Aus der Traum des TSV Niederraunau
Wegen eines krassen Formfehlers beim Platzierungsspiel gegen den FC Bayern steigen die Handballer nun doch aus der Landesliga ab. Sie wehren sich noch dagegen.
Jetzt hat es den TSV Niederraunau doch erwischt. Die Mannschaft steigt nach 27 Jahren auf Verbandsebene aus der Landesliga ab. Eine erst spät am Maifeiertag eingegangene Nachricht aus dem Bayerischen Handball-Verband (BHV) stoppte die Feierlichkeiten nach dem vermeintlichen Erreichen der Relegation abrupt. Inhalt der von Spielwart Ulrich Bayerlein unterschriebenen Botschaft: Die im Anschluss an die Partie ausgetragene Verlängerung hätte laut Spielordnung nie stattfinden dürfen. Es gab sie aber. Was im Nachhinein die Frage aufwirft: Wie kann so ein Lapsus bei einem Entscheidungsspiel im bayerischen Handball passieren?
BHV-Vizepräsident: "Die Regel gibt es schon ewig"
Der für den Spielbetrieb zuständige BHV-Vizepräsident Andreas Heßelmann begegnet dieser Frage mit Galgenhumor. Kopfschüttelnd führt er aus: „Die entsprechende Regel gibt es schon ewig. Wie man in Krumbach dazu gekommen ist, eine Verlängerung zu machen, ist mir ein Rätsel.“
Jede Menge tatsächliche oder selbst ernannte Handball-Experten, teilweise altgediente Funktionäre beider Mannschaften, ein Unparteiischengespann und ein technischer Delegierter des BHV waren vor Ort. Doch keiner hatte augenscheinlich einen Plan, wie bei Entscheidungsspielen dem Umstand zu begegnen ist, dass zwischen zwei Mannschaften nach Hin- und Rückspiel Punkt- und Torgleichheit besteht.
Die Spielordnung ist eindeutig
Dabei sagt die Spielordnung unmissverständlich: „Die Wertung erfolgt: a) nach Punkten; b) bei Punktgleichheit nach der besseren Tordifferenz; c) bei Punktgleichheit und gleicher Tordifferenz nach der höheren Zahl der auswärts geworfenen Tore. Ist auch dann noch keine Entscheidung gefallen, wird sie nach dem zuletzt ausgetragenen Spiel ohne Verlängerung durch Siebenmeterwerfen herbeigeführt.“
Auf den letzten Satz dieser Passage angesprochen, entgegnet Heßelmann, er hätte es halbwegs nachvollziehen können, wenn irrtümlich ein Siebenmeterwerfen veranstaltet worden wäre. Aber eine Verlängerung? „So einen Fall hatten wir noch nie, also auf jeden Fall nicht in den letzten 30 Jahren.“
Der Topfunktionär erläutert weiter, dass auch im Liveticker-Programm des BHV keine Möglichkeit zur Verlängerung programmiert gewesen war. Vor Ort sah die Reaktion darauf so aus, dass man die in der Extraschicht erzielten Treffer einfach ohne Zeitangabe eintrug.
So seltsam es sich anhören mag: Nichts machte irgendjemand irgendwann stutzig. Heßelmann bemerkt bissig: „Man hätte ja auch ganz einfach bei mir oder beim Spielleiter anrufen können.“
Über mögliche Konsequenzen für die seitens des Verbands Beteiligten mag der BHV-Vizepräsident so kurz nach den Vorkommnissen nicht spekulieren. Er sagt aber: „Alle haben schon einen Schuss vor den Bug bekommen.“
Wer hat es denn nun konkret verbockt?
Aber wer hat es denn nun konkret verbockt? Pius Waldmann, Präsident des TSV Niederraunau und früher fast zwei Jahrzehnte lang Handball-Bezirksvorsitzender, weist die Verantwortung ohne Abstriche dem Verband zu. „Manche von uns waren auch überrascht“, sagt er einen Tag nach den Ereignissen in der Sporthalle und betont: „Auf die getroffenen Entscheidungen hatte der TSV Niederraunau keinen Einfluss.“ Seiner Darstellung zufolge hätten der technische Delegierte Gottfried Rathgeber aus Günzburg sowie die beiden Schiedsrichter Julian Beinlich und Rene Finsterwalder beschlossen, dass es eine Verlängerung gibt, weil das nach ihrer Auffassung unter dem Dach des BHV so vorgeschrieben sei. „Und wir müssen uns doch auf die Aussagen von Offiziellen verlassen“, formuliert Waldmann.
Bernd Maisch: "Jeder hatte eine gewisse Halb-Ahnung"
Diese Kerbe vertieft Abteilungsleiter Bernd Maisch, indem er ausführt: „Jeder Beteiligte hatte eine gewisse Halb-Ahnung. Das war auch daran zu erkennen, dass sich nach den 60 Minuten keiner so richtig gefreut und keiner so richtig geärgert hat.“
Die in einer solchen Gemengelage objektiv gesehen vielleicht einfachste Lösung, an höherer Stelle nachzufragen, habe man aufseiten des TSV nicht erwogen. Maisch und Waldmann erklären unisono, man habe keinen Anlass gesehen, den Offiziellen zu widersprechen oder ihre Entscheidung pro Verlängerung anzuzweifeln. Was sie nicht sagen: Erst die Extraschicht bot den Niederraunauern die Option, dem Direktabstieg zu entgehen – eine Chance, die sie auf dem Feld ja tatsächlich nutzten.
Der TSV Niederraunau will Einspruch einlegen
Nun also der freie Fall auf der Achterbahn der Sportemotionen. Laut Satzung steht dem Verein ein Einspruchsrecht zu – und genau diesen Weg gehen die Niederraunauer nun. Ihr Vorschlag sieht laut Waldmann so aus: „Wir beantragen, dass das Ergebnis nach Verlängerung gewertet wird oder dass alternativ die Relegation abgesetzt wird und alle drei beteiligten Mannschaften – TSV Niederraunau, FC Bayern München und SG Regensburg II – in der Landesliga bleiben.“
Sollte der Verband auf diese Linie einschwenken, müsste er quasi einräumen, dass die Verantwortung auf seiner Seite liegt. Genau so sieht es Waldmann, der überzeugt ist, „dass die Fehler von BHV-Offiziellen gemacht wurden“ Spartenchef Maisch fügt etwas ausführlicher an: „Ich denke, die werden sich beim BHV noch mal zusammensetzen müssen. Denn egal, wo der Fehler gemacht wurde: Es ist etwas schief gelaufen und da können die Sportler hinterher nicht die Leidtragenden sein.“
Keine Angst vor der Zukunft
Falls die aktuelle Entscheidung allerdings Bestand hat, geht es in Niederraunau auf Bezirksebene weiter. Der TSV hat keine Angst davor, wie sein Vorsitzender ausführt: „Das ist dann ein harter Schlag, aber es bricht nichts zusammen. Die Mannschaft wird mit Ausnahme von Johannes Rosenberger zusammenbleiben.“
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Das gerechteste wäre, alle 3 beteiligten Mannschaften in der Landesliga zu belassen! Das würde die Sportler, die alle ihr Bestes gegeben haben, für die hervorragenden Leistungen belohnen. Ich habe jedes Heimspiel der "Niederraunauer Jungs" gesehen, und es wäre eine Schande für den Handball, für das Versagen der BHV-Funktionäre bestraft zu werden.
Der BHV verliert sein Gesicht nicht, wenn er diese Fehler zugibt, sondern wenn er gegen die Sportlichkeit entscheidet!