Zugspitz-Gletscher ist nur noch eine Illusion
80 Zentimeter Neuschnee auf dem Zugspitzplatt sorgen für eine Illusion: Scheinbar stattlich liegt der Gletscher da. Doch der Schein trügt. Vom einst prächtigen Nördlichen Schneeferner ist nur ein kümmerlicher Rest übrig.
Von Winfried Züfle
Garmisch-Partenkirchen. 80 Zentimeter Neuschnee auf dem Zugspitzplatt sorgen für eine Illusion: Scheinbar stattlich liegt der Gletscher da. Aber die Mitarbeiter der Umweltforschungsstation auf Deutschlands höchstem Berg räumen rasch mit dem falschen Eindruck auf.
"Erst da, wo Sie den Schotter sehen, fängt der Gletscher an", sagen sie. Das ist ziemlich weit oben. Vom einst prächtigen Nördlichen Schneeferner ist in Wahrheit nur ein kümmerlicher Rest übrig.
Der neue bayerische Umweltminister Markus Söder (CSU) hat für einen seiner ersten Auftritte im neuen Amt das spektakuläre Ambiente gewählt. "Die Auswirkungen des Klimawandels", so erläuterte er gestern auf der Zugspitze, "sind in den Alpen am deutlichsten zu spüren." In den letzten Jahren seien die Temperaturen dort doppelt so stark gestiegen wie im Rest Deutschlands, in Bayern wachse die Gefahr, dass Felswände einstürzen und Hänge ins Rutschen kommen. Davon seien Straßen und Siedlungen bedroht.
Söder, der einstige CSU-Generalsekretär, nutzt dies umgehend zu einer Attacke auf die Bundesregierung. Für die Erforschung des Klimawandels an den Küsten gebe es viel Geld aus Berlin, es sei jetzt aber höchste Zeit, dass auch die wissenschaftliche Beschäftigung mit den Veränderungen im Alpenraum aus dem Bundeshaushalt stärker bezuschusst werde. "Die Alpen sind der Regenwald Europas", sagt Söder. Dass sich Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) schon auf dem 2962 Meter hohen Berg umgesehen hat, weiß der Bayer. "Aber der war nur zum Wandern da."
Dem neuen bayerischen Umweltminister wurden gestern erste Resultate eines Forschungsprojekts des Landesamts für Umwelt (LfU, Augsburg) präsentiert. Die Bohrung quer durch den Bergstock unterhalb des Zugspitzgipfels, mit deren Hilfe Temperaturveränderungen sowie Verformungen im Fels gemessen werden, hat sogar beruhigende Ergebnisse gebracht: Der Dauerfrost (Permafrost) im Fels taut bisher nur wenige Meter an der Oberfläche, nicht in der Tiefe - der Gipfelaufbau der Zugspitze ist also stabil.
Andere Teams in der Umweltforschungsstation Schneefernerhaus beschäftigen sich mit der Messung des Wassergehalts in der Atmosphäre oder den Temperaturen 87 Kilometer über dem Erdboden. Dort verlängert sich der Sommer jedes Jahr um einen Tag - wie auf der Erdoberfläche. Die Forscher wollen mit ihren Daten sogar bei der Tsunami-Warnung helfen.
Das spektakulärste Beobachtungsobjekt ist jedoch der Schneeferner. Er schmilzt vor den Augen der Forscher weg, in 20 Jahren gibt es ihn wohl nicht mehr. An einem einzigen heißen Sommertag verliert der Gletscher 35 Millionen Liter Wasser - dies entspricht dem Tagesbedarf der Großstadt Augsburg.
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