Nach dem Unwetter fordern Betroffene eine aufnahmefähigere Kanalisation
In Friedberg und Wulfertshausen sammeln Opfer von Wasserschäden Unterschriften. Sie sagen: Der Kanal ist zu klein. Der Bürgermeister macht ihnen wenig Hoffnung.
Sonja Veit steckt das Unwetter immer noch in den Knochen: Der Keller des erst sechs Jahre alten Hauses war überschwemmt, vollgesogene Rigipswände müssen raus, im Hof steht ein Container, voll mit Schachteln, Kleidung, Bodenbelägen, obenauf ihr iMac-Computer, nur noch Schrott. Arbeiten kann die Grafikerin aus Friedberg-Ost deshalb gerade nicht. "Es ist eine Katastrophe", sagt sie. In der Nachbarschaft sei es noch schlimmer: Dort sei der Keller voller Fäkalien gewesen, zum vierten Mal in drei Jahren. Die Ursache sieht sie in der Kanalisation. Deshalb sammelt Veit Unterschriften – in ihrem Viertel, aber auch im ebenfalls stark betroffenen Wulfertshausen. Das Ziel: ein Kanalausbau sowie ein eigener Kanal für Oberflächenwasser.
An dem Samstagnachmittag flutete das Wasser in einem Schwall über die Wulfertshauser Straße auf ihr Grundstück, drückte gegen die Kellerfenster. Obwohl diese modernen Normen entsprechen, brach sich die Wassermenge dort Bahn. Gleichzeitig kam Wasser aus dem Abfluss der Dusche. 15 Zentimeter hoch stand es im Keller.
Nachbarn eilten mit einer Poolpumpe zu Hilfe, Veits selber schoben das Wasser mit Gartengerät und Yogamatte hinaus, alles, was zur Hand war. Zwei Stunden später schaffte es eine der überlasteten Wehren, den Rest abzupumpen. Die Tage danach rissen Veits den Boden heraus, füllten den Container, telefonierten nach Handwerkern. Derweil brummen die Bautrockner und fressen Strom. Und Sonja Veit hat Angst vor dem nächsten Unwetter: "Wir haben in Holzständerbauweise gebaut, wenn es die mal feucht wird, was dann?" Man habe den Bau korrekt nach den Vorgaben der Stadt abgewickelt, das Grundstück ist voller Drainagen. Doch keiner habe sie auf die Gefahr hingewiesen, die von außen droht.
Friedbergerin hat Online-Petition gestartet und Unterschriften-Listen ausgelegt
Jetzt fühlt sie sich alleingelassen, von der Verwaltung, deren Mitarbeiterin mehr oder weniger mit Schulterzucken reagiert habe. Vom Bürgermeister, der sich auf Mails tagelang nicht gemeldet habe. Also hat sie gehandelt, sammelt Unterschriften, deren Listen unter anderem bei der Bäckerei Schwab Am Haferfeld ausliegen, hat eine Online-Petition bei openpetition.de gestartet. Die Friedbergerin fordert eine Aufrüstung des alten Kanals, der zu klein sei für die vielen Häuser, die im Laufe der Jahrzehnte gebaut wurden, einen eigenen Regenwasserkanal und Maßnahmen nach dem Schwammstadt-Prinzip: weniger Versiegelung, mehr Grünflächen, die Wasser aufnehmen können.
Dass der Kanal auch in Wulfertshausen das Problem ist, bestätigt Walter Foellmer. "Wir liegen relativ hoch, ich dachte, da kann nichts passieren", sagt er. Doch das Wasser kam aus allen Gullys im Untergeschoss, außerdem aus dem WC. Wulfertshausen ist einer der am stärksten gewachsenen Stadtteile. Als Foellmer 1972 hierherzog, hatte es 750 Einwohner, jetzt sind es 2400. Bis 1978 war es eigenständige Gemeinde – da habe niemand so vorausschauend geplant, vermutet der 81-Jährige. Er weiß, wie aufwendig ein neuer Kanal wäre. Doch im Bereich Jägerfeldstraße, wo es früher erhebliche Probleme gab, habe man die Maßnahme durchgeführt – mit Erfolg.
Bürgermeister Roland Eichmann kann von Wasserschäden geplagten Bürgerinnen und Bürgern jedoch wenig Hoffnung machen. Auf Anfrage unserer Redaktion teilt er mit: "Fakt ist, dass es sich bei dem Unwetter um ein Starkregenereignis gehandelt hat, gegen das bauliche Maßnahmen in einem vertretbaren Umfang kaum helfen können. Wie groß der Kanal sein muss, der ein dreijähriges Starkregenereignis (aktuell rechtlich vorgeschrieben) bewältigt, um ein 30- bis 50-jähriges Starkregenereignis wie zuletzt zu bewältigen, können Sie sich bei den Dimensionen sicher vorstellen." Das würde die Niederschlagsgebühr für die Bürgerinnen und Bürger in schwindelerregende Höhen treiben.
Allerdings erstellen die Stadtwerke im Vorfeld des geplanten Baugebiets "Anton-Heinle-Straße" an der Lechleite ein Gutachten über die Leistungsfähigkeit der Kanalisation im Bereich der Siedlung-Ost. Ähnliches gelte für Wulfertshausen. Die Situation dort werde geprüft, erste Ergebnisse erwartet Eichmann Mitte Oktober. "Ich fürchte aber, dass der Klimawandel solche Starkregenereignisse häufiger mit sich bringt und die über Jahrzehnte entstandene städtische Infrastruktur, die damaligen Vorschriften entsprochen hat, das nicht abpuffern können wird."
Wasserschäden: Die kleinen Kanäle in Friedberg-Ost reichen nicht
Das fürchtet auch Helmut Schreiner, Vorsitzender der Siedlergemeinschaft Pius Häusler. Er zog als Bub mit seinen Eltern in die Simpertstraße und erinnert sich noch, wie der Kanal hier gebaut wurde, nämlich in Eigenregie von den Siedlern der ungeraden Hausnummern – nach städtischen Vorgaben, um Baukosten zu senken. Dahinter lag freies Feld. "Der Kanal war nur für neun Häuser gedacht." Als Friedberg-Ost wuchs, seien alle Baugebiete an die kleinen Kanäle in der Simpert-, Baumann und Fuchsbergerstraße angeschlossen worden. Natürlich sei das zu viel. Das Hauptproblem sieht Schreiner jedoch in der Wulfertshauser Straße. Er sei zu klein, das führe zu Rückstau. "An dem Samstag schoss es aus dem Kanaldeckel wie aus einem Springbrunnen."
Und Wasserschäden gibt es ihm zufolge längst nicht allein bei extrem starken Regenfällen wie am 26. August. Schreiner erfasst daher dieses Mal die Schäden in der Siedlung. Allein in der Simpertstraße seien von 18 Häusern mindestens zehn betroffen.
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