Der Kampf um 950.000 Unterschriften
Ein breites Bündnis setzt sich für die Abschaffung der Studiengebühren in Bayern ein. Baden-Württemberg hat vorgemacht, wie es funktionieren kann: mit einem finanziellen Ausgleich.
Es sind sechs Parteien – darunter die gesamte Opposition im Landtag. Es sind aber auch Gewerkschaften, Bildungs-, Jugend- und Sozialverbände. Sie alle verfolgen ein gemeinsames Ziel: die Abschaffung der Studiengebühren in Bayern. Ihr Bündnis mit mehr als 20 Organisationen soll dem Volksbegehren im Freistaat zum Erfolg verhelfen. Nächsten Donnerstag beginnt die zweiwöchige Eintragungsfrist. Damit es überhaupt zu einem Volksentscheid kommen kann, sind etwa 950 000 Unterschriften nötig. Das entspricht zehn Prozent der Stimmberechtigten im Freistaat.
Neue Schulden in Kauf genommen
Die Grünen treten Befürchtungen entgegen, dass es schlecht ums Studium in Bayern bestellt ist, wenn erst einmal die Studiengebühren fehlen. Die summieren sich hierzulande auf 180 Millionen Euro. Gestern reiste Grünen-Landesvorsitzende Theresa Schopper mit ihrer Parteikollegin und baden-württembergischen Wissenschaftsministerin Theresia Bauer nach Augsburg und München, um zu demonstrieren, wie es geht.
Unter Bauers Ressortverantwortung sind im Südwesten die Studienbeiträge abgeschafft worden. Seit fast einem Jahr müssen die etwa 335 000 Studierenden nicht mehr bezahlen. „Wir haben Wort gehalten und konnten auch die Ängste der Hochschulen zerstreuen“, sagte Bauer im Gespräch mit unserer Zeitung. Das Land habe den finanziellen Ausgleich übernommen und dafür auch in Kauf genommen, wieder neue Schulden zu machen.
Doering-Manteuffel: "Wir brauchen eine volle Kompensation."
Als Berechnungsgrundlage dienten die letzten beiden Jahre, in denen die umstrittenen Beiträge erhoben wurden. Mit allen Ausnahmen und Befreiungen sind Bauer zufolge insgesamt 56 Prozent der möglichen Studiengebühren kassiert worden. Umgerechnet bedeutet dies für Baden-Württemberg: Die Hochschulen bekommen fortan für jeden Studierenden 280 Euro pro Semester.
Ein Modell, mit dem Sabine Doering-Manteuffel keineswegs zufrieden ist. „Egal wie das Volksbegehren ausgeht: Wir brauchen eine volle Kompensation“, sagt die Präsidentin der Universität Augsburg (18 300 Studierende). 280 Euro, die in Baden-Württemberg pro Studienplatz gezahlt würden, reichten nicht aus.
Hunderte Verträge werden nicht verlängert
Im Haushaltsjahr 2011 hatte die Universität elf Millionen Euro zur Verfügung, die „mit vollstem Einverständnis der Studierenden“ eingesetzt wurden: So wurde Studienliteratur für 500 000 Euro angeschafft, die Öffnungszeit der Bibliothek verlängert, das Rechen- und das Sportzentrum besser ausgestattet und es wurden „eine Reihe befristeter Stellen geschaffen“. Würden die Mittel nicht mehr zur Verfügung stehen oder erfolge nur ein geringerer finanzieller Ausgleich, bekommen das die Fakultäten laut Doering-Manteuffel „in negativer Form stark zu spüren“.
Die Präsidentin fordert von der Politik „in den nächsten Wochen tragfähige Entscheidungen, damit auch wir Planungssicherheit haben“. Derzeit werden – von Hilfskräften bis zum wissenschaftlichen Mitarbeiter – zum 1. Oktober auslaufende Verträge nicht mehr verlängert. „Davon sind hunderte Stellen betroffen.“
"Für nicht so gut ausgestattete Familien nur schwer zu tragen."
Initiatoren des Volksbegehrens sind die Freien Wähler. Dessen Generalsekretär, Michael Piazolo, sagt, warum mit Bayern eine der letzten Bastionen fallen soll, die an den Studienbeiträgen festhält. „Es ist ungerecht, warum Studierende in Bayern und Niedersachsen zahlen sollen, in anderen Bundesländern aber nicht.“ Für Piazolo, selbst Hochschullehrer, sind 500 Euro Gebühren pro Semester eine Größenordnung, die für „nicht so gut ausgestattete Familien nur schwer zu tragen sind“. Ein Studium dürfe aber nicht vom Geldbeutel der Eltern abhängen. Gute Lehrbedingungen zu schaffen, „ist eine „Staatsaufgabe“.
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