Corona ist nicht das größte Problem der Südafrikaner
Auf dem afrikanischen Kontinent schien die Pandemie fast zu Ende. Jetzt steigt die Zahl der Infektionen, vor allem in Südafrika. Doch die Menschen dort kümmert das wenig.
Anzeichen hatte es schon seit einigen Wochen gegeben. Im südafrikanischen Abwasser hatten die Experten verstärkt das Coronavirus gefunden. Und auch die Positivitätsrate, also der Anteil der positiven Testergebnisse, war stetig gestiegen – zuletzt auf 16 Prozent. Das Testvolumen in Afrikas wichtigstem Schwellenland ist geringer als in den meisten europäischen Ländern, insofern ist dieser Wert besonders aufschlussreich.
Am Dienstag stand für die Expertinnen und Experten des Zentrums für Innovation und Reaktion auf Epidemien (CERI) dann fest: „Die fünfte Welle ist da. Passt auf euch auf“, teilte die südafrikanische Forschungseinrichtung mit. Sie wird von dem Virologen Tulio de Oliveira geleitet, der wegen seiner wichtigen Rolle bei der Entdeckung der Beta- und Omikron-Varianten bekannt wurde – und einer der auffällig vielen international renommierten Wissenschaftler des Landes ist.
Während man im Jahr 2020 mit einigen der strengsten Lockdowns der Welt agierte (strikte Ausgehsperre, Tabak- und Alkoholverkaufsverbote), begegnet man der anstehenden Welle bislang mit Gelassenheit. Zumal die Sieben-Tage-Inzidenz gering ist. Im Großraum Johannesburg betrug sie zuletzt 27, im Großraum Kapstadt 23 und im Umkreis von Durban 13.
In Südafrika breiten sich wahrscheinlich Omikron-Subtypen aus
Täglich werden landesweit rund 4000 Infektionen gemeldet – ein deutlicher Anstieg, aber noch ein Bruchteil im Vergleich zum Höhepunkt der Pandemie, als es täglich über 20.000 waren. Man beobachte die Lage, heißt es aus dem Gesundheitsministerium, der Anstieg sei „wahrscheinlich“ auf die Omikron-Subvarianten BA.4 und BA.5 zurückzuführen. Tatsächlich waren sie im März bei erst 15 Prozent der sequenzierten Positivtests nachweisbar, in der ersten Aprilhälfte wurden sie bereits in über der Hälfte festgestellt.
Erst vor einigen Wochen waren die Einschränkungen des öffentlichen Lebens weiter abgebaut worden. So wurde die wissenschaftlich schwer nachvollziehbare Maskenpflicht im Freien endlich aufgehoben – in geschlossenen öffentlichen Räumen gilt sie weiter. Gesundheitsminister Joe Phaahla äußerte sich „besorgt“, zusätzliche Maßnahmen sind aber erst einmal nicht geplant. Zumal es in den Großstädten zwar einen leichten Anstieg an Krankenhauseinlieferungen von Patientinnen und Patienten mit Covid-Erkrankungen gibt, bislang aber keine Steigerung an Todeszahlen registriert wurde.
Südafrika hat in der Corona-Pandemie schon 100.000 Tote verzeichnet
Mit rund 100.000 Toten ist Südafrika das mit Abstand am stärksten betroffene afrikanische Land in dieser Pandemie. Experten halten es eher für unwahrscheinlich, dass die aktuelle Impfquote von rund 50 Prozent der erwachsenen Südafrikaner in absehbarer Zeit deutlich steigen wird. In den anderen Ländern des Kontinents ist sie zumeist noch deutlich geringer, im Schnitt liegt sie bei 15 Prozent.
Erst Mitte April hatte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) „den längsten Rückgang“ an Infektionen seit Beginn der Pandemie in Afrika bejubelt, die wöchentlichen Fälle waren von 308.000 Anfang des Jahres auf nur noch 20.000 gefallen. Die Testpflicht, die bis April für die Einreise in die meisten Länder des Kontinents nötig war, ist weitgehend abgeschafft worden.
In Südafrika hat das Interesse an Corona stark abgenommen
Überhaupt hat in Südafrika das Interesse an Covid trotz der neuen Welle stark abgenommen. In der vergangenen Woche wurde das Thema Impfungen von Twitter-Nutzern nur noch halb so oft diskutiert wie in der Vorwoche. Auf Facebook sank der Wert um 60 Prozent. Auch auf dem Rest des Kontinents macht man sich über andere Probleme inzwischen mehr Sorgen. So hat der Ukraine-Krieg die Preise für Getreide in die Höhe schießen lassen, schließlich zählen sowohl Russland als auch die Ukraine zu den weltweit wichtigsten Exporteuren. In vielen afrikanischen Ländern zahlten die Bürger und Bürgerinnen schon davor über die Hälfte ihres Einkommens für Lebensmittel, der Konflikt verschärft die Lage weiter – besonders in den Dürregebieten im Osten des Kontinents.
Und erst vor wenigen Tagen vermeldete der Kongo den 14. Ebola-Ausbruch seiner Geschichte, bislang starben zwei Menschen. Eine deutliche Erinnerung, dass das Coronavirus wahrlich nicht die einzige Krankheitsbelastung in Afrika ist.
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