Lady Gaga und 50 Cent: Ein Diskobetreiber packt aus
Ex-PM-Chef Ralf Dreier über Stars, die Jugend von heute und strenge Auflagen
Lady Gaga hat ihn schon am Arbeitsplatz besucht, ebenso der Rapper 50 Cent, und – kreisch! – der Bachelor Paul Janke. Ralf Dreier aus Babenhausen hat dort gearbeitet, wo junge Leute Spaß haben, tanzen und feiern bis in die Morgenstunden. Seit 1992 war er zusammen mit seinem Geschäftspartner Marcel Reicheneder Chef der Diskothek PM in Untermeitingen – 2000 Quadratmeter groß. Die Gäste kommen bis aus Füssen, Dillingen und den Münchner Vororten. Jetzt hat Dreier sich aus dem Geschäft zurückgezogen. Er hat einen Traumjob aufgegeben – oder?
„Gäbe es die vielen Auflagen der Ämter nicht – und auf manchen Zwischenfall hätte ich auch verzichten können – dann wäre es durchaus ein Traumjob“, bestätigt er. Mit Zwischenfällen meint er Alkoholexzesse und Aggressionen. „Jugendliche verlieren den Respekt vor Menschen“, meint er. Früher hätte sich niemand getraut, sich mit einem Türsteher anzulegen. Heute sei „Türsteher provozieren“ ein Volkssport. Dreier spricht von einer „Verrohung“ der Gesellschaft. „Auf jedem Handy können heute schon Elfjährige ein Ballerspiel spielen“, beschreibt er. In der Realität werde dann noch nachgetreten, wenn der Gegner schon am Boden liegt.
Auch die Mädchen trinken inzwischen viel
Kritisch sieht er auch den Alkoholkonsum vieler Jugendlicher: „Früher war es ein Kasten Bier, heute muss es die Pulle Schnaps sein.“ Als negative Nebenerscheinung der Emanzipation sieht Dreier, dass heute nicht nur die Jungs mal einen über den Durst trinken, sondern auch die Mädchen. Dreier ist selbst Vater einer zwölfjährigen Tochter. Wenn er daran denkt, dass auch sie bald ausgehen wird, schlägt er die Hände vors Gesicht – aber mit einem Augenzwinkern. Er sagt: „Ich versuche, sie so gut es geht zu erziehen.“ Manche Eltern würden ihren Erziehungsauftrag aber nicht ganz so ernst nehmen, meint er.
Und am Schluss sei immer der Gastronom der Schuldige. Obwohl es manchmal gar nicht so leicht sei, die Menschen vor der eigenen Unvernunft zu schützen. „Wenn die Bedienung einem Betrunkenen keinen Alkohol mehr gibt, bestellt ihm halt der Kumpel was.“ Zudem würden einige junge Leute bereits betrunken in die Disco kommen. Das sogenannte Vorglühen – also bereits zu Hause Alkohol zu konsumieren – sei weit verbreitet.
Auch im PM gab es „Ein-Euro-Partys“
Andererseits gab es natürlich auch im PM „Ein-Euro-Partys“. Dazu sagt Dreier: „Ich verkaufe Getränke auch lieber zu einem normalen Preis. Aber wir sind hier in Schwaben.“ Ein Disco-Betreiber habe nie das Ansinnen, die Gäste abzufüllen, betont er. Doch er müsse sich gegen die günstigen Vereinsheime, „Dorffeschtle“ und vor allem die Buden behaupten – damit meint Dreier Bauwägen und Hütten, die Jugendliche in Eigenregie betreiben – „Schwarzgastronomie“. Seit dieser Trend aufgekommen ist, würden immer mehr Diskotheken sterben. Auch die Auflagen der Ämter werden immer schärfer. „Kürzlich habe ich über 45000 Euro in Brandschutzmaßnahmen investiert.“
Um zu überleben, müssen er und sein Kompagnon die Lokalität jede Woche neu erfinden. „Wir haben uns Veranstaltungen einfallen lassen, da haben sich so manchem Ordnungsbeamten die Haare gesträubt“, sagt Dreier schmunzelnd. Im Nachhinein habe sich die Aufregung aber meist schnell wieder gelegt. Zum Beispiel die „Pulleralarm-Party“: Alle Getränke sind frei, bis der erste Gast auf die Toilette muss. Teilweise seien solche Ideen sogar abgekupfert worden.
Natürlich müsse ein Disco-Betreiber auch immer am Puls der Zeit sein. Wer gerade „in“ ist, wird eingeladen. Zum Beispiel der Bachelor Paul Janke. „Da herrschte Ausnahmezustand im PM. Ich habe noch nie so viele kreischende Frauen gesehen. Mir haben gleich die Ohren wehgetan.“ Erstmals habe er einen Star evakuieren müssen – weil die Frauen die Absperrung weggeschoben hatten.
50 Cents Fahrer war plötzlich verschwunden
Anekdoten von Stars erzählt Dreier nicht ohne Stolz: Als zum Beispiel der Rapper 50 Cent zu Gast war und dessen Manager in den frühen Morgenstunden feststellen musste, dass alle Fahrer des Teams einfach gegangen waren. Sein Kompagnon, einige Mitarbeiter und er selbst hätten natürlich ausgeholfen und alle ins Hotel gebracht.
Dann kommt Dreier doch noch ins Schwärmen über seinen Beruf. Er habe viele schöne Momente erlebt – wenn die Leute Spaß haben, eine Polonaise durch den Laden machen. „Und man bleibt immer am Puls der Zeit.“ Deshalb will Dreier auch das Ruder nicht ganz aus der Hand geben. Er wird seinem Nachfolger Stefan Egger und seinem bisherigen Geschäftspartner Reicheneder beratend zur Seite stehen.
Ausschlaggebend, dass er sich von der vordersten Front zurückzieht, war ein Termin beim Arzt. Zwar habe sich der Verdacht einer schweren Krankheit zum Glück nicht bestätigt, aber Dreier sagt: „Ich muss nicht der reichste Mann auf dem Friedhof sein.“
Früher sei es für ihn zum Beispiel kein Problem gewesen, nachts zu arbeiten. Doch mittlerweile strenge es ihn an, von 19 Uhr bis 9 Uhr morgens drei Nächte nacheinander im Dienst zu sein. Und Dreier sagt: „Ich bin jetzt 46 Jahre alt. Jugendliche sprechen einfach eine andere Sprache.“
Die Diskussion ist geschlossen.