Juso-Chef Kühnert: Demos könnten Upload-Filter scheitern lassen
Exklusiv Juso-Chef Kevin Kühnert erklärt, wie er die Internetkonzerne zu Lizenzzahlungen anstatt zu Uploadfiltern verpflichten will.
Herr Kühnert, sehen Sie sich häufig Videos auf Youtube an?
Kevin Kühnert: Täglich, es ist aus meinem Alltag nicht wegzudenken.
Dort ärgern sich viele Youtuber und Zuschauer über die geplante Urheberrechtsreform. Sie befürchten, der Artikel 13, der am Dienstag im EU-Parlament beschlossen werden soll, führe zu Uploadfiltern und schränke die Freiheit im Internet ein. Wie stehen die Jusos und die SPD dazu?
Kühnert: Uploadfilter gibt es rein technisch schon heute. Der Artikel 13 würde aber dazu führen, dass sie verschärft werden müssten, sodass sie massiv und willkürlich aussieben würden. Das lehnen wir als unverhältnismäßig ab. Unsere Abgeordneten haben im Europäischen Parlament einen Antrag auf Streichung des Artikels 13 eingebracht und werden ihm auch zustimmen. Wir wollen einen besseren Umgang mit Urhebern, aber ohne Artikel 13.
Kreative und Rechteinhaber beklagen massive Verstöße gegen das Urheberrecht im Internet. Muss man sie nicht besser schützen?
Kühnert: Klar, ich sehe sogar dringenden Handlungsbedarf. Es bedarf der Sensibilisierung der Nutzerinnen und Nutzer, dass im Netz nicht jeder die Erzeugnisse anderer nutzen kann, wie es ihm gefällt. Inhalte im Internet wurden von jemandem erschaffen – und derjenige will und muss in manchen Fällen davon leben können. In den vergangenen Jahren hat eine Laissez-Faire-Haltung Einzug erhalten. Viele verbreiten Inhalte im Internet, ohne zu wissen, woher sie stammen. Plattformen wie Youtube leben von diesem Prinzip. Das muss sich ändern. Die Lösung kann aber nicht sein, dass scharfe Uploadfilter willkürlich löschen, eine Vergütung für Kreative verhindern und gleichzeitig eine Menge Netzkultur kaputtmachen.
Justizministerin Katarina Barley hat der Reform in ihrer jetzigen Form auf europäischer Ebene noch zugestimmt. Woher kommt der Sinneswandel?
Kühnert: Das ist kein Sinneswandel. Diese Entscheidung war für niemanden ärgerlicher als für Katarina Barley selbst, die Artikel 13 ebenfalls ablehnt. Die Ablehnung von Uploadfiltern im Koalitionsvertrag ist nicht vom Himmel gefallen. Es war die SPD, die das reingeschrieben hat. Der enorme Druck, unter anderem von Bundeskanzlerin Angela Merkel, war aber letztendlich zu groß. Das Europaparlament hat aber noch die Chance, den Artikel 13 zu streichen. Wenn das Parlament Artikel 13 streicht, muss sich die Bundesregierung auch im Rat an diesen Entschluss halten. Die bisherigen Abstimmungen waren sehr knapp, es gibt also eine realistische Chance. Deshalb sind die Großdemos am Wochenende so wichtig, weil sie unentschiedene Abgeordnete überzeugen könnten.
CDU und CSU wollen die europäische Reform umsetzen und Uploadfilter in der nationalen Umsetzung verhindern – auf Initiative der Jungen Union. Ist das Thema mehr Generationen- als Parteienstreit?
Kühnert: Mir ist aufgefallen, dass vielen die Dimension dieser Novelle erst bewusst wurde, als im Netz verständlich erklärt wurde, was Uploadfilter sind und wie sie funktionieren. Wäre das früher diskutiert worden, wäre uns dieser Hickhack jetzt vielleicht erspart geblieben. Der Vorschlag der Union ist uneuropäisch und ein taktischer Winkelzug. Statt einer europäischen Lösung wollen CDU und CSU einen nationalen Alleingang. Dann braucht man nicht Sonntagsreden darüber halten, wie wichtig die EU ist.
Wie wollen Sie Urheber ohne Artikel 13 schützen?
Kühnert: Wir möchten, dass die Rolle von Youtube & Co. stärker in den Blick kommt. Zu sehr ist in den vergangenen Wochen der Eindruck entstanden, Kritiker der Reform wären eine Art Youtube-Fanklub. Die Plattformen müssen in die Pflicht genommen werden, Lizenzvereinbarungen abzuschließen. Aber solange ich sie nicht dazu zwinge, faire Vergütungen zu gewährleisten, sondern ihnen die Hintertür öffne, Inhalte einfach nur zu löschen, mache ich Netzkultur kaputt, ohne einem Urheber geholfen zu haben. Unser Europaabgeordneter Tiemo Wölken hat vor einem Jahr einen Vorschlag gemacht, der vorsieht, dass Plattformen bei einer Meldung eines möglichen Urheberrechtsverstoßes 48 Stunden warten müssen und dem Nutzer die Chance geben, Stellung zu beziehen oder gar eine Vereinbarung zu treffen. Das ist ein sinnvoller Kompromiss – zwischen den berechtigten Ansprüchen der Urheber und dem Recht der Nutzer, dass das Internet als kreativer Ort funktioniert.
Sieht dieser Vorschlag nicht auch die automatische Erkennung urheberrechtlich geschützter Inhalte vor?
Kühnert: Ja, aber automatische Erkennung ist nichts Neues. Uploadfilter sorgen schon heute dafür, dass auf Youtube zum Beispiel keine Pornografie verbreitet werden kann. Mit Artikel 13 würden die Filter aber so scharf gestellt werden, dass sie deutlich mehr löschen als notwendig. Sie können heute beispielsweise eine Parodie technisch nicht von einer Urheberrechtsverletzung unterscheiden. Deshalb braucht es auch menschlich kontrollierte Prüfinstanzen.
Am Samstag sind Demonstrationen gegen die Reform in vielen europäischen Städten angekündigt. Gehen sie hin?
Kühnert: Ja. Die Jusos gehören zu dem Bündnis, das die Demos organisiert. Insgesamt finden sie in mehr als 50 deutschen Städten statt. Die Demos werden zeigen, dass nicht von Google gesteuerte Bots gegen die Reform protestierten, sondern dass zehntausende reale Menschen auf die Straße gehen. Sie werden genau darauf achten, was in den Parlamenten entschieden wird –- und nicht wenige werden ihre Wahlentscheidung am 26. Mai davon abhängig machen. Wir werden am Samstag eine klare Botschaft vermitteln und die lautet: Alle unsere Abgeordneten positionieren sich gegen Artikel 13. Die Demonstrationen können einen Beitrag dazu leisten, dass sich Abgeordnete dem Antrag der SPD anschließen, um scharf gestellte Uploadfilter zu verhindern.
Zur Person: Kevin Kühnert ist Bundesvorsitzender der SPD-Jugendorganisation Jusos. Der 29-jährige Berliner arbeitet für ein Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses.
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