Erfolgreich im Kampf gegen Bürokratie
Ex-Ministerpräsident Edmund Stoiber sieht in Sachen Entbürokratisierung der EU erste Erfolge - auch für Bayern.
Von Uli Bachmeier, München
Einstmals konnte er seine politischen Ziele mithilfe eines mächtigen Beamtenapparats und einer dominanten Partei im Rücken durchsetzen. Seit er seine Ämter als CSU-Chef und bayerischer Ministerpräsident aufgeben musste und für die EU-Kommission die Aufgabe übernahm, unnötige Bürokratie zu beseitigen, bleibt Edmund Stoiber als einziges Mittel nur das bessere Argument. Langsam, aber sicher scheint er damit Erfolg zu haben. Zumindest im eigenen politischen Lager ist die Kritik verstummt.
Stoiber mal eben in einem Münchner Lokal für zwei Stunden zum Kaffeetrinken zu treffen, wäre früher nicht möglich gewesen. Heute geht das: Er kommt pünktlich, ist bester Laune und hat - im Vergleich zu früher - jede Menge Zeit. In einem Punkt aber ist er ganz der Alte: Es ist die leidenschaftliche Konzentration auf ein politisches Ziel.
Stoiber ist nicht zu bremsen. Er entfacht einen regelrechten Zahlenwirbel: Den rund 20 Millionen Unternehmen in Europa entstehen nach einer Hochrechnung allein durch Berichtspflichten jährlich Kosten von 150 Milliarden Euro. Wenn es gelänge, auf europäischer Ebene nur 25 Prozent dieser Kosten einzusparen, würde die Wirtschaft um 37,5 Milliarden Euro entlastet. Auf nationaler Ebene könnte noch einmal dieselbe Summe gespart werden. Dann wären es schon 75 Milliarden. Und weil die Unternehmen diese frei werdenden Potenziale für die Wertschöpfung nutzbar machen könnten, sei der volkswirtschaftliche Nutzen ein doppelter: 150 Milliarden Euro oder 1,5 Prozent zusätzliches Wachstum.
Das ist die Theorie. In der Praxis aber sieht Stoiber sich mit dem Grundproblem jeder Entbürokratisierung konfrontiert: "Alle wollen Freiheit statt Bürokratie, aber nur theoretisch. Wenn's konkret wird, sind die Leute im Zweifel immer für die Sicherheit."
Dennoch ist ihm nach eigener Darstellung der Durchbruch ausgerechnet dort gelungen, wo es kaum jemand erwartet hätte: bei dem irischen EU-Kommissar für den Binnenmarkt, Charlie McCreevy. Stoiber sagt: "Ich wusste, ich muss den jeweils zuständigen Kommissar überzeugen. Nur so kommt der Prozess in Gang. Herrn McCreevy habe ich in einer zweistündigen, sehr deutlichen und kontroversen Debatte und mit meinen Diskussionen im Europäischen Parlament dazu gebracht, etwas zu unternehmen." Die Folge: "Jetzt merken die in Brüssel: Da kommt ja echt was raus und der Stoiber setzt das auch durch."
Besonders stolz ist der frühere Ministerpräsident darauf, dass sich erste Fortschritte auch für Bayern beziffern lassen. "Herunter gerechnet machen alleine die beiden großen Vorschläge - Vereinfachung bei der Mehrwertsteuer und Abschaffung von Rechnungslegungsvorschriften für kleine Unternehmen - 900 Millionen Euro Entlastung für Bayerns Wirtschaft aus." Dies sei "ein echter, ein gewaltiger Vorteil".
Anerkennung erntet der frühere CSU-Chef vor allem in der eigenen Partei. Das ist nicht selbstverständlich, denn auch dort wurde er wegen seines "Austrags-Jobs" belächelt. Heute aber sagt Markus Ferber, der als Chef der CSU-Europagruppe mit Stoiber nicht immer einer Meinung war: "Er hat strategisch vieles richtig gemacht. Es hat sich in den letzten Monaten wirklich ein Stimmungswechsel eingestellt - gerade auch in der Kommission." Auch der deutsche EU-Kommissar Günther Verheugen (SPD) äußert sich anerkennend: "Edmund Stoiber und die Gruppe haben mehr geleistet, als ich überhaupt zu hoffen gewagt hatte."
Nur bei den EU-Parlamentariern im gegnerischen Lager konnte Stoiber nicht punkten. Grünen-Abgeordnete Rebecca Harms: "Ich will ihn ja nicht schlechter machen, als er ist. Aber so richtig klar ist es mir noch nicht, was er macht." Der SPD-Abgeordnete Wolfgang Kreissl-Dörfler: "Da hätten wir ihn nicht gebraucht, das wird alles schon lange in der Kommission diskutiert." Die Kosten für die Arbeitsgruppe, die Stoiber leitet, seien "hinausgeworfenes Geld".
Verheugen widerspricht seinem Parteifreund. Die Stoiber-Gruppe mit ihren hochkarätigen Experten sei auf Wunsch des EU-Parlaments eingerichtet und mit einem Budget ausgestattet worden. Sie leiste mit bescheidenen Mitteln wertvolle Arbeit für die Wirtschaft in Europa.
Auch für Stoiber gibt es beim Thema Geld noch einen kleinen, aber entscheidenden Unterschied zu früher. Er sagt zu seinem Job in Brüssel: "Ich mache das gerne und - was viele nicht wissen - ich mache es umsonst, für Gottes Lohn."
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