Kleine Sünden bestraft der Herr – oder die Justiz
Das Gericht fand den Angeklagten "naiv", weil dieser nicht gemerkt hatte, was sein Freund Udo in den Kirchen trieb. Der 45-Jährige wurde für seine Naivität nun bestraft.
Die kleinen Sünden bestraft der Herr meist sofort, spätestens aber am Jüngsten Tag. Weil aber wegen eines Verstoßes gegen das siebte Gebot bislang keine strafenden Blitze vom Himmel gezuckt sind, und für das Weltengericht es noch keinen Verhandlungstermin gibt, wurde die Neu-Ulmer Justiz tätig – und verurteilte gestern einen 45 Jahre alten Mann wegen Beihilfe zum Opferstockdiebstahl zu einer Geldstrafe von 25 mal 40 Euro.
Der bei Leverkusen geborene, in Österreich wohnende und im Fürstentum Liechtenstein als Schlosserhelfer arbeitende Angeklagte war der Fahrer eines mutmaßlich rauschgiftabhängigen Mannes, der im April 2009 in der Pfaffenhofer Pfarrkirche St. Martin (Landkreis Neu-Ulm) den Opferstock plünderte. Wie viel der mutmaßliche Haupttäter Udo H. damals erbeutete, ist unklar – zugunsten des Langfingers ging die Staatsanwaltschaft davon aus, dass er damals mit Hilfe von Draht und Klebstoff lediglich einen Fünf-Euro-Schein aus dem Spendenbehältnis angelte.
Sein Helfer, der am Dienstag vor dem Neu-Ulmer Amtsgerichtsdirektor Thomas Mayer als Angeklagter saß, war gleichermaßen „naiv“ wie kooperativ.
Kooperativ, weil er bei der Polizei umfassend ausgepackt hatte, als Kumpel Udo des Opferstockdiebstahls überführt worden war. Der Mann war nämlich bei seinem Tun gefilmt worden – von einer Videokamera, die Ortspfarrer Raimund Alker in St. Martin installiert hatte, nachdem es in dem Gotteshaus in der Vergangenheit zu mehreren blasphemischen Vorfällen gekommen war. Beim angeklagten Beutezug im Frühling 2009 hatte zudem der Mesner sachdienliche Hinweise zur Aufklärung geben können: Ihm war am Tattag im eher überschaubaren Pfaffenhofen ein Auto mit österreichischem Kennzeichen aufgefallen.
Den Ermittlern gegenüber gestand der Angeklagte, dass er auf Udos Drängen hin von der gemeinsamen Bleibe bei Feldkirch aus mehrere „Ausflugsfahrten“ nach Süddeutschland, die Schweiz und in Österreich unternommen habe. Bemerkenswerterweise waren stets Kirchen das Ziel der Spritztouren. Vor den Gotteshäusern – etwa in Lindau, Wangen, Isny, Oberstdorf, Memmingen, Ulm und eben Pfaffenhofen – habe ihn der Kumpel gebeten, anzuhalten und ein Weilchen zu warten.
„Naiv“ war der etwas unbeholfen wirkende Mann nach Ansicht des Gerichts, weil er offenbar tatsächlich nicht spannte, was Freund Udo jedes Mal in den Kirchen tat – zumindest Beten konnte der Angeklagte aber ausschließen.
Staatsanwalt Matthias Rinecker rückte in seinem Plädoyer vom ursprünglich erhobenen Vorwurf des gemeinsamen Diebstahls ab und beantragte, den bislang nur in Österreich vorbestraften Mann wegen Beihilfe zu 30 Tagessätzen a 50 Euro zu verurteilen. Richter Mayer hielt dem Mann ebenso wie zuvor Staatsanwalt Rinecker vor, dass das Ausräumen eines Opferstocks eine „besonders verwerfliche“ Form von Diebstahl sei. Mayer: „Ein dicker Hund.“ Der Mann, der ohne Verteidiger erschienen war, akzeptierte die 1000-Euro-Strafe noch im Gerichtssaal. Anschließend bedankte er sich. Der eigentliche Opferstockdieb Dieb Udo H. muss sich dem irdischen Strafgericht in Memmingen stellen. (kr)
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