidenten sei freigestellt, wie sie mit dem Kalender verfahren möchten. 3000 Exemplare sind bereits verteilt worden. Es sei schwierig, ihn zu verbieten. „Aber gutheißen tun wir das natürlich nicht.“ Die Problematik sei jedoch intern seit einiger Zeit bekannt. „Wir haben die Präsidenten bereits im Dezember darauf hingewiesen und sie dafür sensibilisiert.“ Als „Schauveranstaltung“ hingegen bezeichnet der bayerische Landesvorsitzende der DPolG, Hermann Benker, die Reaktion der Polizeiführung. Erst seitdem die Presse darüber berichte, bezögen die Verantwortlichen Stellung. Überhaupt versteht Benker die Kritik nicht und verweist auf den bei der Polizei üblichen Sarkasmus. „Bei dem, was unsere Kollegen jeden Tag durchmachen müssen, entwickelt sich Galgenhumor.“ Der Kalender sei eine Art Ventil, um mit der Arbeitsbelastung klarzukommen. Ein Polizist, so Benker, weiß, wie es gemeint ist. Für Außenstehende war der Kalender nie gedacht. Die Gewerkschaft wolle damit niemanden verletzten oder diskriminieren.
Allerdings kann der Landesvorsitzende dem Wirbel etwas Positives abgewinnen. „Ich bin fast ein bisschen stolz.“ Denn mit der Diskussion rücken die Missstände bei der Polizei wieder in den Fokus.
Als Beispiel erklärt Benker die August-Zeichnung. Darauf zu sehen: ein Selbstmörder und ein Polizist, der sagt „Jetzt spring doch, du Idiot, ich hab noch anderes zu tun!“ Gemeint sei damit, dass die Polizei so überlastet ist und nur noch von einem Einsatz zum nächsten hastet, sodass für das Essenzielle zu wenig Zeit bleibt. (mit dpa)
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