Jonas Werner hat sich von Sieg zu Sieg gerechnet
Der 17-jährige ist in Mathe ein Naturtalent und macht erfolgreich bei zahlreichen Wettbewerben mit. Warum er nach dem Abi trotzdem etwas anderes studieren will.
Es ist 9.30 Uhr an einem gewöhnlichen Mittwochmorgen am Dossenberger Gymnasium in Günzburg. Dennoch ist Wolfgang Motzer, Lehrer für Mathematik, Physik und Informatik, nervös. Seit zehn Minuten schaut er ständig auf die Uhr an der Klassenzimmerwand und hinaus auf den Gang. „Vielleicht wurde er aufgehalten. Wenn ihn was im Unterricht packt, kann das schon mal sein“, meint Motzer.
Dann endlich kommt Jonas Werner auf die Klassenzimmertür zugehastet. Während er seinen Rucksack neben eine Schulbank fallen lässt, entschuldigt er sich. „Ich habe meine Urkunden heute morgen alle im Bus vergessen. Das ist mir jetzt erst aufgefallen“, erklärt er außer Atem. Deshalb habe er gerade noch seine Mutter angerufen, damit sie beim Busunternehmen nachfragt, ob die Urkunden aufgetaucht sind.
Werner ist trotz seines Talents ein bescheidener Typ
Die Urkunden hat Werner für seine zahlreichen Siege erhalten. Zwar sieht der 17-jährige Schüler aus Freihalden in seinem weißen T-Shirt, der grünen Jacke, seinen blauen Jeans und Sneakers aus wie ein ganz normaler Teenager. Doch er mag etwas, was anderen Schüler oft ein Graus ist: Mathematik. Darin ist der Zwölftklässler sogar ein echtes Naturtalent. Seit der Grundschule macht er bei Wettbewerben mit und räumt einen Preis nach dem anderen ab. Dennoch ist er ein äußerst bescheidener Typ, der nicht mit seinen Siegen oder seiner Begabung prahlt.
Seinen ersten richtigen Wettstreit habe er in der achten Klasse gehabt: Die Fürther Mathematik-Olympiade. „Damit bin ich dann mehr oder weniger reingerutscht“, sagt der Abiturient. In der achten, neunten und zehnten Klasse nahm Werner jeweils am Landeswettbewerb Mathematik Bayern teil, der aus zwei Runden besteht. Beim ersten Mal machte er wegen zu viel Stress nur eine Runde mit. In den beiden folgenden Jahren schaffte er beide Runden bravourös und durfte als einer von 60 Landessiegern zu Mathematikseminaren nach Riedenburg und Würzburg fahren.
Er durfte ein Semester zum Frühstudium nach Augsburg
In der zehnten Klasse war er sogar ein Semester zum Frühstudium in der Vorlesung „Lineare Algebra 1“ an der Universität Augsburg. Nur wegen eines Punktes fiel er damals durch die Prüfung. „Bei 70 Prozent Durchfallquote und wenig Lernzeit war das aber ok. Der Einblick ins Studium war wichtiger“, sagt er.
Über das Mathe-W-Seminar „Algebra Plus“ von Lehrer Wolfgang Motzer kam Werner in der elften Klasse dann auf den Bundeswettbewerb Mathematik, über den er in seiner gleichnamigen Seminararbeit schrieb. „Für die Arbeit hätte die Teilnahme an der ersten der drei Runden gereicht, aber das war Jonas nicht genug“, meint Motzer. „Es hat mich dann einfach gekitzelt, die Aufgaben zu lösen“, sagt der Abiturient. Runde eins bestand er fehlerfrei. Runde zwei habe ein extrem hohes Niveau, erklärt Motzer. In der Altersgruppe von Werner traten in Bayern nur 20 Teilnehmer an. Fünf gelang ein erster Preis. Wegen einer kleinen Ungenauigkeit im Lösungsweg war Werner einer von zwei zweiten Preisträgern. Dennoch kann er sich freuen, denn auf seine Seminararbeit erhielt er die volle Punktzahl.
Probleme lösen, tüfteln und probieren machen dem Abiturienten Spaß
Bei der Mathematik-Olympiade in Deutschland 2018/19 machte der Schüler auch noch mit und schaffte es bis Runde drei von vier. Werner wurde sogar zum Vorentscheid des Vorentscheids zur Internationalen Mathematik-Olympiade 2019 in England eingeladen. Er kam aber nicht unter die ersten 16, die zum nächsten Vorentscheid dürfen. Doch das sei fast unmöglich, zu schaffen, meint Motzer.
„Mathe hat mich schon immer interessiert. Probleme lösen, probieren und tüfteln machen mir einfach Spaß“, sagt der Zwölftklässler. Er schaue sich die Sachen an und verstehe sie. Dennoch komme es immer auf die Aufgabenstellung an, wie schnell er eine Lösung finde. „Manchmal denke ich auch zu kompliziert“, gesteht er. Oft kommen ihm die Ergebnisse zufällig, etwa auf dem Schulweg. Kaum zu glauben ist es da, dass es einen Bereich gibt, den der Abiturient nicht mag: Stochastik. „Dabei kann ich nicht rumspielen. Bei Zahlen und Geometrie geht das“, erklärt er.
Auch in der Freizeit ist Mathe präsent
Dennoch macht er sich um sein Abi keine Sorgen. „Ein paar Mathe-Aufgaben rechnen, ein bisschen was lesen, das reicht“, ist er überzeugt. Er fügt aber hinzu, dass er für die Schule in anderen Fächern etwas mehr tun sollte, denn: „Ich bin faul“, gibt der 17-Jährige zu.
In seiner Freizeit spielt er am liebsten Fußball oder tanzt Jump-style. Ganz ohne Mathe geht es dann aber doch nicht. Ein- bis zweimal pro Woche gibt er Nachhilfe, derzeit zwei seiner Mitschüler. Generell komme er mit seiner Jahrgangsstufe sehr gut klar, sie sei sehr tolerant im Hinblick auf sein mathematisches Können. Neider gebe es keine.
Auf Youtube schaut er sich gerne gut aufgemachte Videos zu mathematischen Themen an und liest Bücher oder Artikel dazu, auf die er zufällig stößt. „Wenn ich einmal damit angefangen habe, lässt mich das dann nicht mehr los“, sagt Werner. Und es gebe auch so viel Mathe außerhalb von Zahlen. Bei logischen Verknüpfungen zum Beispiel. Da tue er sich auch leicht.
Nach seinem Abi will er an der TU München studieren
Dennoch will er nach seinem Abitur etwas anderes studieren. „Mit einem Mathestudium ist man sehr breit aufgestellt. Es gibt spezialisiertere Studien und Berufe, bei denen ich Mathe anwenden kann. Die interessieren mich mehr“, erklärt Werner. Deshalb wolle er ab dem Wintersemester 2019/20 Ingenieurswissenschaften an der TU München beginnen.
Bis dahin macht Werner aber noch mal in einer Dreiergruppe beim Bundeswettbewerb Mathematik 2019 mit. Die Aufgaben der ersten Runde sind schon eingesendet. Ob sie eine Runde weiter sind, erfahren sie im Juni. Der Abiturient ist aber zuversichtlich: „Es sollte schon weitergehen. Vielleicht nicht mit voller Punktzahl, denn Fehler macht man immer.“
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