CDU bricht mit Tabu - Wehrpflicht auf Prüfstand
Berlin (dpa) - Angesichts der Finanznot ist die Union nun doch bereit, über den Vorstoß von Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) zur Aussetzung der Wehrpflicht zu sprechen.
Damit erscheint erstmals nicht mehr ausgeschlossen, dass der in den 50er Jahren eingeführte Zwangsdienst für Männer als eines der letzten Tabus bei der Reformierung der Bundeswehr langfristig fällt. Unions- Fraktionsgeschäftsführer Peter Altmaier (CDU) sagte am Dienstag in Berlin: "Wir tun gut daran, diese Diskussion sachlich zu führen."
Auch CSU-Chef Horst Seehofer zeigte sich entgegen vorheriger Kritik an seinem Parteifreund Guttenberg offen für die Debatte. Er betonte aber: "Ich beginne keine Strukturdiskussion mit Festlegungen." Der Verteidigungsminister habe die volle Unterstützung der CSU bei der Vorbereitung einer erneuten Bundeswehrreform. Seehofer machte zugleich klar: "Aussetzen heißt absetzen." Altmaier mahnte: "Ein Selbstläufer ist diese Diskussion nicht."
Der Koalitionspartner FDP ist schon lange für eine Aussetzung der Wehrpflicht, weil durch sinkende Einberufungszahlen keine Wehrgerechtigkeit unter den jungen Männern mehr bestehe. Auch die Oppositionsparteien SPD, Grüne und Linke sind gegen die Wehrpflicht in der jetzigen Form. Guttenberg hatte sich vor der Sparklausur des Bundeskabinetts für die Aussetzung der Wehrpflicht eingesetzt, deren Ende nach Ansicht von Experten damit so gut wie besiegelt wäre.
Aus CSU und CDU war der Minister für seinen Vorstoß zunächst scharf kritisiert worden. Erst im Mai hatte das Kabinett beschlossen, den Wehrdienst von 9 auf 6 Monate zu verkürzen. Für manche Militärs ergibt eine solch kurze Dauer jedoch auch keinen Sinn mehr.
Altmaier nannte Guttenbergs Haltung "überraschend": "Wir müssen den Vorschlag erst einmal verarbeiten." Bisher sei der Pflichtdienst für Männer als verteidigungspolitische Notwendigkeit in der CDU/CSU- Bundestagfraktion nicht kontrovers diskutiert worden.
Die Bundeskanzlerin und CDU-Vorsitzende Angela Merkel hatte am Montag im Zuge der drastischen Sparpläne erklärt, es werde "keine Denkverbote" bei einer - erneuten - Reform und Verkleinerung der Bundeswehr geben. Bis Anfang September soll geklärt werden, welche Folgen eine Truppenreduzierung für die sicherheitspolitische Handlungsfähigkeit der Bundeswehr, die Einsatz- und Bündnisfähigkeit und auch für die Wehrpflicht hätte. In der Diskussion ist eine Reduzierung um 40 000 auf gut 210 000 Soldaten.
Altmaier berichtete, Guttenberg habe in einer Fraktionssitzung am Montag seine Idee noch einmal erläutert und Beifall bekommen. Der verteidigungspolitische Fraktionssprecher Ernst-Reinhard Beck habe sich für den Erhalt der Wehrpflicht eingesetzt. Und auch er habe Beifall bekommen. "Das ist keine Frage, die man einfach mit Ja oder Nein beantworten kann", sagte Altmaier. Und eine Entscheidung von "Qualität und Güte" sei auch nicht "über Nacht" zu treffen.
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