Unerwünschte Einwanderer
Sie durchwühlen Mülltonnen oder ernten Obstbäume ab: Waschbären sind dem Menschen längst nahe. Auch im Landkreis Günzburg sind die Tiere bereits gesichtet worden.
Sie sehen putzig aus. Doch dass sich im Landkreis Neu-Ulm die Waschbären ausbreiten, stößt dort nicht gerade auf Begeisterung. Dass es auch im Kreis Günzburg Waschbären gibt und auch früher schon gab, steht ebenfalls zweifellos fest. Erich Frey, Vorsitzender des Jägervereins Krumbach, berichtet, dass im südlichen Landkreis bereits vor 30 Jahren schon einmal ein Waschbär gefangen wurde. Im vergangenen Jahr wurde ein weiteres Tier erlegt. „Er verfremdet unsere Fauna“, sagt Frey, der in ihm eine Gefahr für die heimische Tierwelt sieht.
Für ihn gelten Waschbären als Schädiger für den Bestand an Singvögeln und anderen Kleintieren. Würde er massiv auftreten, könnte er durchaus eine Konkurrenz zu den heimischen Raubtieren darstellen –ganz besonders in den Wintermonaten. Auch im nördlichen Kreis seien Waschbären schon öfters bemerkt worden, berichtet Manfred Borchers, Vorsitzender des Jagdschutz- und Jägervereins Günzburg. Zu sehen bekomme man sie aber eher selten. Während zwar mancherorts schon von abgeernteten Obstbäumen, ausgeräumten Mülltonnen oder verwüsteten Dachböden oder Gartenlauben der Allesfresser berichtet wurde, gehe in unserer Region diesbezüglich noch keine direkte Gefahr aus. Dafür sei die Population zu gering, erklärt Borchers.
Probleme dieser Art seien noch keine gemeldet worden, sagt auch Josef Schmid, Naturschutzbeauftragter am Landratsamt Günzburg. Dennoch: Außer dem Menschen und dem Auto haben Waschbären keine natürlichen Feinde, was zu einer weiteren Verbreitung der vermehrungsfreudigen Kleinbären beitragen könnte. Eine Zahl zu nennen, wie viele Waschbären in unserem Landkreis vorkommen, sei schwierig. Es gebe zwar einige wenige Beobachtungen, doch die Dunkelziffer sei wesentlich höher, sagt Forstdirektor Peter Birkholz, für den die tierischen Einwanderer ebenfalls nicht erwünscht sind. Auch er sieht in den überaus geschickten und intelligenten Waschbären ein Potenzial, welches das biologische Gleichgewicht beeinflussen könne. Dennoch: „Er ist da, doch wir werden ihn nicht ausrotten können. Wir müssen wissen, wie wir mit ihm umgehen“, betont Peter Birkholz. Ebenfalls nicht gerade begeistert ist Bernd Kurus-Nägele vom Bund Naturschutz: „Es sind eingeschleppte Tiere, die dadurch, dass sie wesentlich robuster sind, heimische Arten verdrängen können.“ Als Beispiel nennt er das kanadische Eichhörnchen oder das indische Springkraut. Weiter rät er dringendst davon ab, einen Waschbären zu füttern, sollte sich einmal einer zeigen. Tatsache ist: So possierlich die Tiere auch sind, erwünscht sind sie bei uns in jedem Fall nicht.
Doch warum heißt der Waschbär Waschbär? Nicht weil er auf seine Körperpflege oder auf Sauberkeit bedacht ist. Nein, mit dem „Waschen“ seiner Nahrung imitiert er mehr oder weniger seine Suche nach Nahrung – ein angeborener Instinkt von in Gefangenschaft gehaltenen Tieren. Doch wie kam der Waschbär, der im Grunde genommen gar nicht hierher gehört, zu uns? Vor rund 100 Jahren traten einige der Tiere mit der schwarz-weißen Räubermaske im Gesicht die Reise von Amerika nach Europa an – sie wurden eingeführt zur Pelzzucht. Zudem wurden 1934 am hessischen Edersee zwei Pärchen ausgesetzt mit dem Gedanken, „die heimische Flora und Fauna zu bereichern“, wie man damals meinte. Eine Idee mit fatalen Folgen. Diese, sowie auch aus Pelztierzuchtfarmen entkommene Exemplare, führten zu einer Verbreitung in ganz Deutschland. Die Angst vor dem Menschen abgelegt, dringen die Tiere inzwischen sogar in Großstädte ein und durchstreifen auf der Suche nach Nahrung ganze Straßenzüge. Nicht umsonst gilt die Stadt Kassel als die heimliche Hauptstadt der Waschbären.
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