Die CDU kommt in Sachsen mit einem blauen Auge davon
Die CDU gewinnt die Landtagswahl in Sachsen überraschend deutlich. Die AfD wird zweitstärkste Kraft, was ihr aber nicht viel nützt.
Je näher am Sonntag in Dresden die Schließung der Wahllokale rückt, desto trauriger wird das Wetter. Am späten Nachmittag setzt Regen ein und die grauen Wolken bilden den passenden Hintergrund für die sorgenvollen Gesichter, die es im weitläufigen Landtagsgebäude vor allem bei CDU und SPD zu sehen gibt. Die Umfragen sehen die Alternative für Deutschland ganz weit vorne, für die bisher führende CDU und ihren Spitzenkandidaten Michael Kretschmer kann es eng werden.
Um 18 Uhr löst sich dann allerdings wolkenbruchartig die Anspannung bei der Wahlparty der Christdemokraten: Sie sind stärkste Kraft in Sachsen. Allerdings verpasst die AfD dem Ministerpräsidenten Kretschmer und seinem Team, das bis zum Schluss aufopfernd gekämpft hatte, ein dickes blaues Auge.
Kretschmer, 44 Jahre alt und seit nicht einmal zwei Jahren Regierungschef des Freistaats Sachsen, ist zunächst sichtlich erleichtert. Ein Wahlsieg der AfD hätte für den nicht unumstrittenen Chef des CDU-Landesverbandes mit einiger Sicherheit das Ende seiner politischen Karriere bedeutet. Jetzt kann der gebürtige Görlitzer erst einmal weitermachen. Die immerhin bald 30-jährige Regentschaft seiner CDU in Sachsen besteht fort.
Doch ausufernd ist die Freude nicht an diesem Abend. Denn Kretschmers CDU hat nach den ersten Zahlen deutlich an Zustimmung verloren. Etwa 32 bis 33 Prozent haben die Christdemokraten geholt, das liegt schmerzhaft unter dem Ergebnis von 2014, da waren es 39,4 Prozent. Ein Trostpflaster aber gibt es: Im Juni hatte die CDU Sachsen in den Umfragen noch bei sehr mageren 24 Prozent gelegen. Kretschmer hatte sich allerdings nicht entmutigen lassen und auf unzähligen Wahlkampfterminen den direkten Kontakt mit den Bürgerinnen und Bürgern gesucht. Offenbar mit Erfolg. „Das Volk hat gewonnen“, jubelt Kretschmer kurz nach 18 Uhr vor seinen Anhängern, die sich zur Wahlparty im Dresdner Landtag versammelt haben.
Es ist eng im Raum, der einen schönen Blick auf die Elbe und das Dresdner Stadtpanorama gestattet. Alle sind froh, dass zwei Hauptziele erreicht wurden: Über 30 Prozent zu kommen und die AfD hinter sich zu lassen. Kretschmer spricht noch von einer „ganz besonderen Wahl“ und weiß dann aber auch: „Die größte Arbeit steht noch vor uns.“
Kretschmer meint die Regierungsbildung, die in der Tat schwierig wird. Denn Kretschmers bisheriger Regierungspartner ist ebenfalls abgeschmiert: Nach 12,4 Prozent bei der letzten Wahl in Sachsen landet die SPD einstellig bei sieben bis acht Prozent. Das reicht zusammen nicht für eine Mehrheit im Dresdner Parlament. Kretschmer kann nicht einfach weiterregieren, er muss sich nach einem neuen Partner umsehen oder einen dritten Partner dazu holen.
Eventuell könnte es ganz knapp für Schwarz-Grün reichen – aber dann wären lange Koalitionsverhandlungen zu erwarten. Denn beide Parteien sind inhaltlich weit auseinander. Beim Thema Kohle und Energie beispielsweise trennen sie Welten. Am frühen Sonntagabend ist die Gesamtlage aber auch deshalb verworren, weil unklar ist, ob die FDP über die Fünf-Prozent-Hürde gekommen ist.
Doch was machen mit der Macht?
Eine Koalition mit der Linkspartei wird eher nicht in Frage kommen, dazu gibt es auch ein grundsätzliches Veto der CDU-Bundespartei. Völlig ausgeschlossen ist ein Bündnis mit der AfD, die ein Stockwerk tiefer noch nicht so recht weiß, wie sie mit ihrem Ergebnis umgehen soll. Begleitet von bundespolitischer Partei-Prominenz wie Beatrix von Storch und Jörg Meuthen schwankt die Stimmung bei den Mitgliedern zwischen Jubel und ein wenig Frust. Fast verdreifacht haben die Rechten ihr Ergebnis im Vergleich zur letzten Landtagswahl.
Doch was machen mit der Macht? Opposition ist Mist, dieser Ausspruch des SPD-Politikers Franz Müntefering gilt nun wohl auch besonders für die AfD. Die Alternative für Deutschland weiß auch noch nicht genau, wie viele ihrer Kandidaten am Ende im Landtag Platz nehmen können. Bei der Aufstellung der Wahllisten gab es einen Fehler, die Partei durfte nach einem Gerichtsurteil nur mit 30 Kandidaten antreten. Vor dem Hintergrund des komplizierten Wahlrechts ist es durchaus möglich, dass die AfD einige der ihr zustehenden Plätze – am Sonntagabend ist von acht Mandaten die Rede – nicht besetzen kann. So gibt es an diesem Wahlabend in Dresden zwar einiges zu jubeln.
Doch überschwängliche Freude sieht anders aus. Der Regen übrigens ist zwar schwächer geworden, aufgehört hat er aber nicht.
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