BGH hebt Landgerichtsurteil auf: Missbrauchsfall wird neu verhandelt
Vor zwei Jahren verurteilte das Landgericht Ingolstadt einen Mann zu acht Jahren Haft, weil er seine Stieftochter missbraucht haben soll. Doch die Beweiswürdigung war fehlerhaft.
Sexueller Missbrauch von Kindern gehört zu den schlimmsten Verbrechen, die man sich vorstellen kann. Gleichzeitig ist es bei diesen Taten besonders schwer herauszufinden, was genau passiert ist. Denn meist geschehen sie im Verborgenen, ohne weitere Zeugen. Gibt es keine DNA-Spuren, steht Aussage gegen Aussage. So auch in dem Fall, der vor zwei Jahren am Ingolstädter Landgericht verhandelt wurde: Ein Mann, heute 48 Jahre alt, soll seine Stieftochter, die aus dem Landkreis Neuburg-Schrobenhausen stammt, 2016/2017 mehrmals schwer sexuell missbraucht und vergewaltigt haben. Erst nach einiger Zeit vertraut sich das Mädchen, damals elf beziehungsweise zwölf Jahre alt, seiner Mutter an, erst über ein Jahr später gehen sie zur Polizei. Beweise – sofern sie existiert haben – gibt es keine mehr. Es kommt zu Vernehmungen und schließlich im Februar/März 2021 zur Hauptverhandlung am Landgericht. Obgleich der Angeklagte alles abstreitet, sieht es der damalige Richter nach sechs Prozesstagen als erwiesen an, dass die Taten, die dem Beschuldigten vorgeworfen werden, im Wesentlichen so passiert sind. Das Urteil der Jugendkammer lautet: acht Jahre Haft. Doch der Mann legt Rechtsmitteil ein – und seine Revision hat Erfolg. "Das Urteil mitsamt den Feststellungen hält sachrechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die Beweiswürdigung erweist sich als durchgreifend rechtsfehlerhaft", heißt es unter anderem im Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom Dezember 2021.
Missbrauchsprozess 2021: Gutachterin stufte Mädchen als glaubwürdig ein
Der BGH hat das Ingolstädter Urteil also aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung zurück an eine andere Kammer des Landgerichts verwiesen. Am Montag fanden sich die Prozessbeteiligten nun am gleichen Ort wie vor zwei Jahren wieder, nur vor anderen Richtern und Schöffen. Alles muss noch einmal genau geprüft werden. Diesmal findet die Hauptverhandlung allerdings auf Antrag des Nebenklagevertreters aus Opferschutzgründen teilweise unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Das betrifft insbesondere die Einvernahme des Mädchens und die Schlussvorträge der Anwälte. Ganz anders im ersten Prozess: Damals beantwortete das Mädchen im Gerichtssaal vor Zuschauern Fragen zu ihrer auf Video aufgenommenen Vernehmung beim Ermittlungsrichter. Außerdem wohnte sie allen Verhandlungstagen persönlich bei, was beides ungewöhnlich ist. Die Verteidigerin des Angeklagten nahm dies und die ihrer Ansicht nach mangelhaften psychologischen Gutachten zum Anlass, die Glaubwürdigkeit des Mädchens anzuzweifeln. Dabei hatten sowohl eine Therapeutin als auch eine Psychologin das Mädchen als glaubhaft und ihre Erzählungen als erlebnisbasiert eingestuft. Ein Psychiater hatte allerdings von einer emotionalen Störung mit Geschwisterrivalität und einer depressiven Episode gesprochen. Die Wahrheitsfindung gestaltete sich dementsprechend bereits 2021 äußerst schwierig.
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