Münchner Reise nach Jerusalem
Es kann nur einen geben. So einfach ist das manchmal. Und doch so schwer. Dabei hätte aus der Sicht der CSU alles ganz glatt laufen sollen. Erstens: Wahlsieg für Union und FDP. Zweitens: Edmund Stoiber und Günther Beckstein gehen nach Berlin. Drittens: Erwin Huber wird Ministerpräsident in Bayern. Jeder der drei hätte seine Freude gehabt. Stoiber hätte zwar hinter Merkel, aber doch ganz vorne dabei Deutschland retten können. Beckstein hätte seinem alten Freund und politischen Dauerkontrahenten Otto Schily endlich zeigen können, wer der wahre Bundesinnenminister ist. Und auch für Huber hätten sich der jahrelange Ärger und die ganze Schufterei doch noch gelohnt. Das "schönste Amt der Welt", es war zum Greifen nah.
Es kam anders. In Berlin ziehen sich nervenzehrende Verhandlungen in die Länge und in München setzte sich mit jedem neuen Tag mehr und mehr die Erkenntnis durch, dass wahrscheinlich nur der Chef ins Bundeskabinett kann oder darf oder muss. Für die beiden politischen Schwergewichte hinter ihm bliebe dann nur das eine Amt in München. Ein Stuhl, zwei Männer. Das ist wie bei der letzten Runde in dem Kinderspiel "Reise nach Jerusalem". Da muss man aufpassen wie ein Luchs, allzeit in Position sein und blitzschnell reagieren, wenn die Musik zu spielen aufhört.
Seit Tagen geht das jetzt so. Die Musik in Berlin spielt vieltönig und ohne Unterlass. Und zu allem Überfluss haben sich dann auch noch durchweg alle bayerischen Zeitungen auf die "Huber-oder-Beckstein-Frage" gestürzt. Aus der Landtagsfraktion, der unumstrittenen Machtbasis der CSU, tönte den Journalisten eine ziemlich eindeutige Zwei-Drittel-Mehrheit für Beckstein entgegen. Seit Tagen muss Huber die bittere Nachricht lesen, dass er wahrscheinlich nur zweiter Sieger werden kann. Jetzt ist er, obwohl sich die CSU-Spitze Ruhe an der München-Front verordnet hatte, um den Rücken für Berlin frei zu haben, überraschend aus der Deckung gekommen. In einem Interview mit der Passauer Neuen Presse teilte Huber mit, dass er bereit sei, Verantwortung zu übernehmen.
Die Nachricht, dass "der Erwin" seinen Hut in den Ring geworfen hat, schlug gestern im Landtag ein wie eine Bombe. Von einer "Kampfansage" und "offenem Machtkampf" war die Rede. Ältere Abgeordnete erinnerten an das Jahr 1993, als es zwischen Edmund Stoiber und dem damaligen CSU-Chef Theo Waigel um die Nachfolge von Ministerpräsident Max Streibl ging. Es galt damals schon als sicher, dass Waigel das Rennen machen würde. Ein CSU-Bezirksvorsitzender aber kippte die Stimmung zu Gunsten von Stoiber: der Nürnberger Günther Beckstein.
Einige Spitzenpolitiker versuchten gestern die Wogen zu glätten. CSU-Fraktionschef Joachim Herrmann sagte, er rechne nicht mit Querelen, man habe halt jetzt mit den beiden Bewerbern "zwei hervorragende Kandidaten für das Amt". Landtagspräsident Alois Glück nannte es eine "normale demokratische Situation", dass es nicht nur einen Kandidaten gebe. Und die stellvertretende CSU-Vorsitzende und Landtags-Vizepräsidentin Barbara Stamm mahnte zur Fairness. "Ganz schlimm" wäre es, so Stamm, "wenn man da jetzt in Freund oder Feind eingeteilt würde".
Beckstein reagierte auf Hubers Vorpreschen demonstrativ gelassen. "Ich sehe das im Moment ganz locker", sagte Beckstein, fügte aber hinzu: "Ich halte es nicht für das Optimale, eine Auseinandersetzung in den Medien zu führen." Eine Erklärung für Hubers Wortmeldung hatte Beckstein auch: "Ich kann mir vorstellen, dass es den Erwin geärgert hat, in den letzten Tagen so viel über mich in den Zeitungen zu lesen."
Huber wiederum gab sich so, als könne er die ganze Aufregung nicht verstehen. Aus seiner Bereitschaft, als Ministerpräsident Verantwortung zu übernehmen, könne man "keine Kampfansage ableiten". Wenn klar ist, dass Stoiber nach Berlin geht, werde man Gespräche führen. Dann werde die Fraktion entscheiden. Auf die Frage, warum er sich dann bereits jetzt erklärt habe, antwortete Huber nur: "Man muss es ja auch wissen."
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Weniger freundlich geht es in der zweiten Reihe zwischen den beiden Lagern zu. Unterstützer Hubers versuchten, Beckstein als "reinen Innenpolitiker" darzustellen, während Huber in allen Politikfeldern zu Hause sei. Sogar seine evangelische Konfession wird Beckstein vorgehalten. Ein Protestant sei schließlich im katholischen Bayern noch nie Ministerpräsident gewesen.
Anzeichen, dass die Pro-Beckstein-Mehrheit kippen könnte, gibt es indes kaum. Der Innenminister sei populär wie kein Zweiter in Bayern. Er sei ein "Vollblutpolitiker" mit großer Integrationskraft. Und er genieße im Gegensatz zu Huber hohes Ansehen und Vertrauen bei den Kommunalpolitikern. Dort habe die CSU wegen ihres Spar- und Reformkurses derzeit die größten Probleme vor allem mit Blick auf die Landtagswahl 2008.
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