Neuer Experte in Neuburg: Wenn Lebensmittel-Firmen an der Hygiene sparen
Lebensmittelhygieniker Thomas Schmid ist mit seinem Institut von Ingolstadt direkt an das Neuburger Schloss gezogen. Er kann von so manchem Skandal berichten.
Von seinem neuen Schreibtisch aus hat Thomas Schmid eine besondere Aussicht. Schaut er aus dem Fenster, sieht er, nur wenige Meter über die Straße entfernt, das Neuburger Schloss. Schmids Arbeitsplatz ist das ehemalige Künstlercafé Vivat in der Amalienstraße, Ecke Residenzstraße. Der 62-Jährige ist mit seinem „Institut für Lebensmittelhygiene“ von Ingolstadt nach Neuburg gezogen, seit September arbeitet er in einer Büro-WG mit dem Immobilienmakler Thomas Kappelmeier in den zuvor leer stehenden Räumlichkeiten. Vor Ort ist Schmid jedoch maximal zwei Tage in der Woche. Der Ernährungswissenschaftler ist viel auf Achse. Er berät Unternehmen in ganz Deutschland, unter anderem zu den Themen Lebensmittelhygiene, -recht und -sicherheit. Aus seiner jahrzehntelangen Erfahrung weiß er viel zu berichten – von großen Skandalen und Firmen, die es mit der Hygiene nicht genau nehmen.
Lebensmittelhygieniker Thomas Schmid ist nach Neuburg gezogen
20 Jahre lang leitete Schmid, der in Eichstätt geboren wurde, das Qualitätsmanagement der Großbäckerei Kamps. Er war dafür verantwortlich, dass in 15 Produktionsstätten und rund 1400 Filialen alles sauber abläuft. 2013 machte sich Schmid, der sich neben seinem Studium der Ernährungswissenschaften zum Konditor-Meister ausbilden ließ, selbstständig. Zunächst in seinem damaligen Wohnort Todtenweis (Kreis Aichach-Friedberg), später in Ingolstadt. In diesem September zog es ihn schließlich nach Neuburg. Zum einen aus privaten Gründen – seine Lebensgefährtin wohnt in der Ottheinrichstadt. Zum anderen ist Neuburg für Schmid, der in Königsmoos wohnt, besser zu erreichen.
Der 62-Jährige unterstützt, zusammen mit seinen fünf Angestellten, Unternehmen, die Lebensmittel verarbeiten oder verkaufen. Zu seinen Kunden zählen beispielsweise Supermärkte, Bäckereien, Cateringunternehmen, Kliniken und viele mehr. Er berät, gibt Schulungen, erarbeitet Gutachten und Konzepte oder stellt Zertifikate aus, die es im Lebensmittel-Handel braucht. Auch im Umgang mit den Behörden unterstützt er Betriebe. Schmid erzählt von einem aktuellen Fall einer neuen Bäckerei-Filiale. Zwei Tage vor der Eröffnung legte die für die Zulassung zuständige Behörde ein Veto ein. Die Decke der Filiale sei nicht glatt und leicht zu reinigen. So könnten sich Fett oder Schmutz an der Decke ansammeln und irgendwann wieder runterkommen. Um die geplante Eröffnung nicht zu gefährden, erarbeitete Schmid bis halb 5 Uhr morgens eine Stellungnahme. Mit Erfolg: Die Bäckerei konnte, unter Auflagen, wie geplant eröffnen. Unternehmen seien getrieben durch die Auflagen der Behörden, manchmal bis zur Existenznot, sagt Schmid. Er sieht jedoch: Die Vorgaben haben den Zweck, die Sicherheit für die Verbraucher zu erhöhen.
Lebensmittelhygieniker Thomas Schmid aus Neuburg: „Im Qualitätsmanagement wird häufig gespart“
Schmid weiß, was alles passieren kann. „Im Qualitätsmanagement wird häufig gespart“, sagt er. Einige wenige Betriebe, die mit Lebensmitteln arbeiten, würden „vor sich hinarbeiten“ und „es darauf ankommen lassen“, so sein Eindruck. Schmid kam beispielsweise in Kontakt mit dem Skandal um den Fleisch- und Wursthersteller Wilke. Nachdem 2019 drei Menschen nach dem Konsum von verunreinigter Wurst gestorben waren, rief ein Krisenmanager der Firma den Fachmann um Hilfe. Doch er habe zu diesem Zeitpunkt nichts mehr ausrichten können, sagt Schmid. „Das Kind war schon in den Brunnen gefallen.“ Kühlkette, Reinigung, baulicher Zustand der Produktionsstätte – Schmid stellte erhebliche Mängel fest. „Die Produktion war in Teilen fragwürdig.“ Kurz darauf untersagten die Behörden den weiteren Betrieb.
Es komme immer wieder vor, dass Unternehmer mit guten und erfolgreichen Ideen auf dem Markt die Lebensmittelsicherheit und Lebensmittelhygiene grob vernachlässigen, so Schmid. Er berichtet von einem Fall bei Frankfurt. Vor Ort im Betrieb habe sich „ein Bild des Schreckens“ geboten: Überall Schmutz und Unordnung, kein System im betrieblichen Ablauf und in der Organisation, Lebensmittel teilweise unter freiem Himmel und überall Schädlinge. „In diesem Moment konnte ich gut verstehen, dass die Behörden dem Lebensmittelunternehmer die Daumenschrauben angesetzt haben, Bußgelder verhängt und der Betrieb sogar für einen halben Tag geschlossen wurde“, sagt Schmid. „Das war noch sehr wohlwollend von den Behörden, und ich fragte mich, warum man überhaupt so lange Geduld hatte.“ Der Experte weiß, dass man Skandale dieser Art, wie etwa bei Wilke, nie ganz verhindern kann. „So etwas wird immer wieder vorkommen.“
Auch in seiner eigenen Büro-WG findet Schmid eine Küche sowie eine Theke vor – Überbleibsel des Cafés Vivat. Die sind momentan nicht in Betrieb. Zum nächsten Schloßfest könnten die ehemaligen Kellergewölbe wieder geöffnet werden, kündigt Schmid an.
Die Diskussion ist geschlossen.